Unter der Überschrift „Ausgezeichnet abgesichert“ hat das Institut der Süddeutschen Zeitung 25 gesetzliche Krankenkassen bewertet. Das Ergebnis offenbart seine Unkenntnis der Materie.
Einleitung
Es hört sich sehr durchdacht an: „Ziel der Studie war es“, heißt es auf sueddeutsche.de, „eine belastbare und differenzierte Bewertung der größten gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland auf Basis der konkreten Erfahrungen und Einschätzungen ihrer Versicherten vorzunehmen. Im Zentrum stand die Frage, welche Krankenkasse im Jahr 2025 die Bedürfnisse ihrer Mitglieder in Bezug auf Leistung, Service und Gesamtzufriedenheit am besten erfüllt. Grundlage der Erhebung war eine bevölkerungsrepräsentative Online-Befragung, durchgeführt von dem Marktforschungsinstitut INNOFACT, die im Zeitraum vom 25. März bis zum 9. April 2025 durchgeführt wurde. Insgesamt nahmen 1.381 Personen an der Erhebung teil. Teilnahmeberechtigt waren gesetzlich Versicherte ab 18 Jahren, die bei einer der 25 untersuchten Krankenkassen versichert sind. Dabei handelte es sich ausschließlich um die mitgliederstärksten gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland, die bundesweit geöffnet sind. Betriebskrankenkassen mit Zugangsbeschränkungen wurden nicht berücksichtigt, um eine vergleichbare Datengrundlage sicherzustellen.
Zunächst wurden die Befragten entsprechend ihrer Krankenversicherung zugeordnet. Anschließend erfolgte eine umfassende Bewertung entlang elf zentraler Themenfelder, darunter Kundenservice, Preis-Leistungsverhältnis, digitale Angebote, Zahnvorsorge, Prävention, alternative Heilmethoden und familienbezogene Leistungen. Jedes Themenfeld wurde durch zwei konkrete Unteraspekte operationalisiert, sodass insgesamt ein fein strukturiertes Bewertungsmodell entstand. Darüber hinaus flossen übergeordnete Kriterien wie Gesamtzufriedenheit, Loyalität, Weiterempfehlung, Wechselabsicht, Sympathie und Bekanntheitsgrad in die Analyse ein.
Um der realen Bedeutung der Einzelleistungen gerecht zu werden, wurden die Bewertungen nicht rein arithmetisch verrechnet. Vielmehr wurde ein differenziertes Gewichtungssystem angewendet. Die Befragten hatten die Möglichkeit, die elf Themenfelder nach subjektiver Relevanz zu gewichten, indem sie 100 Prozentpunkte auf die einzelnen Kriterien verteilten. So entstand ein aus Nutzersicht fundiertes Wichtigkeitsranking, das in die spätere Berechnung der Gesamtbewertung einfloss. Dieser methodische Ansatz stellt sicher, dass Leistungen, die für die Versicherten eine besonders hohe Relevanz besitzen, im Ranking stärker gewichtet werden als solche mit eher nachrangiger Bedeutung.
Die gewichteten Ergebnisse je Themenfeld und Krankenkasse wurden anschließend aggregiert. Daraus ergab sich ein übergreifender Mittelwert, der abschließend mit den Ergebnissen der übergeordneten Kriterien kombiniert wurde. Auf diese Weise wurden subjektive Einzeleindrücke mit allgemeinen Erfahrungswerten, beispielsweise zur Loyalität oder Wechselbereitschaft, in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht.
Das Ergebnis ist ein Gesamtindexwert für jede der 25 untersuchten gesetzlichen Krankenkassen. Dieser bildet die Grundlage für das finale Ranking der „Besten Krankenkassen 2025“. Krankenkassen, die einen Indexwert von 100 oder mehr erreichten, können sich über die Auszeichnungen „Beste Krankenkasse 2025“ beziehungsweise „Top Krankenkasse 2025“ freuen. Ergänzend wurden auch Sonderrankings für jedes Einzelkriterium erstellt, um differenzierte Einblicke in spezifische Leistungsbereiche wie die digitale Nutzererfahrung, die Qualität des Kundenservices oder die Familienfreundlichkeit zu ermöglichen.
