Die Deutsche Gesellschaft für Unternehmenszertifizierung wirbt mit zufriedenen Kunden, die es ebenso wenig gibt wie einen angeblichen Professor, der die Wirkung ihres Labels erklärt.
Einleitung
„Wir zertifizieren Unternehmen in ganz Deutschland in 247 verschiedenen Branchen“, schreibt die Deutsche Gesellschaft für Unternehmenszertifizierung (DGFUZ) auf ihrer Internetseite zertifiziert.de.
Die Rede ist dort von 3.500 zufriedenen Unternehmen. So schreibt der Bauunternehmer Michael G.: „Ich bekomme endlich größere Aufträge, weil die Kunden direkt mehr Vertrauen in meine Arbeit haben. Besonders wenn es um Bauleistungen und große finanzielle Summen geht, möchten sich die Kunden sicher fühlen. Durch das Siegel wissen sie, dass wir seriös und zuverlässig sind.“ Der Spediteur Steffan S. erklärt: „In unserer Branche geht es um Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit, mit so einem Qualitätssiegel zeigen wir unseren Kunden, dass wir ein seriöses Unternehmen sind und Kundenzufriedenheit bei uns ganz oben steht.” Auch der Gastronom Frank L. schätzt das Label und sagt: „Ich habe das Zertifikat eingerahmt in meinem Lokal hängen. Es sieht nicht nur optisch ansprechend aus, auch die Gäste sind positiv eingestellt, wenn sie sehen, dass meine Arbeit Qualität bietet."
Prof. Dr. Nicholas Brerston hat eine wissenschaftliche Erklärung für die Zufriedenheit. Unter der Überschrift „Die Wirkung des Zertifiziert.de – Qualitätssiegels“ schreibt er: „Studien zeigen, dass ein Vertrauenssiegel die Kaufbereitschaft von Kunden um 5% erhöht (Splendid-Research Gütesiegelstudie, 2023). Sobald ein Produkt mit einem Vertrauenssiegel ausgestattet ist, steigt die Preisbereitschaft (die Bereitschaft für ein Produkt mehr zu zahlen) um 15%. (Splendid Research Gütesiegelstudie, 2020). Bei 45% der Befragten führt mangelndes Vertrauen zu einem Abbruch des (Online-)Kaufs (KPMG, 2021). 80% aller Online-Kunden wissen, was es bedeutet, ein Vertrauenssiegel zu tragen. (Forbes, 2014). 50 Prozent der Befragten vertreten die Auffassung, dass ein zertifiziertes Produkt besser sei als ein Produkt ohne Vertrauenssiegel. (Splendid-Research Gütesiegelstudie, 2023). Ein Vertrauenssiegel erhöht die Vertrauenswürdigkeit des Dienstleisters oder Verkäufers bei 75% aller Befragten. (Forbes, 2014).“
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Einen Prof. Dr. Nicholas Brerston gibt es nicht.
Das Bild zeigt auch nicht einen Christoph Suppan, als der er auf der Seite fassadenexpert.at (unten links) vorgestellt wird. Es handelt sich der Agentur Adobe Stock zufolge, wo man das Bild kaufen kann, schlicht um einen lächelnden älteren Mann mit Brille, der entspannt in einem Sessel sitzt.
Auch den Bauunternehmer Michael G. und den Gastronomen Frank L. gibt es nicht. Der angebliche Spediteur Steffan S. ist auf equilibre-et-bienetre.com (oben rechts) Thomas, 47 Jahre alt, auf dentistepro.fr Dr. Rubin Soudry und auf fliprogram.com Ken P. (unten rechts).
Zudem hat der angebliche Prof. Dr. Nicholas Brerston lediglich Studien zu Gütesiegeln allgemein referiert. Zum Teil sind sie zehn Jahre älter als das Label der Deutschen Gesellschaft für Unternehmenszertifizierung. Das ist erst am 25.9.2024 beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet worden.
