Für viele Matratzen wirbt der Otto-Versand auf seiner Internetseite irreführend mit dem Label der Stiftung Warentest und von anderen Testveranstaltern. Daher finden wir Otto gar nicht gut.
Einleitung
Mehr als 1.800 Matratzen kann man auf otto.de bestellen. Für über Hundert wirbt der Versandhändler dort irreführend mit Siegeln, zum Beispiel von der Stiftung Warentest.
Die Komfortschaummatratze Matratze myNap von Schlaraffia wird in zehn verschiedenen Größen von 80 x 190 cm bis 140 x 200 cm mit dem Label der Stiftung Warentest beworben. Dabei darf drei Urteilen des Bundesgerichtshofs zufolge nur das testidentische Produkt gelabelt werden. Also nur die myNap in der Größe 90 x 200, nicht aber alle anderen Größen wie 80 x 190 oder 140 x 200. Eine weitere Schlaraffia-Matratze, die Geltex Quantum Pure 200 (Bild unten), wird sogar in 64 Versionen mit dem Label der Stiftung beworben. 63 davon sind nicht testidentisch.
Der Test der Boxspringmatratze Dynamic TFK von Hn8 Schlafsysteme stammt aus dem März 2019. Weil er älter als drei Jahre ist, darf das Label der Stiftung Warentest nicht mehr verwendet werden. Daher hat sich Otto kurzerhand ein eigenes Label mit dem Testergebnis der Stiftung Warentest gebastelt. Beworben werden 27 Versionen der Matratze.
Für noch viel mehr Matratzen verwendet Otto Label der Zeitschrift Haus & Garten Test. Die Komfortschaummatratze Duo Sensation von BeSports beispielsweise wird in elf verschiedenen Versionen beworben. Die Zeitschrift Testjournal erscheint ebenfalls im Leipziger Auerbach Verlag. Alle 13 Versionen der Physio Top von Beco bewirbt Otto mit dem Label. Unsere Einschätzung zu den beiden Publikationen finden Sie hier: Testjournal
Die Komfortschaummatratze Double Deluxe Matratze 20 gibt es in 42 Versionen. Sie alle werden mit dem Label des TÜV Süd beworben. Unsere Einschätzung zum TÜV SÜD finden Sie hier: TÜV
Bei der von der Hamburger Firma Hanse Control mit „gut (1,6)“ bewerteten Taschenfederkernmatratze Active Flex von BeSports findet sich zwar der Hinweis, welche Version getestet wurde. Beworben werden mit dem Label aber alle 27 Ausführungen.
Mit Tests von Matratzen lässt sich viel Geld verdienen. Daher wollen viele ein Stück vom Kuchen. Wie die kleine Firma Ergo Support im schleswig-holsteinischen Nettelsee. Einen Hinweis darauf, welche Version der Komfortschaummatratze Lasse von Älgdröm sie mit „gut“ bewertet hat, haben wir nicht gefunden. Von Otto mit dem Label beworben werden zwölf verschiedene Ausführungen.
Getestet wurde vom Hohenstein Institute die Taschenfederkernmatratze Ortho Superia Strong von Beco in der Größe 90 x 200, Härtegrad 2. Doch gelabelt werden fünf verschiedene Größen von 80 x 200 bis 140 x 200 in jeweils zwei verschiedenen Härtegraden. Beim Hohenstein Institute, dem TÜV Süd, Hanse Control und Ergo Support müssen die Hersteller Tests selbst in Auftrag geben und bezahlen. Im Preis dafür ist die Nutzung des Labels meist inbegriffen. Dagegen testen die Stiftung Warentest, Haus & Garten Test und das Testjournal auf eigene Kosten. Dafür müssen die Getesteten für die Nutzung der Label bezahlen.
Das Label Kunden haben bewertet für die Komfortschaummatratze BeSports Duo Dynamic 2300 hat sich der Hersteller vermutlich selbst verliehen. 102 Kunden sollen dafür zwischen April und Juni 2018 befragt worden sein. Wir haben Besports unter anderem um Auskunft gebeten, wer die Befragung durchgeführt hat. Aber wir haben keine Antwort bekommen. Wie dem auch sei: Beworben wird mit Kunden haben bewertet nicht nur die bewertete Ausführung, sondern 14 verschiedene. Der Hersteller selbst bewirbt auf seiner Internetseite im Übrigen noch zwei weitere Varianten mit dem Label. Das gleiche Label mit dem Titel „Unsere Kunden haben bewertet“ haben wir für einen Lattenrost von Beco gefunden. Bewertet wurde aufgrund einer Befragung von 107 Kunden von Oktober bis Dezember 2020 die Größe 90 x 200. Von Beco gelabelt werden auch die anderen Ausführungen.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Die Urteile des Bundesgerichtshofs (BGH) hat der Autor dieses Berichts als Chefredakteur von Öko Test erstritten. Im ersten Verfahren (Az.: I ZR 173/16) ging es um die Frage, ob ein Beißring und eine Trinkflasche in der Farbe Grün bzw. Baby Blue mit dem Öko-Test Label beworben werden dürfen, obwohl eine andere Farbe getestet worden war. Im zweiten (Az.: I ZR 174/16) bot eine Internetseite unter Verwendung des Öko-Test Labels einen Lattenrost in verschiedenen Größen und Ausführungsformen sowie einen in Schwarz, Weiß und Rot gehaltenen Fahrradhelm an. Öko-Test hatte den Lattenrost aber nur in einer bestimmten Größe getestet, der Fahrradhelm hatte eine andere Farbgestaltung als die beworbenen Produkte. Im dritten Verfahren (Az.: I ZR 117/17) ging es um in der beworbenen Größe nicht getestete Kopfkissen und Lattenroste.
