Sieben Tests hat Öko-Test in seiner Juli-Ausgabe 2023 veröffentlicht. Wegen schwerer Mängel könnten mehrere davon gerichtlich verboten werden.
Einleitung
Geschälte Tomaten
Geschälte Tomaten
„Es klingt verheerend“ schreibt Öko-Test. „Mit den Bio-Dosentomaten der italienischen Traditionsmarke Cirio nimmt ein erwachsener Mensch mit 60 kg Körpergewicht 28 Mal mehr Bisphenol A (BPA) auf, als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) nach neuester Einschätzung für unschädlich hält – und das bereits, wenn er davon umgerechnet knapp eine Dose pro Woche isst. Mit den Ja! Tomaten geschält sind es immerhin noch gut viermal so viel. Die restlichen Dosentomaten im Test liegen irgendwo dazwischen, aber alle überschreiten sie die neuerdings empfohlene Tageshöchstdosis um ein Mehrfaches.“ BPA kann das Hormonsystem beeinflussen, ist als reproduktionstoxisch beim Menschen eingestuft und „steht auch im Verdacht, Brustkrebs, Übergewicht und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern zu befördern“, so Öko-Test. Da scheinen die Befunde des Tests tatsächlich verheerend. Aber sind Sie es auch? Nach eigener Darstellung ist Öko-Test bei der Einschätzung der Risiken „konservativ“ vorgegangen. „Wir haben dafür angenommen, dass eine 60 Kilogramm schwere Person 50 Gramm Dosentomaten pro Tag verzehrt – das sind 350 Gramm pro Woche.“ Das wären pro Jahr knapp 20 Kilogramm. Testwatch kennt niemanden, der solche Mengen Dosentomaten isst. Und Sie? Aber wir müssen uns nicht auf persönliche Einschätzungen verlassen. Den letzten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2017 zufolge essen die Deutschen durchschnittlich gerade einmal 13,1 Kilogramm Gemüsekonserven pro Jahr. Wir wissen es zwar wieviel, aber nur ein kleiner Teil davon dürften Dosentomaten sein. Erbsen, Linsen und Bohnen dürften mit großem Abstand führend sein. Mit realistischen Zahlen gerechnet überschreitet allenfalls das am höchsten belastete Produkt die Menge an BPA, die die EFAS für unschädlich hält.
Dazu kommt: Öko-Test untersucht Lebensmittel regelmäßig auf die Belastung mit Mineralölbestandteilen. Nicht aber die geschälten Tomaten. Vermutlich, weil eine Belastung nicht sehr wahrscheinlich ist. Aber Öko-Test soll ja nicht nur bekannte, sondern auch mögliche neue Probleme entdecken. Das Gleiche gilt für Schwermetalle. Denn in Tomaten aus Stadtgärten wurden vor einiger Zeit größere Belastungen gefunden als in Supermarktware. Aber auch die war nicht frei von Schwermetallen.
Wie bei vielen anderen Test kritisieren wir auch in diesem, dass Öko-Test sich auf die Angaben der Hersteller verlässt. Den Salzgehalt hat man nur nachgemessen, wenn der Stoff auf der Zutatenliste stand. Ein nicht deklarierter Zusatz von Salz wäre also nicht aufgefallen. Eine weitere „Kleinigkeit“ wirft die Frage auf, wie viele Fehler wir entdecken würden, wenn wir alle Unterlagen des Blattes prüfen könnten. Denn bei den Baresa Geschälte Tomaten in Tomatensaft ist das Ergebnis Transparenz gegenüber Öko Test: „hoch“ gefettet. Das heißt, es führt zur Abwertung. Bei anderen Produkten ist das „hoch“ korrekterweise nicht gefettet.
Nicht zuletzt schreibt Öko-Test, man werte BPA „moderat“ ab. So kommt es, dass das am höchsten belastete Produkt, durch das nach Darstellung des Blattes ein Erwachsener mit 60 kg Körpergewicht 28 Mal mehr Bisphenol A (BPA) aufnimmt, als die (EFSA) nach für unschädlich hält, noch das Gesamturteil „ausreichend“ bekommt.
Bei den wesentlich unbedenklicheren Mineralölbestandteilen geht Öko-Test völlig anders und differenzierter vor und macht die Bewertung von der Höhe der Belastung abhängig. Mehr als ein Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) führt zur Abwertung um eine Note. Bei mehr als zwei mg/kg sind es zwei, bei über vier mg/kg sind es vier Noten, das Produkt kann bestenfalls „mangelhaft“ sein.