Da wundert es auch nicht, dass die DGFUZ keine 3.500 zufriedene Unternehmen als Kunden hat. So heißt es an anderer Stelle unter der irreführenden Überschrift „Das Zertifiziert.de Siegel im Einsatz: Über 3.500 Unternehmen in Deutschland verwenden Qualitätssiegel in ihrer werblichen Außendarstellung.“ Das heißt: Nicht nur das Label der DGFUZ, sondern von allen möglichen Anbietern. Tatsächlich haben wir auf den Internetseiten der abgebildeten Hersteller von Carglass bis Viessmann keinen Hinweis auf eine Zertifizierung durch die DGFUZ gefunden. Vossloh und Carglass haben auf unsere Nachfrage nicht geantwortet, die anderen wussten zumindest nichts von einer Zertifizierung durch die DGFUZ.
Mitte September erreichten uns zunächst ein Anruf und dann eine Mail des Vaters und Mentors des Seitenbetreibers. Er schreibt: „Ich möchte Ihnen zeigen, dass zertifiziert.de 100% seriös ist und das Siegel Verbraucher vor finanziellen Schäden durch unseriöse oder insolvente Firmen und Dienstleister schützen kann. Bisher hat er als junges Startup ca. 50 Firmen zertifiziert.
Zertifiziert.de versucht mit dem Siegel in erster Linie bei Privatpersonen finanziellen Schäden vorzubeugen. Das Problem kennt jeder: Man möchte z.B. seine Wohnung renovieren, aber Maler und generell Handwerker sind schwer zu bekommen, oft sehr teuer oder kommen erst gar nicht zur Besichtigung des Vorhabens. Nach langem Suchen findet man dann den richtigen Maler, der einen Top-Preis abgibt und womöglich auch noch schnell mit den Arbeiten beginnen kann. Man ist happy und geht auf die geforderte Anzahlung von 1.500 Euro für Material ein.
Leider hat man nicht gewusst, dass der Maler insolvent ist und das Geld verloren ist. Der Auftrag wird nie durchgeführt. Genauso ist es bei dubiosen Schein-Firmen, die keine Gewerbezulassung haben. Sie sprechen z.B. ältere Menschen in Häusern auf das defekte Dach an und nehmen 10.000 Euro für eine angeblich Reparatur und werden nie wieder gesehen. Dies gibt es in allen Branchen und Dienstleitungen.
Die Prüfung des Gewerbescheines und des Unternehmens hätte diese Kunden davor bewahrt finanziellen Schaden zu nehmen. Unseriöse und insolvente Firmen gibt es in allen Bereichen der Wirtschaft. Das Zertifiziert.de Siegel schützt Kunden nicht zu 100% davor, bieten aber aufgrund der Zertifizierungskriterien einen sehr großen Schutz vor unseriösen oder zahlungsunfähigen Firmen. Schlüsseldienstfirmen, bekannt aus unzähligen TV-Dokus, sind hier nur ein Wirtschaftszweig.