Durch die Kombination aus subjektiver Relevanzbewertung, objektivierbaren Leistungsindikatoren und fundierter statistischer Gewichtung liefert die Studie ein aussagekräftiges und praxisnahes Gesamtbild.“
Das Ergebnis: Auf dem ersten Platz liegt mit einem Index von 158 die Techniker Krankenkasse, gefolgt von der AOK mit einem Index von 124. Auf dem letzten Platz landet die IKK – Die Innovationskasse.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Man muss nur bis zum Ergebnis der AOK lesen, dann weiß man: Hier waren Ahnungslose am Werk. Denn es gibt keine bundesweit geöffnete Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK). Es gibt einen AOK-Bundesverband, dem elf regional geöffnete AOKen angehören. Ihre Leistungen werden höchst unterschiedlich bewertet. Dem Handelsblatt (oben rechts) zufolge liegt die AOK Plus auf Platz eins im Test von 21 regional geöffneten Kassen. Die AOK Nordwest kommt nur auf Rang 16. Auf chip.de (unten rechts) belegt die AOK Bayern Platz drei, die AOK Rheinland-Pfalz/Saarland lediglich Rang 17.
Auf unsere Nachfrage schreibt uns das SZ-Institut: „Die AOK wird in der öffentlichen Wahrnehmung häufig als eine große bundesweite Krankenkasse gesehen, weil sie mit rund 27 Millionen Versicherten in allen Bundesländern vertreten ist und unter einer einheitlichen Marke auftritt – auch bewusst von der AOK gesteuert. Rechtlich und organisatorisch haben Sie Recht, dass die die AOK nicht aus einer zentralen Krankenkasse, sondern aus elf eigenständigen Allgemeinen Ortskrankenkassen besteht. Diese sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, agieren wirtschaftlich weitgehend selbstständig und haben eigene Verwaltungsräte, Haushalte und regionale Zuständigkeiten. Innofact als unser Marktforschungspartner hat sich für unser übergeordnetes Krankenkassenranking bewusst dafür entschieden, die Bewertungen der AOK unter der Dachmarke zusammenzufassen und die Wahrnehmungen der Leistungen zu aggregieren.
Unserer Meinung nach war die Entscheidung schlicht falsch und zeugt von wenig Sachkenntnis angesichts der unterschiedlichen Testergebnisse der einzelnen AOKen, die im Übrigen auch das SZ-Institut nicht in Abrede stellt. Da es in allen Tests Unterschiede zwischen den elf Kassen gibt, müssen sie auch beim SZ-Institut aufgetreten sein. Das macht das Vorgehen von Innofact noch unverständlicher und irreführender. Denn Versicherte der AOK Nordwest bekommen eben nicht die gleichen Leistungen wie die der AOK Plus.
SZ, Chip und Handelsblatt sehen die Techniker Krankenkasse als Testsieger. Doch auf den nächsten Platzen folgt ein wildes Durcheinander. Chip (unten rechts) sieht die Barmer auf Platz zwei, das SZ-Institut die nicht existierende AOK, das Handelsblatt (oben rechts) die HEK, die in der Süddeutschen (oben links) nur den 21. Rang belegt. Das liegt zum einen daran, weil in die Tests unterschiedliche Aspekte einfließen. Zum anderen, weil Chip nur die digitalen Services bewertet hat. In diesem Teilbereich sieht auch die Süddeutsche die Techniker vorn (unten links). Auf Platz zwei liegt der SZ zufolge die BIG direkt gesund, die laut Chip (unten rechts) nur auf den 14. Rang kommt.
Im Übrigen hat formal nicht die Süddeutsche Zeitung den Murks zu verantworten, sondern das SZ-Institut. Letztendlich fällt die Verantwortung aber auf die Zeitung zurück. Sie erscheint in der Süddeutsche Zeitung GmbH. Die ist die alleinige Gesellschafterin der Süddeutsche Zeitung Media GmbH, der Trägerin des SZ-Instituts. Das war uns schon einmal mit einer kapitalen Fehlleistung aufgefallen. Im Oktober 2023 listete es im Beitrag „Beste private Vorsorge 2023“ unter anderem Reise-, Flug- und Strompreisportale. Mehr dazu lesen Sie hier: Süddeutsche Zeitung.
Tests von Krankenkassen sind sehr beliebt, weil sie gut zahlende Kunden von Labeln sind (wie viel Kassen zahlen müssen, hat das SZ-Institut uns nicht verraten). Die Label sollen beim Werben um Versicherte helfen. Denn in ihren Leistungen unterscheiden sich die Kassen kaum. Etwa 95 Prozent sind gesetzlich vorgeschrieben und daher bei allen gleich. Unterschiede bei den restlichen fünf Prozent und den digitalen Services machen dann aus der einen die Testsiegerin, aus der anderen eine Looserin.
Fazit: Tests von Krankenkassen sind für die Versicherten wenig bis gar nicht hilfreich. Besonders wenn sie wie in der Süddeutschen von Ahnungslosigkeit geprägt sind.