Das Label Green Brand hat den hohen Anspruch, nur wirklich nachhaltige Marken, Produkte und Unternehmen auszuzeichnen. Dem wird es nicht gerecht.

Einleitung

Man sei als "erster Discounter als Green Brand zertifiziert", teilte Norma seinen Kunden im Wochenprospekt Anfang Februar 2022 mit. Ein Discounter eine grüne Marke? Das weckte unser Interesse. Dabei fiel uns sofort auf, dass auch Aldi Süd ausgezeichnet wurde. Auf unsere Nachfrage, ob Norma sich "Erster" nennen dürfte, antwortete uns Norbert Lux, Geschäftsführer der Green Brands Organisation: "In der Tat gibt es eine zeitliche Nähe der erfolgreichen Abschlüsse von Norma und Aldi Süd. Auch wenn es sich um wenige Tage handelt, Norma lag zeitlich eben knapp vor Aldi Süd." Na dann - ok.

Green Brand ist als so genannte europäische Gewährleistungsmarke eingetragen und damit europaweit geschützt. Das "Gütesiegel gewährleistet, dass die mit ihm versehenen Marken wirklich umweltfreundlich und nachhaltig sind und deshalb einen Beitrag zum Schutz der Umwelt, der Natur und des Klimas sowie zur Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen leisten", so die Green Brands Organisation. Lob kommt von der ehemaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks: "Green Brands zeichnet Unternehmen und Produkte aus, die nachhaltiger sind als andere. Es sind Leuchttürme, die in die Richtung weisen, in die wir alle uns bewegen müssen: Gesellschaft, Wirtschaft, Verbraucherinnen und Verbraucher. Und zwar weltweit." Maximilian Gege, der Vorsitzende des Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management (Baum), ergänzt: "Mit Green Brands wurde ein wichtiges und einzigartiges Zertifikat geschaffen, das Unternehmen ermöglicht, ihre grünen Marken öffentlich zu präsentieren, dadurch ihre Absätze zu steigern und gleichzeitig einen wertvollen Beitrag zum Wandel hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu leisten."

Green Brand? Norma kann nicht nur billig (XXL-Schweineschnitzel 21% billiger), sondern soll auch ein grüner Vorreiter sein.

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: ist weit weniger positiv. Insgesamt wurden 2020/2021 65 Marken ausgezeichnet und, warum auch immer, Gerd Müller. Nicht der verstorbene Fußballer, sondern der CSU-Politiker und ehemalige Bundesminister für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ausgezeichnet werden kann nur, wer nominiert wurde. Zum Beispiel von Interessensverbänden, von Ausgezeichneten der Vorjahre oder von Mitgliedern der Jury, die letztendlich über die Auszeichnung entscheidet. Grundsätzlich ausgeschlossen sind Unternehmen aus den Branchen Atomenergie, Glücksspiel, Pornographie, Rüstung und Tabak. Auch kontroverses Umweltverhalten ("Unternehmen, die selbst oder deren Zulieferer und Subunternehmer Umweltgesetze oder allgemein anerkannte ökologische Mindeststandards / Verhaltensregeln massiv missachten") und Menschenrechtsverletzungen führen zum Ausschluss.

Die Nominierten müssen einen Fragebogen ausfüllen - die Discounter den für "Dienstleister". Daneben gibt es weitere für Unternehmen, Produkte und Lebensmittel. Die Discounter wurden zum einen nach konkreten Tatsachen gefragt, wie: "Beziehen Sie Ökostrom (Strom aus ausschließlich erneuerbaren Energieträgern)?". Zum anderen nach Selbsteinschätzungen, zum Beispiel: "Welchen Stellenwert haben Energiethemen (Effizienz, Einsparungen) intern (gering, mittel, hoch)"? Vorgesehen seien "stichprobenartige Prüfungen der gemachten Angaben", heißt es auf der Internetseite green-brands.org.

Bestenfalls bekommt man für die Antworten 100 Punkte zugesprochen. Wer auf mindestens 51 kommt, wird einer Jury zur Entscheidung vorgelegt. In der Jury für Deutschland (daneben gibt es Jurys für acht weitere europäische Länder) sitzen bekannte Menschen wie Prof. Dr. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung oder Frithjof Finkbeiner, laut green-brands.org Vizepräsident des Club of Rome. Aber auch weniger bekannte wie Christian Conrad, laut green-brands.org "Autor, Redner und Coach für Unternehmenskultur und Nachhaltigkeit". Finkbeiner ist und war im Übrigen nie Vizepräsident des Club of Rome, sondern bis November 2020 lediglich Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome. Die Jury kann Kandidaten ablehnen, auch wenn sie mindestens 51 Punkte haben. Sie kann aber auch solche auszeichnen, die das Level "nur annähernd" erreichen. Das Problem: Es ist weder bekannt, wer wie viele Punkte wofür bekommen hat, noch wer die Jury nach welchen Kriterien beruft.

Doch es gibt noch größere Probleme. Auf green-brands.org lobt Dr. Friedrich Hinterberger, Präsident des Sustainable Europe Research Institute in Wien: "Bei der Entwicklung der Maßstäbe für grüne Marken (Green Brands) stand ein Gedanke im Vordergrund: Es geht nicht alleine um einzelne Kriterien wie Klimafreundlichkeit oder die Abwesenheit bestimmter Schadstoffe. So wichtig diese Aspekte sind: Wirklich grüne Marken müssen sich in einem umfassenderen Sinn der ökologischen Herausforderung stellen."

Diesem hohen Anspruch wird die Auszeichnung nicht gerecht. Anders als die EU-Kommission entschieden hat, sind Atomkraftwerke nicht nachhaltig, nur weil bei der Stromerzeugung kein CO2 entsteht. Ebenso wenig sind Discounter grüne Marken, auch wenn sich bei jedem vermutlich (vorbildliche) grüne Aspekte finden lassen. Das zeigt schon ein schneller Blick auf die angebotenen Produkte. Aldi Süd hat zwar vor einiger Zeit vielbeachtet angekündigt, kein Fleisch mehr aus Massentierhaltung verkaufen zu wollen. Aber erst ab 2030. Noch bis 2025 wird es Frischfleisch aus der Haltungsform 1 geben, der schlimmsten Art der Massentierhaltung. Norma hat gerade einmal 32 Bio-Produkte der Eigenmarke Bio Sonne ständig im Angebot. Zudem wird Discountern vorgeworfen, durch ihre Ramschpreise für die Geringschätzung und Verschwendung von Lebensmitteln mitverantwortlich zu sein.

Ein Gütesiegel für wirklich grüne Marken? Oder (auch) ein Mittel zur Absatzförderung, wie Maximilian Gege vom Bundesdeutschen Arbeitskreises für Umweltbewusstes Management feststellt.

Fazit: Die Auszeichnung Green Brand (grüne Marke) für Discounter wie Aldi Süd und Norma ist nichts als Greenwashing.