Das Deutsche Institut für Servicequalität (DISQ) hat die 173 beliebtesten Unternehmen in 58 Branchen ausgerufen. Doch das ist irreführender Unsinn. Auf Grundlage eines aktuellen Urteils des Münchener Landgerichts bestünden gute Chancen für ein Verbot.
Einleitung
„Im Rahmen der bevölkerungsrepräsentativ angelegten Verbraucherbefragung über ein Online-Panel gingen 50.286 Kundenstimmen ein. Im Fokus stand zum einen die Gesamtzufriedenheit mit der Marke/dem Unternehmen, die sich aus Aspekten wie Vertrauen, Preis-Leistungs-Verhältnis, Angebotsspektrum, Kundenservice, Image und Qualität des Produkts bzw. der Dienstleistung bildet. Zum anderen flossen die Wiederwahlabsicht und die Bereitschaft zur Weiterempfehlung in das Gesamtergebnis ein. Bewertet wurden insgesamt 650 Unternehmen bzw. Marken. In die finale Auswertung gelangten jene 511, die mindestens 80 Kundenstimmen erreichten. Die Kundenurteile sind auf breiter Front erfreulich. Trotz der Unternehmensunterschiede erzielen sämtliche Kategorien und Branchen im Durchschnitt ein gutes Ergebnis. Verstärkt wird dieses Gesamtbild durch die hohe Kundenbindung: So würden sich nach eigenen Angaben gut 89 Prozent auch künftig wieder für den Anbieter oder die jeweilige Marke entscheiden“, heißt es auf disq.de zum Bewertungsverfahren.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Laut DISQ durften Menschen über 18 an der Befragung teilnehmen und pro Branche ein Unternehmen bzw. eine Marke bewerten. Voraussetzung war, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten Kontakt mit dem Unternehmen oder seine Produkte genutzt oder seine Dienstleitungen in Anspruch genommen hatten. Ob und wie das überprüft wurde, erfährt man nicht. Wir haben daher einen kleinen Plausibilitätscheck gemacht. Von den 650 Unternehmen kamen die 511 in die Wertung, die mindestens 80 Stimmen bekommen hatten. Das sind insgesamt also mindestens 40.880 Stimmen, bei durchschnittlich 90 wären es schon 45.990 Stimmen. Da auch auf die restlichen 139 nicht bewerteten Unternehmen Stimmen entfallen, muss jeder der 50.286 Befragten zu mindestens einem Unternehmen aus jeder der 58 Branchen Kontakt gehabt haben oder sogar dessen Kunde gewesen sein. Das erscheint uns sehr unwahrscheinlich. Noch unwahrscheinlicher ist: In der Kategorie Fertighäuser standen 17 Firmen zur Wahl, 15 bekamen 80 Stimmen oder mehr. Da nur zwei weniger bekommen haben, kann man von durchschnittlich 80 und somit insgesamt 1.360 Stimmen ausgehen. Das heißt: 2,7 Prozent der Befragten hatte zu einem Fertighaushersteller Kontakt, den man wohl nur aufnimmt, wenn man sich für den Bau eines Fertighauses interessiert. Hochgerechnet auf die laut Statistischem Bundesamt 69.373.865 über 18-jährigen in Deutschland im Jahr 2021 wären das über 1,8 Millionen Kontakte. Tatsächlich gebaut wurden 2021 jedoch nur knapp 25.500 Fertighäuser. Im Jahr 2022, das ist der Erhebungszeitraum des DISQ, waren es vermutlich weniger, denn die Zahl der Baugenehmigungen für Privatpersonen sank gegenüber 2021 um 3,3 Prozent. Das heißt: Hätten tatsächlich mehr als 1,8 Millionen Menschen Interesse an einem Fertighaus gehabt, hätten die Hersteller nicht einmal 1,5 Prozent davon vom Kauf überzeugen können.
Grundsätzlich stellt sich zudem die Frage, ob man Unternehmen zu „Deutschlands beliebtesten Anbietern“ ausrufen kann, denen gerade einmal 80 von fast 70 Millionen Menschen ihre Stimme gegeben haben. Noch grundsätzlicher wird das Problem, weil nicht einmal alle in Frage kommenden Unternehmen zur Wahl standen. So waren es nur 17 Fertighaushersteller, obwohl allein der Bundesverband Deutscher Fertigbau 51 Mitglieder hat. Zudem sind längst nicht alle Hersteller Mitglied, zum Beispiel Scanhaus Marlow und Kitzlingerhaus nicht. Im DHV - Deutscher Holzfertigbau Verband sind sogar 210 Hersteller zusammengeschlossen. Eine Begründung, warum Unternehmen nicht zur Wahl standen, haben wir nicht gefunden. Sie können aber durchaus beliebter sein als die laut DISQ angeblich Beliebtesten 2023, die wir Ihnen im gleichnamigen Reiter dokumentiert haben. Daher fragt man sich schon, warum sich Firmen nicht dagegen wehren, dass die Konkurrenz mit der dubiosen Auszeichnung werben darf.
In dem Reiter finden Sie auch die 2021 und 2022 ausgezeichneten Unternehmen. Laut DISQ gehörte 2022 die Firma Klingenberg zu den beliebtesten Fliesen-Anbieter. Allerdings hatte sie aufgrund der Corona-Krise die Produktion bereits 2021 eingestellt und im Februar 2022 mitgeteilt, dass sie endgültig schließen werde.
Die Chancen, dem DISQ derartiges verbieten zu lassen, stünden nicht schlecht. So hat das Landgericht München I am 13.2.2023 mit einem noch nicht rechtskräftigen Urteil (Az.: 4 HKO 14545/21) die Ärzteliste von Focus verboten. „Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als TOP-Mediziner bezeichnet bzw. als FOCUS-Empfehlung angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen“, so das Gericht. Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse. Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie z. B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit. Außerdem kritisiert das Gericht das nicht unerhebliche Entgelt (rund 2.000 Euro netto), das für die werbliche Nutzung der Auszeichnung zu zahlen ist. Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeige der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten Wildwuchs gewesen sei. Davor seien die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert worden. Das alless tritt auch auf DISQ-Auszeichnung Deutschlands beliebteste Anbieter zu - mit der Ausnahme, dass das DISQ schon immer sein Label vermarktet hat.
Deutschlands beliebteste Anbieter? Das weiß man nicht, denn die Studie des DISQ ist fragwürdig.
Fazit: Das DISQ hat nicht die 173 beliebtesten Anbieter ermittelt, sondern 173 mögliche Labelkunden generiert.