Nachdem Testwatch eine Vielzahl von Fehlern entdeckt hatte, nahm die Süddeutsche Zeitung ihren Test „Beste Private Vorsorge 2023“ zunächst vom Markt und veröffentlichte dann eine korrigierte Version. In der fanden wir jedoch immer noch Fehler.
Einleitung
„Bester Gesamtanbieter ist die HUK-Coburg mit einem starken Ergebnis von 99,7 Punkten. Auf Platz zwei landete die Allianz mit 99,2 Punkten, der dritte Rang ging an die HypoVereinsbank (94,3 Punkte). Auch die R+V Versicherung (92,9 Punkte), die Hamburger Volksbank (92,1 Punkte) und die Frankfurter Sparkasse (91,7 Punkte) heimsten die Auszeichnung `Top´ im Gesamtranking ein“, schrieb die Süddeutsche Zeitung (SZ) in ihrer Ausgabe vom 5. Oktober 2023 und auf ihrer Internetseite. Für das Ranking wurden klassische, neue klassische und fondsbasierte Rentenversicherungen untersucht. „Im Mittelpunkt standen die drei Testkategorien Konditionen, Angebot und Kundenservice“, so das Blatt. Sie flossen mit 40 bzw. 20 Prozent (Kundenservice) in das Gesamturteil ein.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: An dieser ersten Veröffentlichung stimmte so gut wie nichts. In den Testkategorien Konditionen und Angebot wurden auf den Rängen zwölf bis 17 jeweils die Reiseportale lastminute.de und reisepreisvergleich.de, die Flugsuchen opodo.de, swoodoo.com und momondo.de sowie das Strompreisportal wechselpiraten.de gelistet. Von Testwatch auf diese offensichtlichen Fehler aufmerksam gemacht, schrieb uns das Deutsche Kundeninstitut (DKI), das in Zusammenarbeit mit dem SZ-Institut das Ranking erstellt hatte: „Bei den Rankings gibt es offensichtlich online ein technisches Problem. Die von Ihnen genannten Anbieter sind natürlich nicht Teil der zitierten Studie (sondern einer anderen) und nur durch einen technischen Fehler mit in diese Rankings gerutscht,“ so das DKI.
Technik kann versagen. Doch entweder haben auch die Kontrollmechanismen versagt oder es hat vor der Veröffentlichung überhaupt keine Kontrolle stattgefunden. Denn jedem halbwegs Sachkundigen wäre sicherlich aufgefallen, dass Reiseportale usw. keine privaten Rentenversicherungen anbieten. Zudem hätte der zweite, noch gravierendere Fehler bemerkt werden müssen. Auch das Gesamtranking war falsch. Das war uns aufgefallen, weil bei allen Anbietern die Bewertung die gleiche war wie die für den Kundenservice. Dazu schrieb uns das DKI, das Gesamtranking sei mit dem Kundenservice-Ranking vertauscht worden.