Ich habe Ihnen im Folgenden einmal bespielhaft den Ablauf des Zertifizierungsverfahrens dargestellt: Das Gütesiegel wird ausschließlich nach sorgfältiger und mehrstufiger Überprüfung verliehen (bis zu 25 Punkte). Ein Erwerb ohne Prüfung gegen Bezahlung ist vollkommen ausgeschlossen. Der Zertifizierungsprozess gliedert sich in mehrere Schritte. 1. Formale Prüfungen: Zunächst werden die vom Unternehmen über unsere Checkliste übermittelten Angaben überprüft. Dazu zählen u. a. das Vorhandensein eines rechtskonformen Impressums, ein gültiger Handelsregistereintrag oder Gewerbeanmeldung, sowie womöglich weitere Nachweise im Einzelfall. 2. Online-Recherche: Im Anschluss erfolgt eine umfassende Recherche im Internet, um mögliche negative Bewertungen oder Auffälligkeiten aus der Vergangenheit festzustellen. 3. Bonitätsprüfung: Abschließend wird eine Bonitätsprüfung auf Negativmerkmale durchgeführt. Hier stehen unterschiedliche Dienstleister wie Creditreform, Bürgel oder Schufa zur Verfügung. Nur wenn auch dieser Schritt ohne relevante Auffälligkeiten abgeschlossen werden kann, wird das Unternehmen von uns zertifiziert und erhält das Gütesiegel. Sollte in einem der Prüfschritte eine Unstimmigkeit auftreten, wird das betroffene Unternehmen entsprechend informiert. Bei kleineren Punkten, etwa einem unvollständigen Impressum, geben wir konkrete Hinweise zur Nachbesserung. Bei schwerwiegenderen Auffälligkeiten, beispielsweise einer negativen Bonitäts-Auskunft, kann das Siegel nicht verliehen werden.
Tatsächlich sind inzwischen einige der von uns kritisierten Mängel abgestellt. Den angeblichen Professor gibt es nicht mehr. Auch werben die meisten der als Referenz aufgeführten Firmen mit dem Label.
Nicht abgestellt wurde aber die Werbung mit angeblich zufriedenen Kunden. Doch die Einzelhändlerin Anja D. („Ich habe das Zertifikat gut sichtbar in unserem Schaufenster ausgehängt. Ich habe das Gefühl, dass die Laufkundschaft seitdem zugenommen hat!“) gibt es nicht. Sei hat eine Vielzahl von Identitäten.
Ebenso wie die angebliche Immobilienmaklerin Sarah H. („Neue Kunden zu gewinnen, kostet viel Zeit. Das Siegel auf meiner Website und das Zertifikat in meinen Büroräumen sorgen dafür, dass ich schneller potenzielle Kunden von meiner Arbeit überzeugen kann. Die Zeit für die Akquise kann ich dann in mein Kerngeschäft investieren“). Als Laura Mertens „testet und bewertet sie Produkte rund um Schul- und Studienbedarf für alle Altersgruppen“ auf bildungsberatung-stmk.at. Auf ts-karriere.de steht sie ohne Namen für Initiativbewerbungen.
Selbst den angeblichen Bauunternehmer Michael G. gibt es noch. Dabei hatten wir darauf hingewiesen, dass er ein Fake ist. Auf scopevisio.com wird er als Stefan Reibold, Vertriebsleiter der Francke GmbH vorgestellt, auf natur-impuls.com hat er keinen Namen, auf cxomni.net ist er Marc-André Head of Customer Acquisition.
Vor diesem Hintergrund bleibt unser Misstrauen gegenüber zertifiziert.de. Denn wenn so leicht nachprüfbar gefaket wird, warum sollen wir dann davon ausgehen, dass der Prüfprozess für das Label wie beschrieben und korrekt abläuft?
Nach dieser Veröffentlichung schrieb uns der Vater ein weiteres Mal an und verteidigte die Verwendung der Fotos. "Im Impressum weisen wir daraufhin, dass wir wie fast alle Unternehmen weltweit, keine Realfotos zeigen, sondern Fotos aus Bild-Datenbanken. Das ist doch in keiner Weise verwerflich oder fake." Abgesehen davon, dass es im Impressum nicht alle, sondern nur "teilweise von Bild-Datenbanken" heißt, ist etwas nicht deshalb korrekt, weil es fast alle so machen. Denn wenn die Bilder nicht real sind, warum sollen es dann die Kundenmeinungen sein? Unter den als Referenz aufgeführten Unternehmen sind jedenfalls keine Einzelhändlerin, keine Immobilienmaklerin und auch kein Bauunternehmer.
Fazit: Wir Siegel sollen bei Käufern Vertrauen erwecken. Doch bei genauerem Hinsehen bleiben wir misstrauisch.