Der Mobilfunkmarkt ist umkämpft. Mit Labeln, die bis zu 60.000 Euro im Jahr kosten, werben die Anbieter um Kunden. Doch viele sind ihr Geld nicht wert.

Einleitung

"Als einziger Mobilfunkanbieter schneidet Aldi Talk in der Umfrage mit fast 3.000 Teilnehmern im Gesamturteil in Sachen Kundenzufriedenheit mit sehr gut ab und liegt damit auf dem 1. Platz", freut sich der Discounter über die Auszeichnung "Beliebtester Mobilfunkanbieter" des Deutschen Instituts für Servicequalität (Disq). Platz 1 belegt Aldi dem Handelsblatt zufolge auch "in Sachen Preis-Leistungs-Verhältnis". Und laut Bild-Zeitung ist Aldi Talk "mit 21,25 Prozent der Mobilfunkanbieter mit der höchsten Empfehlungsquote und liegt damit weit vor namhaften Wettbewerbern". Alle drei Auszeichnungen stammen aus dem Jahr 2021.

Dazu wirbt Aldi mit weiteren vier Labeln aus 2020: "Deutscher Fairnesspreis" des Disq, "Marke des Jahres" (Handelsblatt), "Marken Champions Nr. 1 der Mobilfunk-Discounter" (Zeitung Die Welt) und "Höchste Weiterempfehlung" (Focus Money).

Konkurrent Lidl hat ebenfalls vier Auszeichnungen für 2020, aber nur zwei aus dem Jahr 2021 vorzuweisen. Für die Zeitschrift Chip ist Lidl "Testsieger" eines Vergleichstests von Prepaid-Tarifen. Und dem Deutschen Institut für Verbraucherstudien (DtGV) zufolge belegt der Discounter "Platz 1 Preis/Leistung".

Nicht nur die Discounter machen mit Labeln Werbung für sich. Die Telekom hat in 2021 mehr eingeheimst als Aldi und Lidl zusammen: Unter anderen von Chip ("Bestes 5G Netz"), Connect ("Platz 1 Mobilfunknetzbetreiber") und Computer-Bild ("Testsieger - das beste Netz für 2021").

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Die meisten Label sind ihr Geld nicht wert. Wobei weder die Testveranstalter noch die Labelnutzer über das Geld reden wollen und wir nur wenige konkrete Angaben zu den Kosten haben. 2018 verlangte Connect bis zu 60.000 Euro im Jahr. Von Focus Money liegt uns ein Angebot an eine Versicherung für eine Labelnutzung von bis zu 22.500 Euro aus dem Jahr 2013 vor, vom Disq ebenfalls an eine Versicherung eines von bis zu 16.500 Euro aus dem Jahr 2012. Im Jahr 2018 schrieb uns das Disq: "Die Lizenzgebühren für unsere Siegel liegen generell im vierstelligen bis unteren fünfstelligen Bereich". Alle anderen Testveranstalter haben auf unsere Frage nach den Kosten nicht oder ausweichend geantwortet.

Unserer Meinung nach nehmen alle Label, die die nicht auf Tests, sondern auf Kundenbefragungen beruhen, die Irrführung der Verbraucher zumindest in Kauf. Besonders schwer ist für Verbraucherinnen und Verbraucher die Qualität einzuschätzen, wenn es - wie von Connect - sowohl test- wie umfragebasierte Siegel gibt.

 

Das Bild-Siegel beruht auf mehr als 900.000 online erhobenen Verbraucherurteilen zu 2.340 Unternehmen. Die Teilnehmer wurden gefragt: "Würden Sie die folgenden Unternehmen / Marken Ihren Freunden, Verwandten oder Kollegen empfehlen oder von diesen abraten?" Sieger wurde Aldi Talk mit der höchsten Empfehlungsquote. Wobei die nicht wirklich hoch ist, denn mit gerade einmal 21,35 liegt sie weit unterhalb der höchst möglichen Quote von 100 (Anmerkung: Aldi schreibt auf seiner Internetseite fälschlicher Weise 21,25). Zudem steht im Label zwar "Von Kunde zu Kunde". Aber dass wirklich nur Kunden ihre Meinung zu Aldi-Talk gesagt haben, ist nicht gesichert.

In das Label "Beliebtester Mobilfunkanbieter" des Disq flossen insgesamt 2.725 online erhobene Bewertungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern ein. Wie beim Label der Bild-Zeitung kommt Aldi-Talk auf den ersten Platz, während der Discounter mit seinem Prepaid-Angebot bei einer Umfrage von Connect mit Tchibo den zweiten Rang teilt. Noch deutlicher werden die Unterschiede zum Beispiel beim Aldi-Konkurrenten Lidl. Der liegt beim Disq auf dem zweiten Rang, bei Bild auf dem neunten und bei Connect auf dem drittletzten von nur acht bewerteten.

Während für das Label des Disq die Kriterien Produkte, Preise, Ärgernisse, Service und Weiterempfehlung abgefragt wurden, waren es für den Service-Atlas (Label rechts) die Kriterien Tarife/Produkte, Netzqualität, Preis-Leistungs-Verhältnis, Kundenservice und Kundenberatung. Und schon gibt es mit Fonic einen anderen Sieger. Beim Disq landete das Unternehmen nur auf dem neunten Rang.

