Öko-Test behauptet, 125 Produkte in seinem Maiheft 2023 getestet zu haben. 46 davon sind angeblich „(sehr) gut“. Ob das richtig stimmt, ist unklar, denn wir haben nicht nur im Test Kakaopulver Fehler und Unstimmigkeiten gefunden.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Öko-Test braucht möglichst viele „(sehr) gute“ Produkte, denn nur für die kann man Label verkaufen. Sie steuern inzwischen über 25 Prozent des Umsatzes und den gesamten Gewinn bei. Zum Vergleich: Bei der Stiftung Warentest machen die Label nicht einmal zehn Prozent der Gesamteinnahmen aus. Zudem wurden viele Produkte , anders als behauptet, gar nicht getestet. Zumindest in dem Sinn, dass alles, was für die Bewertung relevant und wichtig ist, im Labor überprüft wurde. So werden 14 von 27 Schuppen Shampoos mit „(sehr) gut“ bewertet, weil sie angeblich keine problematischen Anti-Schuppen-Wirkstoffe wie Climbazol, umstrittene Tenside wie PEG/PEG-Derivate und Natriumlaurylsufat, umweltbelastende Stoffe wie Silikone, andere synthetische Polymere sowie Phosphonate enthalten. Doch das hat man nicht im Labor festgestellt, sondern schlicht aus den Inhaltsstofflisten auf den Produkten abgeschrieben. Dass man sich auf die verlässt, ist umso unverständlicher als Öko-Test immer wieder feststellt, dass sie falsch sind. Im Test Kakaopulver beispielsweise wichen bei je einem Produkt, der Zucker- und/oder der Fettgehalt von der Deklaration ab. Im Test Silikonfugenmassen war auf einem Produkt der stark allergisierende Stoff Dichloroctylisothiazolinon (DCOIT) deklariert, wurde aber nicht nachgewiesen. Und schlimmer: In einem Produkt wurde DCOIT vom Labor gefunden, war aber nicht deklariert.
Daneben gibt es jede Menge Unstimmigkeiten und Fehler. So werden auf oekotest.de für die elektrischen Kinderzahnbürsten Testmethoden für Mineralölbestandteile, Pestizide, Aflatoxine und Mykotoxine angegeben. Diese Paramater machen jedoch überhaupt keinen Sinn und werden im Heft auch nicht erwähnt. Für den Test Kakaopulver findet sich eine Testmethode für Aromen, während es im Heft keinen Hinweis darauf gibt, dass ein solcher Test durchgeführt wurde. Dort heißt es: „In Laborprüfungen ließen wir den Zucker- und Fettgehalt, Theobromin, Coffein und den Kakaopulveranteil bestimmen, außerdem wurden Cadmium und Mineralöl analysiert. Auch die Belastung mit Keimen wie Enterobacteriaceen, E.coli, Salmonellen und Schimmel wurde gemessen.“ Der Zusatz von (natürlichen) Aromen wird von Öko-Test regelmäßig abgewertet, zuletzt in den Tests alkoholfreier Sekt (1/2023), Aufbackbrötchen (2/2023) und Ketchup (3/2023). Da einige Kakaopulver laut Deklaration (natürliche) Aromen enthalten und dafür nicht abgewertet wurden, dürfte dies definitiv eine Fehlbewertung sein. Eine Nachfrage von Testwatch diesbezüglich wurde nicht beantwortet.
Völlig durcheinander geht auch die Bewertung von Plastikverpackungen. Mal wird der Rezyklatanteil erhoben und bewertet, aber nicht auf PVC untersucht. Mal läuft es genau umgekehrt, mal spielt keines von beiden eine Rolle.
Testwatch kann die Richtigkeit der Testergebnisse und Bewertungen nur einem Plausibilitätscheck unterziehen. Nur in seltenen Fällen wie für die Aromen können wir auch die Fakten prüfen. Doch wenn wir auf diese Weise schon Fehler finden, stellt sich die Frage, wie viele es wären, wenn wir die gesamten Unterlagen von Öko-Test zur Prüfung bekämen?
Erdbeeren
Erdbeeren
Öko-Test schreibt: „In der andalusischen Provinz Huelva wachsen sie in riesigen Monokulturen, unter einem Meer von Plastikplanen. Das Problem sind nicht nur die rund 2.500 Kilometer, die die Früchte per Lkw nach Deutschland reisen. Neben CO₂ haben sie auch eine immense Menge Wasser im Gepäck: Erdbeeren sind im Anbau enorm durstig, rund 300 Liter Wasser verbraucht ein einziges Kilo laut WWF. Wasser ist im regenarmen Andalusien aber eine extrem knappe Ressource. Weil das vorhandene Wasser nicht mehr ausreicht, bohren Landwirte immer tiefere Brunnenlöcher – viele davon illegal. Damit graben sie dem nahe gelegenen Nationalpark Coto de Doñana buchstäblich das Wasser ab, einem der wichtigsten Feuchtgebiete des Landes und Rastplatz für rund sechs Millionen Zugvögel auf dem Weg in ihre afrikanischen Winterquartiere.“ An anderer Stelle im Text ist von einem „schweren ökologischen Rucksack“ die Rede. Daher stellt sich schon die Frage, wie ein Blatt mit dem Bestanteil „Öko“ im Namen „die Früchte von Edeka Bio und Rewe Bio mit gut empfehlen“ kann.
