101 von 132 getesteten Produkten in der März-Ausgabe sind „sehr gut“ oder „gut“. Woran liegt das und warum wir unsere Zweifel haben.
Einleitung
„Margarine-Test: Nur eine ist "gut" – viele mit Mineralöl verunreinigt“, meldete Öko-Test im Dezember 2023. „Fertiger Pizzateig: Keime, Phosphate und zu viel Salz in der Kritik“, war eine der Schlagzeilen der Januar-Ausgabe 2024. „Abnehmshakes im Test: 11 von 17 Diätdrinks fallen durch“, hieß es im Februar. Doch langsam gehen dem Blatt die schlechten Nachrichten aus. Im Test Watte- und Abschminkpads sind 29 von 31 Produkten „(sehr) gut“. So wurden auch 20 von 22 Waschgelen und -lotionen für Babys bewertet. Ebenso 27 von 37 Spaghettisorten (alle Testergebnisse haben wir Ihnen in den gleichnamigen Reitern dokumentiert). Sind viele Produkte – möglicherweise auch durch die Arbeit von Öko-Test – im Laufe der Jahre immer besser geworden oder gibt es auch andere Gründe für die vielen guten Nachrichten?
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Der Einfluss von Öko-Test auf die tatsächliche Verbesserung von Produkten ist kaum zu überschätzen. Aber beispielsweise im Test Watte- und Abschminkpads gibt es andere Gründe dafür, dass die schlechteste Bewertung von zwei Pads „befriedigend“ ist. Kurz gesagt ist es der eingeschränkte Untersuchungsumfang. „Wer Einweg-Wattepads bevorzugt und trotzdem die Umwelt schonen will, greift am besten zu ungebleichten Exemplaren aus zertifizierter Bio-Baumwolle“, rät das Blatt. Aber warum sollte frau das tun, wenn sie eine große Auswahl an „sehr guten“ Pads aus konventioneller Baumwolle zum Preis von unter einem Euro pro 140 Stück hat? Vor allem, wenn die Bio-Pads etwa dreimal so teuer sind und zwei davon nur ein „gut“ bekommen.
Aber da war doch noch etwas. Im Februar-Heft heißt es zu Orangensäften: "Die Qualität stimmt zwar meist. Aber bei den Arbeitsbedingungen auf den Orangenplantagen gibt es Luft nach oben." Produkte konnten nicht "(sehr) gut" sein, wenn die Hersteller nicht nachweisen konnten, dass sie Verantwortung für die Lieferketen übernehmen. Dass sie sich um Arbeitsbedingungen und Umweltschutz bis in die letzten Winkel der Herkunftsländer kümmern. Beim Anbau der Baumwolle und bei der Verarbeitung geht es offenbar noch übler zu. So berichtet die Seite kritischerkonsum.de: „Baumwolle wächst hauptsächlich in Indien, China, USA, Brasilien und in afrikanischen Ländern südlich der Sahara. Zusammengefasst sind die Boden- und Luftverseuchung, der sinkende Grundwasserspiegel, die gesundheitlichen Schäden sowie menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in den Hauptanbaugebieten für Baumwolle schwerwiegende Probleme.“
Doch man muss nicht in die Ferne schweifen. Öko-Test selbst schreibt unter der Überschrift „Wattepads: Bio oder nicht?“. „Wattepads bestehen meist aus 100 Prozent Baumwolle. Allerdings wird diese meist in biodiversitätsfeindlichen Monokulturen angebaut, die große Mengen Wasser verschlingen und wo viele Pestizide und chemische Düngemittel eingesetzt werden. (..) Eine GOTS-Zertifizierung garantiert, dass die in den Wattepads verarbeitete Bio-Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau stammt. Zudem werden soziale Mindeststandards entlang der gesamten Wertschöpfungskette eingehalten.“
Hätte man daher Pads nicht nur auf Schadstoffe untersucht, wären die meisten aus konventioneller Baumwolle bestenfalls "befriedigend" oder sogar nur "ausreichend". Doch ohne jede Begründung interessiert sich Öko-Test bei Baumwolle nicht für die Menschen und die Umwelt in den Herkunftsländern, sondern behauptet, die Pads seien "sehr gut". Ihre Hersteller dürfen jetzt mit dem Öko-Test-Label werben. In ihrem Buch Gibt 's das auch in Grün? sagen die Chefredakteurin Kerstin Scheidecker und ihre Stellvertreterin Katja Tölle zu solcher Werbung: "Das ist Greenwashing". Die Redakteurin Lisa-Marie Karl wurde noch im Februar-Heft als "Königin der Lieferketten" gelobt. Doch sie hat offenbar schon wieder abgedankt.
