Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Laut Öko-Test ist es für viele Kunden aus politischen Gründen wichtig, wie die Firma aufgestellt ist, von der sie ein Ökostromprodukt erwerben. Ob etwa ein Atomkraftwerkbetreiber zum Firmenverbund des Anbieters gehört oder ob er mit Kohlestrom Geld verdient? Für Öko-Test ist das nicht mehr wichtig. "Wir haben solche Verflechtungen - im Gegensatz zu früheren Tests - nicht mehr bewertet. Wir sind bei unserer Beurteilung von den Ökostromprodukten ausgegangen und haben geprüft, ob die Produkte und Anbieter einen für uns nachvollziehbaren Beitrag zur Energiewende leisten. Das können auch Unternehmen, die aus historischen Gründen noch mit der Produktion fossiler oder nuklearer Energie verbunden sind, sich aber gerade wandeln", heißt es zur Erklärung. Tatsächlich haben etliche der Anbieter von "sehr gut" getesteten Tarifen wie die Stadtwerke Münster, Kleve und die Energieversorgung Halle auch Kohle- und Atomstrom im Angebot. Sie dürfen sich jetzt auf dem "sehr gut" ausruhen und mit dem Öko-Test Label werben.

Das darf und tut auch der Öko-Strom Pionier Lichtblick. Er hat ein "gut" bekommen - unserer Meinung nach zu Unrecht. Denn auch bei Lichtblick ist nicht nachvollziehbar, dass der Tarif die Energiewende fördert. "Die Ausbauwirkung des Stromprodukts kommt: Der Anbieter bietet PPA für Neuanlagen und Ü20-EEG-Anlagen, hat diese aber noch nicht nachvollziehbar in seinem Portfolio", schreibt Öko-Test. Das Blatt vergibt offenbar sein "gut" aufgrund einer nicht nachvollziehbaren Auskunft von Lichtblick. Dagegen wurden andere Tarife, "die richtig viel für die Energiewende tun", allein wegen unvollständiger Informationen mit "mangelhaft" bewertet. Daher ist die Aussage "Ausbauwirkung: nein" für einige dieser Tarife wohl schlicht falsch und es müsste richtig heißen: "Ausbauwirkung auf der Webseite beschrieben: nein".

Zum Beispiel beim Tarif Strom 24 PrimaKlima von Eprimo. "Ausbauwirkung: nein" schreibt Öko-Test und merkt gleichzeitig an: "Laut Zertifikat hat der Strom eine Ausbauwirkung. Transparent nachverfolgbare Belege konnten auf der Webseite nicht gefunden werden."

Auch beim Tarif Strom Zuhause+ von EWE ist die Behauptung "Ausbauwirkung: nein" falsch. Denn Öko-Test schreibt: "Das Zertifikat vom TÜV Nord besagt, dass der erzeugte Strom zum Ausbau beitrage, dies konnte aber auf der Webseite nicht nachvollzogen werden. Hier werden nur Namen norwegischer Kraftwerke ohne weitere Informationen genannt." Wobei zudem falsch ist, dass es keine weiteren Informationen zu den norwegischen Kraftwerken gibt. Denn EWE schreibt: "Für unsere Grünstromprodukte beziehen wir ausschließlich Strom aus Erneuerbaren Energien. Unsere Grünstrom-Energie stammt ausschließlich aus den Anlagen, die unten aufgeführt sind. Garantiert - und das Jahr für Jahr vom TÜV NORD bestätigt."

Mit der Begründung "Ausbauwirkung: nein" bewertet Öko-Test auch den Tarif Gröönstrom der Stadtwerke Nord mit "mangelhaft". Dabei findet sich auf der Internetseite der Stadtwerke Nord ein Zertifikat des TÜV Nord in dem es heißt: "Pro verkaufter Gigawattstunde der Ökostromlieferung werden 250 (netto) in die Förderung und/oder den Ausbau erneuerbarer Energien (ökologischer Zusatznutzen) und/oder nachhaltiger Klimaschutzmaßnahmen, Energieeffizienz- und/oder Umweltverträglichkeitsmaßnahmen investiert". Laut Geschäftsführer Thomas Gaude fließt das Geld in die Wiedervernässung von Mooren, Projekte von Klima Invest sowie in den Neubau von Windrädern.

Und es gibt noch weitere Fehler. Zum Tarif ClassicRegioNatur der Vereinigten Wertach-Elektrizitätswerke schreibt Öko-Test: "Es konnten keine Informationen zur Verwendung des Aufpreises auf der Webseite gefunden werden." Richtig ist, dass die Vereinigten Wertach-Elektrizitätswerke auf ihrer Internetseite erklären: "Für nur 1,- Euro mehr auf den Grundpreis/Monat (bei 19 % MwSt.) - also nur 12 Euro im ganzen Jahr - kommt der Strom aus zertifizierter bayerischer Wasserkraft, sauber und regional erzeugt." Zudem gibt es keinen Tarif ClassicRegioNatur. Ausweislich der Internetseite gibt es nur die Tarife NaturRegio und ClassicRegio. Auch den Tarif Yellow Strom Klima Basic von Yellow Strom gibt es nicht. Es dürfte sich um Yello Strom ohne "w" handeln. Eine Kleinigkeit nur, aber sie vervollständigt das Bild der Fehler und Ungenauigkeiten.