In allen drei Verfahren hat der BGH entschieden, dass nur testidentischen Produkte (gleiche Farbe, gleiche Größe) mit dem Öko-Test Label beworben werden dürfen. Denn, so hatte Öko-Test argumentiert, die Farben können Einfluss auf die Schadstoffbelastung haben, Lattenroste und Matratzen können in unterschiedlichen Größen unterschiedliche ergonomische Eigenschaften aufweisen. Wenn also der Liegekomfort auf einem 90 x 200 cm großen Produkt mit „gut“ bewertet wurde, kann er auf einem 200 x 220 cm großen durchaus „befriedigend“ oder noch schlechter sein. Das Labeling nicht testidentischer Produkte könne daher Verbrauchertäuschung sein.
In den beiden ersten Verfahren hatte Öko-Test gegen den Otto-Versand beziehungsweise gegen den zur Otto Gruppe gehörenden Versender Baur geklagt. Auf dessen Internetseite finden sich ebenfalls viele der irreführenden Matratzen-Label. Ebenso wie auf der Seite quelle.de. Der Versender gehört auch zu Otto. Im dritten Verfahren ging es gegen Matratzen Concord.
Offenbar um sich gegen den Vorwurf der Verbrauchertäuschung zu wehren, geben Otto, Baur und Quelle meist jetzt die Größe und den Härtegrad der tatsächlich getesteten Matratzen an. Doch das reicht unserer Meinung nach nicht, die Urteile des BGH scheinen uns eindeutig. Wir wollten daher wissen, wie die Testveranstalter das sehen und haben die Stiftung Warentest, Haus & Garten Test, das Testjournal, den TÜV Süd, Hanse Control, das Hohenstein Institute und Ergo Support am 6.8. um eine zeitnahe Stellungnahme gebeten. Die Reaktionen finden Sie im gleichnamigen Reiter.
Die Stiftung Warentest hat uns geantwortet, sie wolle die Sache prüfen. Ergosupport will sich bis Ende August 2023 äußern. Das Hohenstein Institute schrieb uns: „Auch unsere Lizenzbedingungen erlauben die Werbung mit unseren Labeln nur für testidentische Produkte. Im beanstandeten Fall wird aus meiner Sicht in ausreichend deutlicher Weise darauf hingewiesen, dass nur eine bestimmte Größe der Matratzen geprüft wurde.“ Das überzeugt uns nicht. Denn User dürften nicht wissen, dass unterschiedliche Größen und Härtegrade Einfluss auf das Testergebnis Ergonomie (den Liegekomfort) haben können. Daher erweckt das Labeling der nicht getesteten Ausführungen schlicht und einfach den Eindruck, es sei zwar eine andere Version getestet worden. Die gelabelte sei aber genauso gut. Damit macht Otto genau das, was der BGH dem Versender 2019 verboten hat. Eine andere Einschätzung würde sich vielleicht durch einen Hinweis ergeben wie: Die Testergebnisse dieser nicht getesteten Version können schlechter sein als die der getesteten. Aber dann könnte Otto auf das verbrauchertäuschende Labeling auch ganz verzichten.
Fazit: Otto, Baur und Quelle finden wir gar nicht gut. Und auch Haus & Garten Test, das Testjournal, den TÜV Süd, Hanse Control und Ergo Support nicht, die uns nicht auf unsere Fragen geantwortet haben.
