Öko-Test hat Salatöle aus Hanf und andere Hanfprodukte untersucht. Das Ergebnis ist teils fehlerhaft, teils fragwürdig.

Einleitung

"Zu viel THC im Salatöl: echt jetzt?", fragt Öko-Test in seiner Oktober-Ausgabe 2022 und stellt fest: "Unser Test von Lebensmitteln mit Hanf hat überraschende Ergebnisse geliefert." Vor allem für die zehn Hanföle ist das Ergebnis niederschmetternd: Zwei sind "mangelhaft", acht sogar "ungenügend". Einige sollen zu viel des berauschenden Cannabis-Wirkstoffs THC enthalten. Andere zu viele Mineralölbestandteile (MOSH), wieder andere zu viel von beidem (die gesamten Testergebnisse haben wir ihm Ihnen im Reiter Unsere Einschätzung dokumentiert und kommentiert).

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Hanföl soll Salat eine nussige Note verleihen. Es wird aus den Samen der Pflanze gewonnen, die kein THC enthalten. Der berauschende Wirkstoff gelangt bei der Ernte und der Verarbeitung als Verunreinigung durch THC-haltige Hanfblätter und -blüten in die Öle. "Da müssen die Hersteller sauberer arbeiten", so Öko-Test. Tatsächlich liegt das Problem aber bei der Zeitschrift und nicht bei den Produzenten. Denn laut Öko-Test wird ein Hanföl im Testergebnis Inhaltsstoffe um vier Stufen abgewertet und kann bestenfalls "mangelhaft" sein, wenn "ein gemessener Gehalt an Gesamt-THC die von der EFSA empfohlene maximale Tagesdosis (ARfD) von 1 µg/kg Körpergewicht pro Tag überschreitet (in der Tabelle „stark erhöht“)".

 

 

 

Kommentar Testwatch: Der Gesamt-THC-Gehalt setzt sich zusammen aus zwei Substanzen: Δ9-THC und Δ9-THC-Säure (Δ9-THCA). Die Empfehlung der EFSA aus dem Jahr 2015 bezieht sich nicht auf den Gesamt-THC-Gehalt, sondern nur auf Δ9-THC, denn das ist die berauschende Komponente. Nimmt man den Gehalt von Δ9-THC als Berechnungsgrundlage, ergibt sich für das Bio Planete Hanföl nativ kein "stark erhöhter" Gehalt (Überschreitung der von der EFSA empfohlenen ARfD von 1 µg/kg Körpergewicht pro Tag) und auch kein "erhöhter" (50 bis 100 Prozent der von der EFSA empfohlenen ARfD), sondern allenfalls ein "leicht erhöhter" (mehr dazu im Reiter Die Bewertung).

 

Wir haben Öko-Test um die Übersendung der konkreten Messwerte für Δ9-THC gebeten, da wir davon ausgehen, dass die Bewertung für weitere fünf damit belastete Produkte fehlerhaft ist. Eine Antwort haben wir nicht bekommen. Von der Firma Bio-Planete um eine Klarstellung gebeten, erklärte Öko-Test Projektleiterin Vanessa Christa plötzlich, man habe die Gehalte auf Grundlage einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) bewertet. Das empfiehlt die Berücksichtigung des Gesamtgehaltes von THC, da nicht auszuschließen sei, dass sich durch Erhitzen zum Beispiel beim Braten Δ9-THC-Säure in Δ9-THC umwandeln könne. "Deswegen schließen wir uns hier dem BfR an", so Christa. Das darf Öko-Test selbstverständlich, aber im Heft heißt es, man beziehe sich auf die EFSA – und damit ist die Bewertung schlicht falsch. Es ist im Übrigen nicht das erste Mal, dass wir Fehler bei Öko-Test entdeckt haben. Zuletzt im Test Öko-Strom in der April-Ausgabe 2022.

