Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: In mehreren Tests werden Produkte teilweise nicht aufgrund von Untersuchungen im Labor bewertet, sondern auf Grundlage der von den Herstellern deklarierten Inhaltsstoffe. Zu Duschölen schreibt Öko-Test: „Über die Deklaration haben wir erfasst, ob die Duschöle synthetische Polymere und PEG/PEG-Derivate enthalten. War das Mineral Mica deklariert .....“. Verschwiegen wird, dass man sich auch in Bezug auf die bedenklichen UV Filter auf die Deklaration verlassen hat. Die führen zur Abwertung eines Produktes um zwei Noten. Das heißt: Wäre in einem Duschöl ein solcher Filter enthalten, aber nicht deklariert, wäre ein mit „gut“ bewertetes Produkt tatsächlich nur „ausreichend“. Im Test Kartoffelchips wurden Aromen und Geschmacksverstärker per Deklaration erhoben. Im Test Aftershave-Balsame rechtfertigt Öko-Test das Vorgehen und schreibt: „Andere aus unserer Sicht kritische Kosmetikinhaltsstoffe, wie Emulgatoren aus der Gruppe der PEG/PEG-Derivate, Silikone oder synthetische Polymere, müssen die Hersteller eindeutig in der INCI-Deklaration auf der Verpackung auflisten.“ Dabei stellt man selbst immer wieder fest, dass die Deklarationen nicht stimmem. So war in diesem Test beim Bulldog Original After Shave Balsam der allergisierende Duftstoff Geraniol zwar deklariert, konnte aber im Labor nicht nachgewiesen werden. Im Test Kartoffelchips weicht der gemessene Salzgehalt von gleich vier der 20 Produkte um mehr als 20 Prozent vom deklarierten ab. Im Übrigen wurde das L’Occitane Homme After-Shave Balm unter anderem wegen des allergisierenden Konservierungsmittels Chlorphensin abgewertet. Auch das wurde aus der Deklaration abgeschrieben. Denn mit der von Öko-Test verwendeten Testmethode kann man nur nachweisen, ob ein Aftershave-Balsam die halogenorganischen Substanzen Chlor, Brom oder Jod enthält, nicht aber, welches Konservierungsmittel genau  verwendet wurde. Mehr dazu lesen Sie hier: Fake-Tests

Kunststoffe spielen in allen Tests in diesem Heft eine Rolle. In den Tests Aftershave-Balsame und Duschöle werden Produkte abgewertet, wenn Kunststoff-Flaschen nicht mindestens 30 Prozent Altplastik enthalten. Auch zwölf der 20 Kindergummistiefel enthalten Kunststoff. Das umweltschädliche PVC ist sogar das Hauptmaterial der Nickelodeon Paw Patrol Gummistiefel, pink-kombi und der Solognac Gummistiefel Kinder Inverness 100 J, anis. Hier geht es also nicht nur um ein paar Gramm wie bei Kosmetikflaschen. Zudem lässt sich PVC sehr gut recyceln, trotzdem fragt Öko-Test nicht nach dem Rezyklatanteil. Das Gleiche gilt für die Babyschlafsäcke. 13 der 15 getesteten bestehen teilweise aus Polyester, das sich ebenfalls gut recyceln lässt. Dass Öko-Test auch hier nicht nach dem Rezyklatanteil fragt, ist für uns ein Beleg für Inkompetenz oder Willkür. Zumindest aber dafür, dass es kein durchdachtes und durchgängiges Testkonzept gibt, dass die Bewertungen mehr oder minder zufällig und für Verbraucherinnen und Verbraucher wenig verlässlich sind.

Das gilt umso mehr, wenn man den Test Gummistiefel mit dem Vorgängertest im September 2018 vergleicht. In drei Produkten hatte Öko-Test phosphororganische Verbindungen gefunden. Das sind teils nervengiftige, teils krebserregende Substanzen, die als Flammschutzmittel oder Weichmacher eingesetzt werden. Eine Begründung, warum im aktuellen Test ebenso wenig nach diesen gefährlichen Substanzen gesucht wurde wie nach krebserregenden Nitrosaminen, liefert das Blatt nicht. Die können bei der Herstellung von Latex entstehen, aus dem mehrere Stiefel hergestellt sind. Nitrosamine waren zwar im Vorgängertest 2018 nicht mehr gefunden worden, bleiben aber ein mögliches Problem. So fanden die Überwachungsbehörden im Jahr 2021 in zwei von 15 Luftballons Nitrosamine über dem gesetzlichen Grenzwert. 2020/2021 waren zwei von 42 Gummihandschuhen betroffen.