Vegane Burgerpatties
Vegane Burgerpatties
„Dass die Burger inzwischen frei von gentechnischen Bestandteilen sind, ist gut. Hoffentlich können wir das beim nächsten Test auch vom Mineralöl sagen“, schreibt Öko-Test. Dabei weiß das Blatt gar nicht, ob und wieviel Mineralölbestandteile (MOSH) die Burger enthalten. Denn die Testmethode kann nicht zwischen MOSH und POSH (gesättigte, oligomere Kohlenwasserstoffe aus Polyolefinen) unterscheiden. Dabei wäre es nur redlich, Leserinnen und Leser darüber zu informieren. Denn wenn es für MOSH zumindest den Verdacht der Gesundheitsschädlichkeit gibt, sind es für POSH lediglich Vermutungen. So schreibt Öko-Test im Januar-Heft 2023: „Teilweise findet man unter den MOSH auch so genannte MOSH-Analoge. Sie lassen sich im Labor bei den gefundenen Mengen in der Regel nicht von den MOSH unterscheiden. Zu den MOSH-Analogen gehören etwa POSH. Gesundheitlich bewertet sind die Analoge bislang nicht. Weil sie chemisch ähnlich sind, ist es wahrscheinlich, dass sie sich auch ähnlich verhalten.“
Weil Öko-Test behauptet, dass es sich um MOSH handele, obwohl es auch POSH sein können, ist der so genannte Tatsachenkern des Tests falsch. Deswegen musste die Stiftung Warentest vor vielen Jahren ein Heft mit einem Riester-Test vom Markt nehmen. Sie hatte sich bei der Renditeberechnung vertan und die Renditen zu niedrig ausgewiesen. Jahre später hat sie gegen Ritter Sport verloren, weil sie behauptete, man habe in einer Schokolade der Firma den chemisch hergestellten Aromastoff Piperonal nachgewiesen. Diese Behauptung war durch den Untersuchungsbericht des Labors nicht gedeckt. Das hatte lediglich gesagt, dass ihm kein natürlicher Herstellungsweg bekannt sei.
Mineralölbestandteile beziehungsweise das, was Öko-Test als MOSH ausweist, werden nicht abgewertet, wenn die Burger weniger als ein Milligramm pro Kilogramm (mg/kg) enthalten. Produkte mit mehr als vier mg/kg können bestenfalls mangelhaft sein. Die gleichen Abwertungsgrenzen gelten für alle Lebensmittel. Zum Beispiel auch für Kurkuma, das Öko-Test im Juli 2022 untersucht hat. Allerdings soll man laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) höchstens drei Gramm Kurkuma pro Tag essen. Mehr kann zu Übelkeit, Blähungen, Durchfall und Sodbrennen führen. Bei Burgerpatties sind wir von 150 Gramm am Tag ausgegangen. Das führt zu der absurden Situation, dass ein Mensch mit „sehr guten“ Burgerpatties 0,15 mg (über zehnmal mehr) MOSH aufnimmt als mit einem „mangelhaften“ Kurkuma (0,012 mg)
Dagegen können sich Kurkuma-Hersteller eigentlich nicht wehren. Denn die Bewertung der Laborergebnisse ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Meinungsäußerung. Und in deren Wesen liegt es, dass sie falsch sein kann. Dennoch darf man sie haben und äußern. Die Bewertung muss lediglich diskutabel sein. Das ist sie auch, jedenfalls solange man die Tests für sich betrachtet. Unserer Meinung nach ist sie es aber nicht mehr, wenn man die Tests nebeneinander legt. Denn ein Kurkuma mit „mangelhaft“ zu bewerten, das zu einer mehr als zehnmal niedrigeren Aufnahme von MOSH führt als ein „sehr gutes“ Burgerpattie, ist schlicht indiskutabel. Noch absurder wird das Ganze, wenn man den Test Anfangsmilch aus dem Januar 2023 daneben legt. Denn über eine „sehr gute“ Anfangsmilch nimmt ein Säugling bis zu 0,12 mg MOSH am Tag auf. Das ist zehnmal mehr als ein Erwachsener über ein „mangelhaftes“ Kurkuma. Doch wenn Mineralölbestandteile bedenklich sind, muss man gerade die Kleinsten der Kleinen davor schützen. Wenn nicht, ist die Untersuchung auf MOSH überflüssig und irreführend.