Die Bewertung von MOSH ist zwar nicht falsch wie die von THC, aber fragwürdig. Denn schon ab einer täglichen Aufnahme von 0,06 mg (angenommene Verzehrsmenge 15 Gramm pro Tag) ist Hanföl laut Öko-Test im Testergebnis Inhaltsstoffe "mangelhaft". Dagegen wird ein Muttermilchersatzprodukt, durch das ein Säugling bei einer empfohlenen Verzehrsmenge von 100 Gramm fast doppelt so viel MOSH (0,1 mg pro Tag) aufnimmt, noch mit "sehr gut" bewertet. Ein noch absurderes Beispiel für die Bewertung von MOSH durch Öko-Test finden Sie hier: ÖKO-Test Kurkuma

Dazu kommt, dass Öko-Test gar nicht weiß und das in diesem Test und anderen verschweigt, ob es sich um MOSH handelt. Denn die Testmethode kann nicht zwischen MOSH und POSH (oligomere Kohlenwasserstoffe aus Polyolefinen) unterscheiden. Doch wenn es für MOSH zumindest den Verdacht der Gesundheitsschädlichkeit gibt, sind es für POSH lediglich Vermutungen. So schreibt Öko-Test im Januar-Heft 2023: „Teilweise findet man unter den MOSH auch so genannte MOSH-Analoge. Sie lassen sich im Labor bei den gefundenen Mengen in der Regel nicht von den MOSH unterscheiden. Zu den MOSH-Analogen gehören etwa POSH. Gesundheitlich bewertet sind die Analoge bislang nicht. Weil sie chemisch ähnlich sind, ist es wahrscheinlich, dass sie sich auch ähnlich verhalten.“ Das ist die gleiche Konstellation wie im Fall Ritter Sport, in dem die Stiftung Warentest gegen Ritter Sport vor Gericht unterlag. Öko-Test behauptet, es handele sich um MOSH, weiß abe sogarr, dass es auch POSH sein kann. Bei Ritter Sport hatte die Stiftung Warentest behauptet, man habe in einer Schokolade der Firma den chemisch hergestellten Aromastoff Piperonal nachgewiesen. Nach unserem Wissen hatte das Labor aber lediglich erklärt, ihm sei kein natürlicher Herstellungsweg bekannt. 

Abgewertet wurden auch fünf der acht getesteten Hanfsamen: vier wegen "(leicht) erhöhter" Gehalte an MOSH, die Hanf Natur Bio Hanf Hanfsamen geschält wegen des "erhöhten" Gesamt-THC-Gehaltes.

 

Kommentar Testwatch: Warum die Bewertung von THC mutmaßlich falsch ist, haben wir in unserem Kommentar zu den Hanfölen erklärt. Und auch wenn die Abwertung der Hanfsamen wegen MOSH nicht so stark ist wie die bei den Ölen, ist auch diese Bewertung fragwürdig. Denn schon ab einer täglichen Aufnahme von 0,06 mg MOSH durch eine angenommene Verzehrsmenge von 30 Gramm sind Hanfsamen laut Öko-Test im Testergebnis Inhaltsstoffe „befriedigend“. Dagegen wird ein Muttermilchersatzprodukt, durch das ein Säugling bei einer empfohlenen Verzehrsmenge von 100 Gramm fast doppelt so viel MOSH (0,1 mg pro Tag) aufnimmt, noch mit „sehr gut“ bewertet. Auf „gut“ abgewertet wird ein Hanfsamen (hier Dm Bio Hanfsamen geschält) bereits, wenn er zu einer täglichen Aufnahme von 0,03 mg MOSH führt.

Nichts auszusetzen hat Öko-Test an den beiden Teemischungen mit Hanf: Sie wurden mit „sehr gut“ bewertet.

 

Kommentar Testwatch: Da beide Produkte laut Öko-Test keine Mängel aufweisen, konnte es keine fehlerhafte Abwertung geben.

Fazit: Die Testergebnisse von Öko-Test sind immer noch für Viele eine wichtige Entscheidungshilfe. Umso schlimmer ist es, wenn man sich auf sie nicht verlassen kann.

Die Bewertung

Die Bewertung

*Gesamt-THC bezieht sich auf die Summe aus THC und die mit dem Faktor 0,877 multiplizierte THC-Säure
 
Fett gedruckt sind Mängel.
 
Abkürzungen: MOAH = aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe; THC = Tetrahydrocannabinol.
 