Auch ein zweiter blinder Fleck verursacht zu gute Testergebnisse. Die Verpackungen der Einweg-Pads bestehen aus Plastik. Öko-Test wertet Produkte ab, wenn die Verpackungen nicht nachgewiesenermaßen mindestens 30 Prozent Altplastik enthalten. Fast die Hälfte der Mehrwegpads enthält oder besteht vollständig aus Polyester. Das ist gut zu recyclen. Aber Öko-Test fragt hier nicht nach dem Rezyklatanteil.
Ähnliche Inkonsequenz findet sich im Test Waschgele und -lotionen für Babys. In dem heißt es: „Duftstoffe in Babywaschprodukten machen Babys nicht sauberer und sind eigentlich unnötig. Welche Produkte ohne Parfum auskommen, lesen Sie in der Testtabelle.“ Sie sind sogar nicht nur „eigentlich“ unnötig, sondern tatsächlich – und obendrein umweltbelastend. Trotzdem schneiden die meisten der parfümhaltigen Gele, die beim Discounter um einen Euro pro 200 Milliliter kosten, „sehr gut“ ab. Dagegen sind zwei 3,25 und 7,13 Euro teure Produkte ohne Duftstoffe wie im Test Wattepads allein wegen Deklarations- und Verpackungsmängeln nur „gut“.
Ein ganz anderes Problem haben wir mit dem Test Mascara: Wir konnten schlicht nicht klären, was tatsächlich getestet wurde. Vielleicht weiß es die Autorin auch nicht so genau. Im Heft (Bild oben) heißt es: „Darüber hinaus ließen wir die Wimperntuschen (..) auf N-Nitrosodiethanolamin, Chlorphenesin (..) untersuchen.“
Im Internet dagegen ist für N-Nitrosodiethanolamin und Chlorphenesin keine Testmethode angegeben. Das würde heißen: Auf diese Stoffe wurde nicht untersucht. Umgekehrt gibt es dort Testmethoden für Paraffine und Konservierungsstoffe, die laut aber Heft nicht Untersuchungsgegenstand waren. Zudem ist es nicht möglich, mit der angegebenen Untersuchungsmethode auf (alle) „Konservierungsstoffe“ zu untersuchen. Dazu sind sie chemisch zu unterschiedlich.
Im Test Spaghetti werden Produkte nicht abgewertet, wenn sie weniger als ein Milligramm Mineralöl- oder ähnliche Bestandteile pro Kilogramm (mg/kg) enthalten. Mit mehr als vier mg/kg werden sie um vier Noten abgewertet und können bestenfalls „mangelhaft“ sein. Die gleichen Werten setzt Öko-Test für Kurkuma an. Unter Berücksichtigung der Verzehrsmengen heißt das: Mit einem „mangelhaften“ Kurkuma nimmt ein Mensch zehnmal weniger auf als mit „guten“ Spaghetti. Absurd – und mehr noch. Wahrscheinlich landen die Mineralölbestandteile gar nicht auf dem Teller. Denn auf unsere Frage: „Was geschieht mit Mineralölbestandteilen in Lebensmitteln beim Kochen?“ antwortet uns die künstliche Intelligenz chatgpt.de: „Beim Kochen von Lebensmitteln können Mineralölbestandteile, die möglicherweise in den Lebensmitteln enthalten sind, freigesetzt werden. Dies kann durch die Erhitzung der Lebensmittel verursacht werden, da sich die Moleküle der Mineralölbestandteile bei hohen Temperaturen lösen und in die Luft oder das Kochwasser übergehen können.“ Damit entfiele jede Begründung für die Abwertung und die fast letzte verbliebene schlechte Nachricht: „In diesem Test sehen Bio-Spaghetti nicht gut aus: Die höchsten Mineralöl-Gehalte (..). Enttäuschend.“ Da allgemein bekannt ist, dass Mineralölbestandteile flüchtig sind, hätte sich durchaus ein Test angeboten, wie viele davon tatsächlich auf dem Teller landen.
Nicht zuletzt löst der aktuelle Test den vom Februar 2021 ab. Vor gerade einmal drei Jahren wurde, anders als aktuell und ohne Begründung, auch die Sensorik untersucht. Der 2021er Test wiederum löste den Test vom August 2012 ab. Damals wurde festgestellt, dass Produkte aus Hartweizen einen zu großen Anteil von Weichweizen enthielten. Das ist zwar kein gesundheitliches, aber ein Qualitätsproblem.
Fazit: Ein inkonsequentes Testkonzept und allein durch eine Plausibilitätsprüfung auffindbare Fehler lassen erhebliche Zweifel daran aufkommen, ob man den Testergebnissen vertrauen kann.