Seinem Siegel liegt laut Chip "Deutschlands härtester Netztest" zugrunde. Ob das wirklich so ist, wollen wir nicht entscheiden. Doch fest steht, dass Chip tatsächlich Messungen vornimmt und die Telekom auf Rang 1 sieht - vor Vodafone (Rang 2) und O2/Telefonica (Rang 3). Anders als das Schwesterblatt Bild testet auch Computerbild und kommt zur gleichen Rangfolge wie Chip. Und auch in einem weiteren Punkt sind sich die beiden einig: Vodafone rückt näher an die Telekom heran.

Auch im Mobilfunk-Netztest von Connect ist die Rangfolge der Netzbetreiber die gleiche wie bei Chip und bei Computer-Bild. Allerdings bekommen von Connect alle drei Betreiber die Bewertung "sehr gut", während bei Chip O2/Telefonica nur ein "gut" erhält. Das macht deutlich, dass es noch kleine Unterschiede in der Qualität gibt. Tatsächlich werden die auch bei Connect erkennbar, wenn man sich den Test im Original anschaut. Mit 926 von 1.000 Punkten liegt die Telekom auf Platz 1, gefolgt von Vodafone (876 Punkte) und O2/Telefonica (852 Punkte). Einig sind sich die beiden Zeitschriften, dass es bei O2/Telefonica im Vergleich zum Vorjahr die größten Verbesserungen der Netzqualität gegeben hat. Chip macht daraus schnell noch das Label "Aufsteiger des Jahres", mit dem O2 werben darf und tatsächlich auch wirbt.

Nicht auf einem Test, sondern auf einer Umfrage beruht das Label "Kundenzufriedenheit Platz 1" für Congstar (rechts). Beim Disq dagegen ist Aldi Talk "Beliebtester Mobilfunkanbieter" mit der höchsten Kundenzufriedenheit. Congstar liegt nur auf dem zehnten Rang.

"Deutscher Champion" darf sich der Zeitung Die Welt zufolge 1&1 nennen. Die Auszeichnung beruht auf einer Zusammenfassung der sechs Studien: "Filial-Champions", "Produkt-Champions", "Preis-Champions", "Digital-Champions", "Marken-Champions" und "Service-Champions", die die Agentur Service Value in Zusammenarbeit mit Die Welt durchgeführt hat. Sie sind alle nach dem gleichen Muster aufgebaut. Für die Auszeichnung "Preis-Champions" (der Titel geht laut Die Welt ebenfalls an 1&1) beispielsweise wird gefragt: "Bitte geben Sie an, ob Unternehmen XY Sie persönlich über die Gestaltung der Preise begeistert". Wobei nicht wirklich kontrolliert werden kann, ob es sich um Kunden des Unternehmens handelt.

Unser Fazit zur Auszeichnung lautete daher schon von zwei Jahren: "Das Label Deutscher Champion ist der Versuch, fünf fragwürdige Label zu einem sechsten, noch fragwürdigeren aufzublasen und ein weiteres Mal daran zu verdienen" (Anmerkung: Damals flossen nicht sechs, sondern nur fünf Studien in die Auszeichnung ein).

Wie zufällig die Ergebnisse von Befragungen und wie wertlos sie für Verbraucher sind, zeigen die Label der Deutschen Gesellschaft für Verbraucherstudien (DtGV), des österreichischen Magazins Smartphone und des Handelsblatts. Für Smartphone ist O2 "Preis-Leistungssieger", für die DtGV ist Tchibo mobil der "Top Mobilfunkanbieter Preis/Leistung", für das Handelsblatt ist Aldi-Talk "Preis-Leistungs-Sieger".

Allerdings hat nur Smartphone einen Test durchgeführt. Das Handelsblatt macht deutlich, dass es ihm gar nicht darum geht, Verbraucher korrekt zu informieren. Denn es schreibt: "Um das wahrgenommene Preis-Leistungs-Verhältnis einer Marke ..". Und Wahrnehmung lässt sich kostengünstig per Umfrage ermitteln. Um festzustellen, wie das tatsächliche Preis-Leistungs-Verhältnis ist, müsste man aufwändige Untersuchungen in vielen Modellfällen durchführen.

Aus einer Befragung von 2.056 Kunden kreiert Focus Money nicht nur diese drei Label für Tchibo mobil, sondern noch vier weitere: "Beste Netzqualität", "Fairste Kundenberatung", "Fairste Kundenkommunikation" sowie "Fairstes Produkt- und Leistungsangebot". Ob die angeblich fairsten wirklich fair sind, weiß man trotzdem nicht. Denn das Ergebnis der Befragung ist laut Focus Money lediglich, dass die Kunden "gefühlt in den besten Händen" sind.

Fazit: Wer das beste Netz sucht, braucht kein Label, denn die Qualität der Netze der drei Betreiber Telekom, Vodafone und O2/Telefonica ist nach übereinstimmenden Tests ähnlich gut. Die meisten anderen Label sind überflüssig bis irreführend, denn sie beruhen auf Umfragen, also auf Meinungen und nicht auf Tatsachen.