Hier stimmte fast nichts. In den Tabellen (von oben nach unten) Konditionen und Angebot fanden sich jeweils auf dem zwölften bis 17. Rang Reise-, Flug- und Strompreisportale. In den beiden Tabellen Kundenservice und Gesamtranking jeweils identische Punktzahlen. Doch die für das Gesamtranking waren falsch. Besonders bitter ist das beispielsweise für die Commerzbank. Sie landete mit 63,1 von 100 möglichen Punkten und der Gesamtbewertung „befriedigend“ auf dem letzten, dem 22. Rang. Der korrigierten Version zufolge kommt sie mit 86,7 Punkten und dem Gesamturteil „sehr gut“ auf den fünften Rang. Dagegen ist die R+V Versicherung nicht mehr „Top“ (92,9 Punkte, 4. Rang), sondern nur noch „gut“ (80,9 Punkte, 8. Rang). Für die Korrektur brauchte es allerdings mehrere Anläufe. Im ersten wurden zwar die Tabellen korrigiert, aber nicht der Begleittext. Dort hieß es immer noch: „Bester Gesamtanbieter ist die HUK-Coburg mit einem starken Ergebnis von 99,7 Punkten ..“ Erst nach unserem erneuten Hinweis wurde auch dieser Fehler korrigiert. Jetzt schreibt sz.de: „Bester Gesamtanbieter ist die Allianz mit einem starken Ergebnis von 95,8 Punkten. Auf Platz zwei landete die HypoVereinsbank mit 94,1 Punkten, der dritte Rang ging an die Debeka (87,8 Punkten). Auch die HUK-Coburg (87,6 Punkte), die Commerzbank (86,7 Punkte) und die BBBank (85,6 Punkte) heimsten die Auszeichnung `sehr gut´ im Gesamtranking ein.“ Überschrieben war die neue Veröffentlichung mit: „Aktualisierung der Zahlen am 10.11.2023“. Inzwischen ist vom 10.10.2023 die Rede. Ganz davon abgesehen, dass die Zahlen nicht aktualisiert, sondern Fehler korrigiert wurden, sind beide Angaben falsch. Das Ganze fand am 11.10. statt. Es mag sich zwar nach Erbsenzählerei und Korinthenkacken anhören. Doch für uns gehören solche Angaben schlicht zu den Fakten, die wir prüfen können. Bei vielen anderen, zum Beispiel ob die Unternehmen in den Testkategorien tatsächlich die angegeben Punktzahlen erreicht haben, ist uns das nicht möglich. Dafür müssten wir die Originalunterlagen und Rohdaten einsehen können. Doch wenn schon solche simplen Angaben nicht stimmen, wirft das die Frage auf, ob sorgfältig gearbeitet wird und wie verlässlich das Ergebnis insgesamt ist?
Gelogen wie gedruckt: Wir haben die Redaktion der Süddeutschen Zeitung auch gefragt, ob, wann und wie sie die Veröffentlichung in der gedruckten Ausgabe korrigieren wird. Eine Antwort haben wir nicht bekommen, eine Korrektur nicht gefunden.
Bleibt die Frage: Können und sollten Vorsorgesparer sich auf das korrigierte Ranking verlassen? Wir haben da erhebliche Vorbehalte. Denn bei der privaten Altersvorsorge geht es nicht um die Anbieter, sondern um deren Produkte. Die Untersuchung des DKI und des SZ Instituts betraf klassische, neue klassische und fondsbasierte Rentenversicherungen. Uns ist kein Test bekannt, in dem ein Versicherer in allen drei Varianten das beste Produkt anbietet. Tatsächlich liegt die Allianz in einem aktuellen Test von neuen klassischen Policen des Handelsblattes mit ihrem Tarif PrivatRente Perspektive RSKU1 auf Rang eins (in Aussicht gestellte Rente) beziehungsweise auf Rang zwei (garantierte Rente). Bei fondsbasierten Versicherungen erreicht sie mit dem Tarif PrivatRente InvestFlex RF1 (E195) aber nur Rang 27 von 39 getesteten. Die mögliche Monatsrente liegt im durchgerechneten Modellfall mit 411,75 Euro rund 160 Euro niedriger als beim Testsieger. Vorsorgesparer, die im Vertrauen auf den vermeintlichen Sieg der Allianz im SZ-Ranking bei ihr eine fondsbasierte Police kaufen, bekommen tatsächlich nicht das Beste, sondern dem Handelsblatt zufolge allenfalls ein mittelmäßiges Produkt. Unklar bleibt zudem, welche 221 Einzelkriterien mit welcher Gewichtung in die Bewertung eingeflossen sind. Eine Auskunft darüber haben wir nicht bekommen. Nicht zuletzt bezweifeln wir, dass 264 Kundenkontakte, das sind gerade einmal zwölf pro Unternehmen, für ein aussagekräftiges Ranking ausreichen.
Fazit: Testwatch rät davon ab, sich bei der Suche nach einer guten privaten Rentenversicherung auf das Ranking der Süddeutschen Zeitung zu verlassen.