Reaktionen
Reaktionen
Die Stiftung Warentest verwies uns an die RAL gGmbH. Sie ist von ihr beauftragt, die Labelnutzung zu überwachen. Die RAL haben wir am 16.8.2023 informiert. Sie bestätigte am 22. August, „dass wir hinsichtlich der festgestellten vertragswidrigen Nutzungen der Wort- und Bildmarke der Stiftung Warentest die Anbieter bzw. Webseitenbetreiber wie Otto, Quelle und Baur in den nächsten Tagen entsprechend kontaktieren werden“. Doch zunächst geschah fast nichts. Erst am 7. September waren zumindest die meisten Verstöße der drei Otto-Firmen entfernt. Aber nicht alle, und auch die der vielen anderen Internetshops nicht. Daher wollten wir von der Stiftung Warentest wissen, wie viel Zeit Unternehmen zur Beseitigung von Verstößen haben.
In ihrem Jahresbericht 2022 schreibt die Stiftung Warentest. „Im Jahr 2022 beanstandete die RAL gGmbH in 480 Fällen die Werbung von Unternehmen“. Um die Dimension besser einschätzen zu können, haben wir die Stiftung Warentest gefragt: „Wenn wie für eine Matratze von Schlaraffia 63 nicht getestete Versionen mit dem Label beworben werden, zählen Sie das als 63 Fälle oder nur als einen Fall?“ Außerdem wollten wir wissen, was beanstanden bedeutet? „Werden die Unternehmen abgemahnt und wenn ja, von wem? Werden die Abmahnungen markenrechtlich oder wettbewerbsrechtlich begründet? Wie hoch sind die typischen Abmahnkosten zum Beispiel für einen Internet Shop, der einen nicht getesteten Gartendünger mit dem Label bewirbt? Wenn die Unternehmen nicht abgemahnt werden, wie wird die missbräuchliche Nutzung anderweitig beanstandet“?
Im Jahresbericht heißt es zudem, dass die RAL rund 30 Webshops überwacht. Wir haben daher gefragt, welche und wie sie festgelegt wurden? Da wir davon ausgehen, dass die Größe der Unternehmen eine Rolle spielt, stellt sich uns nämlich die Frage, warum ein derartig massiver Missbrauch wie durch die Otto-Gruppe unentdeckt bleiben konnte?
Die Stiftung Warentest hat unsere Fragen zwar nicht direkt beantwortet. Aber der Justiziar schreibt uns: „Die Vielzahl der von Ihnen entdeckten Fallgestaltung hat mir gezeigt, dass hier - wie Sie zurecht betonen – Handlungsbedarf für die Stiftung Warentest besteht. Ihre Recherchen waren für mich ein guter Anlass, auch mit dem RAL zusammen, zu überlegen, welche Gestaltungsform (noch) möglich und welche eindeutig unzulässig sind. Ihre Recherchen waren daher für mich für den Einstieg bei der Stiftung Warentest sehr hilfreich.“
Der TÜV Rheinland schrieb uns, er habe „zwecks Transparenzgebot nachträglich „die Matratzengrößen zugefügt (Ergänzung: Abmessungen Breite: 70; 80; 90; 100; 120; 140; 160; 180; 200 [cm] Länge: 190; 200; 210; 220 [cm])“. Auf otto.de und in anderen Shops haben wir allerdings nur vier Größen gefunden: 90 x 200, 100 x 200, 120 x 200, 140 x 200. Wir haben daher beim Hersteller nachgefragt: „Haben Sie tatsächlich alle vom TÜV Rheinland aufgeführten Größen der Breckle EvoX Komfort, der Breckle EvoX Komfort One, Breckle EvoX Komfort Allrounder testen lassen?“ Eine Antwort haben wir nicht bekommen.
Das Hohenstein Institute schrieb uns: „Auch unsere Lizenzbedingungen erlauben die Werbung mit unseren Labeln nur für testidentische Produkte. Im beanstandeten Fall wird aus meiner Sicht in ausreichend deutlicher Weise darauf hingewiesen, dass nur eine bestimmte Größe der Matratzen geprüft wurde.“ Das überzeugt uns nicht. Denn User dürften nicht wissen, dass unterschiedliche Größen und Härtegrade Einfluss auf das Testergebnis Ergonomie, also den Liegekomfort, haben können. Daher erweckt das Labeling der nicht getesteten Ausführungen schlicht und einfach den Eindruck, es sei zwar eine andere Version getestet worden, die gelabelte sei aber genauso gut. Damit macht Otto genau das, was der BGH dem Versender 2019 verboten hat. Eine andere Einschätzung würde sich vielleicht durch einen Hinweis ergeben wie: Die Testergebnisse dieser nicht getesteten Version können schlechter sein als die der getesteten. Aber dann könnte Otto auf das verbrauchertäuschende Labeling gleich ganz verzichten.
Die Firma Ergo Support antwortete uns am 10. August, man werde sich bis zum Ende des Monats äußern, hat aber auf unsere Erinnerung am 8. September nicht reagiert. Von Haus & Garten Test, dem Testjournal, den TÜV Süd sowie von Hanse Control haben wir überhaupt keine Rückmeldung bekommen.