Im Test Babyschlafsäcke schreibt Öko-Test unter der Überschrift „So haben wir getestet“: „Im Labor ließen wir alle Produkte auf optische Aufheller, Formaldehyd sowie auf krebserregende Farbbausteine analysieren; blanke Metallteile wie Druckknöpfe oder Reißverschlussgriffe auf Nickelabgabe, Schlafsäcke mit Polyesterfüllung auf lösliches Antimon. Zudem wollten wir wissen, ob die Farben der verarbeiteten Stoffe speichel­ und schweißecht sind.“ Das heißt, dass demnach nicht auf gesundheitsschädliche halogenorganische Verbindungen getestet wurde. Mit denen waren im Vorgängertest im Jahr 2019 zwei Produkte belastet. Allerdings wird im Internet eine Testmethode für halogenorganische Verbindungen angegeben. Das würde bedeuten, dass doch auf sie untersucht wurde und das „So haben wir getestet“ fehlerhaft ist. Was richtig ist, können wir nicht sagen, denn Öko-Test hat unsere Fragen dazu wie auch zu den Gummistiefeln nicht beantwortet.

Auf jeden Fall falsch ist die Anmerkung: „Dieser Test löst den Test Babyschlafsäcke aus dem Öko-Test Magazin 2/2019 und dessen Wiederveröffentlichungen im Ratgeber Kleinkinder 2018 und Jahrbuch Kleinkinder für 2019 ab“. Doch das kann schlichtweg nicht sein. Denn beide Hefte sind vor dem Öko-Test Magazin 2/2019 erschienen.

Verbraucherinnen und Verbraucher müssen Öko-Test blind vertrauen, da sie nicht prüfen können, ob die Testergebnisse und Bewertungen richtig sind. Auch Testwatch kann nur durch die Überprüfung der Plausibilität offenkundige Fehler und Ungereimtheiten aufdecken. Wir fragen uns daher, wie viele wir finden würden, wenn wir uns alle Unterlagen im Original ansehen könnten.

Reis und Chips wurden auf die Belastung mit Mineralölbestandteilen (MOSH) untersucht. Produkte, die mehr als vier Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) enthalten, können bestenfalls „mangelhaft“ sein. Mehr als zwei bis vier mg/kg führen zu einer Abwertung um zwei Noten auf „befriedigend“, mehr als ein bis zwei Milligramm zur Abwertung um eine Note. Dieses Abwertungsschema gilt für alle Produkte. Das Problem: Es berücksichtigt die Portionsgrößen nicht, also dass man gewöhnlich mehr Reis als Chips isst. Öko-Test geht bei Chips von einer Portionsgröße von 75 Gramm aus. Von der gleichen Menge Reispfanne dürfte ein Mensch kaum satt werden. Das starre Abwertungsschema führt dazu, dass im Extremfall ein Säugling mit einem „sehr guten“ Muttermilchersatzprodukt bis zu 16,6 mal mehr MOSH aufnimmt als Erwachsene über „mangelhaftes“ Kurkuma. Denn die sollen der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge nicht mehr als drei Gramm Kurkuma am Test essen. Säuglinge hingegen trinken bis zu 100 Gramm Muttermilchersatz pro Tag. Dazu kommt: Öko-Test weiß gar nicht, ob es sich um MOSH handelt. Denn die verwendete Testmethode kann MOSH nicht von POSH (oligomere Kohlenwasserstoffe aus Polyolefinen) unterscheiden. Weil Öko-Test das zumindest im Test Reis verschweigt, könnten betroffene Hersteller den Test gerichtlich verbieten lassen. Mehr dazu lesen Sie hier: Indiskutabel.