Viele Burgerpatties sind in Kunststoff verpackt. Bei vielen anderen Tests (in diesem Heft Fertigspachtel, After-Sun, isotonische Getränke) fragt Öko-Test nach dem Anteil von Rezyklat und wertet Produkte ab, wenn er unter 30 Prozent liegt. Bei den Burgerpatties spielt dieses Thema keine Rolle. Warum wissen wir nicht, denn Öko-Test beantwortet schon lange keine Fragen mehr von uns. Wie schon im Test Dosentomaten nährt das den Verdacht, dass nicht stringent und einheitlich festgelegt wird, was getestet und was bewertet wird, sondern ohne Konzept und willkürlich, manchmal auch nach Kassenlage oder wie beim Bisphenol A in Dosentomaten nach der Devise: Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.
Bei Aromen verlässt sich das Blatt, was wir immer wieder kritisieren, auf die Deklaration. Wer „dumm“ genug ist, den Zusatz von Aromen zuzugeben, wird mit Notenabzug bestraft. Bei anderen Tests wie Deos oder After-Sun-Produkten findet sich in solchen Fällen im Internet der Hinweis: „Weitere Inhaltsstoffe per Deklaration“. In diesem Test fehlt er. Dass es fahrlässig ist, sich darauf zu verlassen, belegt das Blatt in diesem Test wieder einmal selbst. Bei gleich sechs der 17 Produkte stimmt die Nährwertkennzeichnung nicht, weil der deklarierte Salz- oder Fettgehalt zu stark von dem im Labor gemessenen abweicht.
Isotonische Getränke
Isotonische Getränke
In diesem Test hat sich Öko-Test bei Vitamin- und Mineralstoffzusätzen, problematischen Antioxidationsmitteln, künstlichen Süß- und Farbstoffen sowie (natürlichen) Aromen auf die Deklaration verlassen. Warum wir das für problematisch halten, haben wir im Reiter vegane Burgerpatties erklärt. Zudem wertet Öko-Test Einweg-Kunststoffflaschen selbst dann ab, wenn sie zu hundert Prozent aus Recyclingmaterial bestehen. Warum man das zumindest hinterfragen kann, können Sie hier nachlesen. Umgekehrt fragt das Blatt bei PET-Mehrwegflaschen nicht nach dem Rezyklatanteil, obwohl auch sie (teilweise) aus Recyclingmaterial hergestellt werden können.
Deosprays ohne Aluminium
Deosprays ohne Aluminium
In Teilen handelt es sich um einen Fake-Test. Öko-Test hat nicht einmal überprüft, ob die Deos wirklich kein Aluminium enthalten. Auf die Deklaration hat man sich auch für PEG/PEG-Derivate, Kunststoffverbindungen wie Silikone oder das Antioxidans Butylhydroxytoluol (BHT) verlassen. Allerdings wird im Internet eine Testmethode für Silikone angegeben. Das heißt, dort wird behauptet, man habe im Labor nach ihnen gesucht. Was stimmt, wissen wir nicht. Doch wie dem auch sei: Mit „sehr gut“ bewertete Deos könnten durchaus auch „mangelhaft“ sein, wenn sie die nicht deklarierten Schadstoffe trotzdem enthalten. Dass auf die Deklaration kein Verlass ist, hat das Blatt auch in diesem Test wieder selbst festgestellt. Im Reebok Move Your Spirit Deodorant Bodyspray hat es eine möglicherweise Allergien auslösende – nicht deklarierte – halogenorganische Verbindung gefunden.
Im Übrigen hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln der Seite test.net schon im Oktober 2020 untersagt, „algorithmusbasierte Produktvergleiche als Tests zu bezeichnen, wenn Grundlage des Produktvergleichs nicht Tests zu jedem einzelnen der verglichenen Produkte sind" (Az.: 6 U 136/19). Zur Begründung schreibt das OLG, dass Verbraucher sowohl durch den Domainnamen test.net wie durch die Bezeichnung „Test" irregeführt würden. Denn „der angesprochene Verbraucherkreis" gehe davon aus, „dass die Produkte tatsächlich getestet" wurden und erwarte von „einem Warentest nicht nur eine statistische Auswertung der publizierten Produktinformationen und des Verbraucherechos", heißt es in der Urteilsbegründung.