Und das ist nur eines der Probleme. Um die Belastung mit Pestiziden zu ermitteln, wurde eine „Mischprobe aus drei Packungen derselben Charge“ untersucht. Das ist zwar kostengünstig, verschleiert aber mögliche Probleme, denn man bekommt nur Durchschnittswerte. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfen Testveranstalter bei industriell hergestellten Lebensmitteln davon ausgehen, dass sie von immer gleicher Qualität sind. Daher reicht es, eine Probe zu untersuchen und das Ergebnis sogar dann mit „ungenügend“ bewerten, wenn der Hersteller behauptet, es handele sich um einen „Ausreißer“. Fraglich ist, ob das auch für frisches Obst und Gemüse zulässig und redlich ist? Um fundiert Rat geben zu können, hat Öko-Test in der Vergangenheit daher drei Proben aus unterschiedlichen Chargen nicht in einer Mischprobe, sondern einzeln untersuchen lassen. Wenn die Belastung mit Pestiziden in allen drei Fällen hoch war, wusste man: Dieser Anbieter kümmert sich nicht darum, sondern kauft ein, wo es billig ist. Das gleiche gilt für den Fall, dass sie teils viele, teils wenige Spritzmittel enthalten. Nur bei durchgängig niedriger Belastung war klar: Dieser Hersteller hat das Problem im Griff. Dieses Vorgehen war zwar immens teuer, aber dadurch konnte man auch guten Gewissens ein „(sehr) gut“ vergeben.
Der Test zeigt auch, dass es recht willkürlich ist, was in die Bewertung einfließt. „Plastikverpackungen wurden auf PVC analysiert“, schreibt Öko-Test. Da fragt man sich: Und was ist mit dem Rezyklatanteil? Denn Verpackungen für Lebensmittel können, sofern sie aus PET bestehen, durchaus mit Recyclingmaterial hergestellt werden und ein zu geringer Rezyklatanteil kann in den Tests Schuppenshampoos, Enthaarungscremes und Silikonfugenmassen die Bewertung eines Produktes beeinflussen.
Anti-Schuppenshampoos
Anti-Schuppenshampoos
Nicht nur, dass ein Produkt nachgewiesener Maßen falsch deklariert ist („Citronellol deklariert, im Labor aber nicht nachgewiesen“). Auch kann Teebaumöl, das in einem Shampoo enthalten ist, allergische Reaktionen auslösen. Daher empfiehlt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), maximal ein Prozent Teebaumöl in kosmetischen Mitteln einzusetzen. Außerdem warnt das BfR: „Vor allem in Gegenwart von Luftsauerstoff, aber auch durch Einflüsse von Licht und höheren Temperaturen altert das Öl. Durch Oxidationsprozesse entstehen Peroxide, Epoxide und Endoperoxide, die sensibilisierende Wirkung aufweisen und allergische Hautreaktionen hervorrufen können.“ Doch Öko-Test hat das Shampoo weder darauf noch auf den Gehalt an Teebaumöl untersuchen lassen. Außerdem wird in diesem Test zwar der Rezyklatanteil der Flaschen erhoben und bewertet, aber sie wurden, warum auch immer nicht auf PVC untersucht. Testmethoden sind angegeben für halogenorganische Verbindungen, Formaldehyd/-abspalter, aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) sowie Deklarationspflichtige Duftstoffe/Diethylphthalat/Polyzyklische Moschus- und Nitromoschus-Verbindungen/Cashmeran. Anhand der Deklaration wurden bewertet: problematische Anti-Schuppen-Wirkstoffe wie Climbazol, umstrittene Tenside wie PEG/PEG-Derivate und Natriumlaurylsufat, umweltbelastende Stoffe wie Silikone, andere synthetische Polymere und Phosphonate. Das heißt: Mit „(sehr) gut“ bewertete Shampoos können durchaus „ungenügend“ sein.