Anmerkungen: 1) Weiterer Mangel: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; 2) Weiterer Mangel: fehlender Hinweis, dass das Produkt nicht für Kinder geeignet ist; 3) Weiterer Mangel: überflüssiger Umkarton; 4) Weiterer Mangel: fehlerhafte Deklaration der Referenzmenge bei zusätzlicher Angabe von Vitaminen und/oder Mineralstoffen in der Nährwertdeklaration; 5) Laut Herstellergutachten wurden Mineralölbestandteile (MOSH) in einem Bereich nachgewiesen, den wir als „Spuren“ beurteilen würden; 6) Laut Anbietergutachten wurden Mineralölbestandteile (MOSH) in einem Bereich nachgewiesen, den wir als „erhöht“ beurteilen würden.
 
Legende: Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt.
Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.
 
Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) ein gemessener Gehalt an MOSH/MOSH-Analogen der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 4 mg/kg (in der Tabelle: Mineralölbestandteile „stark erhöht“); b) ein gemessener Gehalt an Gesamt-THC, der die von der EFSA empfohlene maximale Tagesdosis (ARfD) von 1 µg/kg Körpergewicht pro Tag überschreitet (in der Tabelle „stark erhöht“). Für die Berechnung sind wir von einer Person mit 60 Kilogramm Körpergewicht und einem Tagesverzehr von 15 g (ca. 2 Esslöffel) Hanföl ausgegangen.
 
Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein gemessener Gehalt an MOSH/MOSH-Analogen der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 2 bis 4 mg/kg (in der Tabelle: Mineralölbestandteile „erhöht“); b) ein gemessener Gehalt an Gesamt-THC, der die von der EFSA empfohlene maximale Tagesdosis (ARfD) von 1 µg/kg Körpergewicht pro Tag zu 50 bis 100% ausschöpft (in der Tabelle „erhöht“). Für die Berechnung sind wir von einer Person mit 60 Kilogramm Körpergewicht und einem Tagesverzehr von 30 g Hanfsamen bzw. 15 g Hanföl ausgegangen; c) in Hanfölen ein gemessener Gehalt an Benzo(a)pyren und/oder ein Summengehalt der PAK 4, der mehr als 50 bis 100 Prozent der jeweiligen gesetzlichen Höchstmengen ausschöpft (in der Tabelle: PAK „stark erhöht“); d) der Nachweis von aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffen (MOAH), sofern nicht schon für einen Gehalt von MOSH/MOSH-Analoga um vier Noten abgewertet wurde.
 
Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) in Hanfölen ein gemessener Gehalt an Benzo(a)pyren und/oder ein Summengehalt der PAK 4, der mehr als 25 bis 50 Prozent der jeweiligen gesetzlichen Höchstmengen ausschöpft (in der Tabelle: PAK „erhöht“); b) ein gemessener Gehalt an MOSH/MOSH-Analogen der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 1 bis 2 mg/kg (in der Tabelle: Mineralölbestandteile „leicht erhöht“).
 
Kommentar Testwatch: Zur Abwertung um eine Note müsste auch ein Gehalt an Δ9-THC führen, der die von der EFSA empfohlene ARfD über 25 bis 50 Prozent ausschöpft. Das Bio Planete Hanföl nativ kommt auf 27 Prozent. Öko-Test diesen Fall zwar nicht definiert, er ist aber aus Bewertungssystematik von MOSH ableitbar. Gehalte über 4 mg pro Kilogramm Hanföl sind laut Öko-Test „stark erhöht“. Über 50 bis 100 Prozent davon (2 bis 4 mg) bezeichnet die Zeitschrift als „erhöht“, über 25 bis 50 Prozent (1 bis 2 mg) als „leicht erhöht“.
 
Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung; b) ein fehlender Hinweis, dass das Produkt nicht für Kinder geeignet ist; c) ein Umkarton; d) fehlerhafte Angabe des Bezugs auf die Referenzmenge bei der Deklaration von Vitaminen und/oder Mineralstoffen (wörtlich: „Referenzmenge für einen durchschnittlichen Erwachsenen (8400 kJ/ 2 000 kcal)“).
 
Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen „nein“, bedeutet das „unterhalb der Bestimmungsgrenze“ der jeweiligen Testmethode. Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „befriedigend“ oder „ausreichend“ ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das „gut“ ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.
 
Einkauf der Testprodukte: Juni 2022.