Übertragen auf Öko-Test würde das unserer Meinung nach heißen: Der angesprochene Verbraucherkreis geht zu Recht davon aus, dass die Produkte tatsächlich vollständig getestet und nicht teilweise auf Grundlage der Herstellerangaben bewertet wurden. Daher könnte auch dieser Test vermutlich von einem Gericht untersagt werden, wenn die Hersteller dagegen vorgehen oder auch die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg. Die hatte der Zeitschrift Focus in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil die Veröffentlichung ihrer unseriösen Ärzteliste untersagen lassen.
Nicht zuletzt bestehen die Spraydosen teilweise aus Kunststoff, ohne dass nach dem Rezyklatanteil gefragt wird. Für den interessiert sich Öko-Test auch beim verwendeten Aluminium oder Weißblech nicht.
After-Sun-Produkte
After-Sun-Produkte
In diesem Test wurde die Deklaration für PEG/PEG-Derivate und synthetische Polymere abgeschrieben. Merkwürdigerweise ist, anders als im Test Deos, keine Rede von Butylhydroxytoluol (BHT), obwohl das Antioxidans auch in After-Sun-Produkten verwendet werden kann. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweisen wir im Übrigen auf den Reiter Deosprays ohne Aluminium.
Maissnacks
Maissnacks
Wie im Test geschälte Tomaten hat man den Salzgehalt nur nachgemessen, wenn der Stoff auf der Zutatenliste stand. Ein nicht deklarierter Zusatz von Salz wäre also nicht aufgefallen. Nicht zuletzt schreibt Öko-Test: „Um eine einheitliche Bewertungsgrundlage zu schaffen, haben wir für alle Produkte die gesetzlichen Richt- und Grenzwerte herangezogen, nach denen Behörden Beikost für Säuglinge und Kleinkinder beurteilen.“ Obwohl dem Blatt zufolge die Aufmachung von nur sechs der 19 Produkte Kinder als Zielgruppe anspricht. Darüber hinaus handelt es sich bei Maissnacks nicht um typische Beikost. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) schreibt: „Beikost bezeichnet alle speziell für Säuglinge (und Kleinkinder) hergestellten diätetischen Lebensmittel, die frühestens ab dem 5. Lebensmonat und spätestens ab dem 7. Lebensmonat die Ernährung mit Muttermilch beziehungsweise Muttermilchersatzprodukten schrittweise ergänzen sollen“. Also die Gemüse-, Obst-, Getreide- oder Fleischbreie im Gläschen von Hipp und anderen Herstellern. Die Einstufung der Maissnacks als Beikost durch Öko-Test hat Folgen. Sie darf zum Beispiel nicht mehr als 200 Mikrogramm des Schimmelpilzgiftes DON pro Kilogramm (µg/kg) enthalten. Dagegen gilt für Frühstückszerealien und Snacks auf Maisbasis ein Wert von 800 µg/kg. Herstellert von Produkten wie den Moniletti Mais-Stangerl, die wegen mehr als 200 µg/kg mit „mangelhaft“ bewertet wurden und deren Aufmachung nicht einmal Kinder anspricht, könnten unter Umständen gegen die Bewertung vorgehen. Denn Gerichte könnten unserer Meinung nach die Zugrundelegung der Grenzwerte für Beikost als nicht mehr diskutabel einstufen.
Fertigspachtelmassen
Fertigspachtelmassen
Dieser Test wirft drei Fragen auf. Erstens: Warum wurden die Produkte in den anderen Tests nicht ebenso gründlich untersucht? Zweitens: In anderen Tests, zum Beispiel isotonische Getränke, Deos, After-Sun-Produkte und Maissnacks verschlechtern „weitere Mängel“ das Gesamturteil. In diesen Test hingegen das Testergebnis Inhaltsstoffe. Das ist völlig unlogisch, denn die Inhaltsstoffe werden ja nicht schlechter, wenn wie bei mehreren Spachtelmassen der Hinweis „Von Kindern fernhalten“ fehlt oder bei anderen keine Allergiker Hotline angegeben ist. Drittens: Im Test geschälte Tomaten kann das Gesamturteil nicht besser sein als das Testergebnis Inhaltsstoffe. In diesem Test beruht es zu gleichen Teilen auf den Testergebnissen Inhaltsstoffe und Praxisprüfung. Dadurch kann ein Produkt, dessen Inhaltsstoffe mit „mangelhaft“ bewertet wurden, im Gesamturteil immer noch „ausreichend“ sein.