Kakaopulver
Kakaopulver
Der Untersuchungsumfang ist in Ordnung, die Bewertung der Befunde zumindest für die Mineralölbestandteile nicht. Denn durch eine mit weniger als einem Milligramm pro Kilogramm belastete, von Öko-Test mit „sehr gut“ bewertete Anfangsmilch 1, nimmt ein Säugling pro Tag bis zu 0,12 mg Mineralölbestandteile auf – genauso viel wie ein Kind durch mit „mangelhaft“ bewertetes Kakaopulver. Der Berechnung zugrunde gelegt haben wir die Empfehlung zum Beispiel von Nesquik, 15 Gramm Pulver in 150 Milliliter Milch zu rühren (Kaba empfiehlt mit 20 Gramm auf 200 Milliliter die gleiche Dosierung) und sind von einem Verzehr von zwei Portionen am Tag ausgegangen. Mit einer „guten“ Anfangsmilch 1 wird ein Säugling sogar bis zu zweimal mehr belastet, mit einer „befriedigenden“ bis zu dreimal mehr. In diesem Test findet sich die dritte Version der Bewertung der Plastik(teile): Ausweislich des Heftes und oekotest.de spielt weder der Rezyklatanteil eine Rolle, noch wurden die Verpackungen auf PVC getestet. Ein solches, nicht begründetes unterschiedliches Vorgehen können wir nur inkompetent oder willkürlich nennen. Nicht zuletzt hat Öko-Test auch bei Kakaopulver festgestellt, dass die Deklaration von drei Fällen falsch ist. Der gemessene Fettgehalt des Tiger Quick Trinkkakao von Rapunzel und des Caribo Bio Trink Kakao von Wertform weicht erheblich vom deklarierten ab, beim Caribo zudem der Zuckergehalt. Die Fehler bei der Bewertung der (natürlichen) Aromen haben wir im Reiter „Unsere Einschätzung“ erläutert. Zudem findet sich unter den Tabellen die Anmerkung „POSH = gesättigte, oligomere Kohlenwasserstoffe aus Polyolefinen. Das ist ein Hinweis darauf, dass Öko-Test weiß (ohne es zu sagen), dass die kritisierten Mineralölbestandteile MOSH in Wirklichkeit POSH sein können. Denn die Testmethode kann beide Stoffe nicht unterscheiden. Dabei wäre es nur redlich, Leserinnen und Leser darüber zu informieren. Denn wenn es für MOSH zumindest den Verdacht der Gesundheitsschädlichkeit gibt, sind es für POSH lediglich Vermutungen. So schreibt Öko-Test im Januar-Heft 2023: „Teilweise findet man unter den MOSH auch sogenannte MOSH-Analoge. Sie lassen sich im Labor bei den gefundenen Mengen in der Regel nicht von den MOSH unterscheiden. Zu den MOSH-Analogen gehören etwa POSH. Gesundheitlich bewertet sind die Analoge bislang nicht. Weil sie chemisch ähnlich sind, ist es wahrscheinlich, dass sie sich auch ähnlich verhalten.“
Couscous
Couscous
Schlechter als befriedigend ist laut Öko-Test kein Produkt. Ein anderes Bild ergäbe sich möglicherweise, wenn die Produkte umfassend untersucht worden wären, zum Beispiel auch auf Schwermetalle, insbesondere auf Cadmium. Und wie bei den Erdbeeren stellt sich die Frage, warum der Rezyklatanteil der Plastikverpackungen nicht erhoben und bewertet wurde. Sofern sie aus PET bestehen, dürfen sie nämlich Recyclingmatarial enthalten.
Enthaarungscremes
Enthaarungscremes
„Anhand der für die Hersteller verpflichtenden Zutatenlisten erhoben wir, ob die Cremes PEG/PEG-Derivate und weitere synthetische Polymere enthalten, die die Umwelt belasten“, schreibt das Blatt. Verschwiegen wird, dass das auch für Thioglykolate und Parfüm und/oder ätherisches Öl gilt. Zumindest sind für beide Parameter auf oekotest.de keine Testmethoden angegeben. Daher könnten die angeblich „guten“ Enthaarungscremes tatsächlich „ausreichend“ sein, die „befriedigenden“ sogar nur „mangelhaft“. Auch in diesem Test wurden die Verpackungen nicht auf PVC getestet.
Elektrische Kinderzahnbürsten
Elektrische Kinderzahnbürsten
Dass die Herstellerangaben nicht nur in Bezug auf die Inhaltsstoffe falsch sein können und man sie überprüfen muss, zeigt dieser Test. Bei einem Produkt war die angegebene Ladedauer deutlich kürzer als die im Labor gemessene. Daneben ist es bei den Kinderzahnbürsten umgekehrt wie bei den Enthaarungscremes, Schuppenshampoos und Silikonfugenmassen. Die Verpackungen wurden zwar auf PVC untersucht. Der Recyclinganteil spielt hingegen keine Rolle, auch im Gerät selbst nicht, für das man Recyclingmaterial verwenden könnte. oektest.de zufolge wurden nicht einmal getestet, ob die Geräte umweltschädliches PVC enthalten.
Silikonfugenmassen
Silikonfugenmassen
Neben den beiden Deklarationsfehlern (war auf einem Produkt der stark allergisierende Stoff Dichloroctylisothiazolinon (DCOIT) deklariert, wurde aber nicht nachgewiesen; in einem Produkt wurde DCOIT vom Labor gefunden, war aber nicht deklariert), ist erwähnenswert, dass die Kartuschen nicht auf umweltschädliches PVC untersucht wurden.