Sogar Tarife, die nachweislich die Energiewende fördern, bekamen wegen unvollständiger Informationen nur ein "befriedigend" oder "ausreichend". So bemängelt Öko-Test am "befriedigenden" Tarif Ökostrom von Entega: "Der Anbieter hat ein ok-power-Zertifikat und ist als Wegbereiter der Energiewende zertifiziert. Aber die Auskünfte auf der Webseite spezifizieren die Ausbauwirkung nicht weiter". Wegen ähnlicher Mängel ist der Tarif Knauber Strom Sicher 12 sogar nur "ausreichend": "Der Anbieter hat ein Renewable-plus-Zertifikat. Aber die Auskünfte auf der Webseite spezifizieren die Ausbauwirkung nicht weiter, das Zertifikat ließ sich nicht herunterladen", kritisiert Öko-Test.

Selbstverständlich haben wir bei Öko-Test nachgefragt. Eine Antwort auf unsere erste Anfrage vom 19. August haben wir bis zur Veröffentlichung dieses Berichts am 24. August nicht bekommen. Am 26. August, eine Woche nach unserer Anfrage, schrieb Öko-Test: "Wir möchten nur kurz den Eingang der Mail bestätigen. Wir werden uns so schnell wie möglich um die Anfrage kümmern". Auch eine zweite und dritte Anfrage vom 5. und 6.9. blieben unbeantwortet. Lichtblick konnte im Übrigen nur deswegen "gut" abschneiden, weil Öko-Test die Verflechtung mit Anbietern von schmutzigem Strom nicht mehr berücksichtigt. Denn die Firma gehört seit 2017 teilweise und seit Ende 2018 vollständig dem niederländischen Energieversorgungsunternehmen Eneco. Mehr als ein Viertel des Eneco-Stroms stammt aus fossilen Quellen und aus Atomkraft. Eneco selbst gehört seit Ende 2019 zu Mitsubishi und zu Chubu, Japans drittgrößtem Energieversorger. Auch die haben Kohle- und Atomstrom im Angebot.

Zufall oder System? Eine zu gute Note gab es für Lichtblick schon im letzten Öko-Strom Test im Jahr 2018. Damals bekam die Firma ein "sehr gut", obwohl sie schon zu 50 Prozent Eneco gehörte und das Testergebnis hätte "befriedigend" sein müssen. Das gab Öko-Test Chef Hans Oppermann auf Drängen von Testwatch zu, weigerte sich aber, den Fehler im Heft oder auf der Internetseite zu korrigieren.

Gut? Zu gut sind die beiden Testergebnisse, das "sehr gut" aus dem Jahr 2018 und unserer Meinung nach auch das "gut" aus dem Jahr 2021 für den Öko-Strom Pionier Lichtblick.

Zu gute Testergebnisse lassen uns immer aufhorchen, weil Öko-Test seine Geschäftsstrategie geändert hat und für das Label inzwischen viel Geld nimmt. War es bis Herbst 2018 mit Ausnahme einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von 700 Euro fünf Jahre lang kostenfrei, kostet es jetzt 5.000 Euro für zwei Jahre. Inzwischen ist der Verlag existenziell auf die Einnahmen aus der Label-Vermarktung angewiesen. Sie machen mehr als 25 Prozent der Gesamteinnahmen von 7,8 Mio. Euro im Jahr 2020. Ohne das Geld aus dem Labelverkauf hätte der Verlag, wie sich aus einem Brief an seine Aktionäre ergibt, 2020 rund zwei Millionen Euro Verlust gemacht und wäre wohl längst pleite.

Insgesamt erfüllt der Test unserer Meinung nach keines der drei Kriterien - Objektivität, Neutralität, Sachkunde - die laut Bundesgerichtshof erfüllt sein müssen, damit ein Test zulässig ist. Er ist weder sachkundig, denn die Bewertung ist nicht nachvollziehbar da anders als behauptet nicht die Ausbauwirkung der Tarife, sondern die Darstellung auf der Internetseite bewertet wurde. Er ist nicht objektiv, denn Lichtblick wird (neben den Stadtwerken Kassel, die ebenfalls mit der Feststellung "Ausbauwirkung: kommt" ein "gut" bekommen haben) bevorzugt. Und er ist nicht neutral, denn wegen der Vermarktung der Label und der wirtschaftlichen Bedeutung für Öko-Test hat der Verlag so genannte eigene wirtschaftliche Interessen.

Fazit: Der Test ist keine Hilfe bei der Suche nach tiefgrünem Öko-Strom. Unserer Meinung nach könnte er sogar gerichtlich verboten werden.