Die Seite test.net hat Akkuschrauber getestet. Das Oberlandesgericht Köln hat die Veröffentlichung jetzt verboten. Das Urteil kann weitreichende Folgen haben, denn viele andere Webseiten arbeiten genauso oder ähnlich unseriös.
Einleitung
"Mit einem Testsiegel, dem ein wissenschaftliches, algorithmusbasiertes Prüfverfahren zugrunde liegt, ist test.net Vorreiter für eine neue Form von Warentests", lobt sich die Seite test.net. Der Algorithmus funktioniere wie ein "hochpräzises, fein abgestimmtes Uhrwerk" und sei ein "Fels in der Brandung". Er sei auch den Testverfahren der Stiftung Warentest und von Ökotest überlegen. Die Begründung: "Menschen interpretieren wahrgenommene Informationen. Auch Produktprüfer. Im schlimmsten Fall bedeutet das: fünf Tests, fünf Prüfer, fünf Meinungen und viele ratlose Verbraucher." Hingegen gebe es beim Algorithmus keinen "Spielraum für Interpretationen", denn er könne nicht interpretieren, sondern "nur zählen und messen". Er agiere "in etwa wie der Kunde eines Onlineshops: er vergleicht Angebote. Hat ein Angebot eine bessere Ausstattung als ein anderes, bekommt es mehr Punkte".
Zum Testsieger bei den Akkuschraubern hat der Algorithmus den Bosch PSR 14,4 LI-2 mit der Gesamtnote "sehr gut (42,3)" erklärt. Die ergebe sich "aus den Ergebnissen für Leistung: sehr gut (72,1) und Preisleistung: gut (12,5)". In die Note für die Leistung flossen keine Tests ein, sondern lediglich allgemein zugängliche Daten wie Marke (Bosch), Batterie (aufladbar) oder Arbeitsleuchte (vorhanden). Wie sich daraus die Note "sehr gut (72,1)" errechnet wird ebenso wenig erklärt wie die Berechnung der Note Preisleistung "gut (12,5)", für die "die Leistung auf den Preis bezogen" wird.
Auf die Frage "Was ist besonders an diesem Produkt", gibt der Testbericht die Antwort (wir dokumentieren sie inklusive der Rechtschreib- und Grammatikfehler): "Maximal Wert von Batterie Lieferumfang: 2 Stück, maximal Wert von Bohrduchmesser, max. in Holz: 30 mm, das einzige Produkt mit Marke Bosch".
Nichts als Blödsinn: Das Besondere am Testsieger von Bosch soll unter anderem sein, dass er das einzige Produkt von Bosch im so genannten Test ist.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Dass man solchen Blödsinn veröffentlichen darf, steht außer Frage. Selbst wenn man damit Verbraucher täuscht. Aber das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte auf Antrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) darüber zu entscheiden, ob man solche Veröffentlichungen "Test" nennen darf. Das Landgerichts Köln hatte damit keine Probleme und die Klage das vzbv abgewiesen (Az.: 31 O 137/18). In der Berufung entschied das Oberlandesgericht jedoch, dass test.net den Test Akkuschrauber und ähnliche nicht mehr auf seiner Seite veröffentlichen darf. Zudem untersagte es, "algorithmusbasierte Produktvergleiche als Tests zu bezeichnen, wenn Grundlage des Produktvergleichs nicht Tests zu jedem einzelnen der verglichenen Produkte sind" (Az.: 6 U 136/19).
Zur Begründung schreibt das OLG, dass Verbraucher sowohl durch den Domainnamen test.net wie durch die Bezeichnung "Test" für einen algorithmusbasierten Produktvergleich irregeführt würden. Denn "der angesprochene Verbraucherkreis" gehe davon aus, "dass die Produkte tatsächlich getestet" wurden und erwarte von "einem Warentest nicht nur eine statistische Auswertung der publizierten Produktinformationen und des Verbraucherechos", heißt es in der Urteilsbegründung. Der vzbv hatte darüber hinaus bemängelt, der Test sei auch wegen der Verlinkung zu Amazon unzulässig. Durch die Teilnahme am so genannten Affiliate-Programm erhalte test.net für Bestellungen eine Provision und habe somit Interesse am Verkauf der Produkte. Dadurch sei die vom Bundesgerichtshof geforderte Neutralität nicht mehr gegeben. Auf diesen Vorwurf ist das OLG in seinem Urteil zwar nicht eingegangen, hat ihm aber auch nicht widersprochen.
test.net ist kein Einzelfall, sondern nur eine von vielen Internetseiten, die genauso oder ähnlich unseriös arbeiten. 10toptest.de, expertentesten.de, gartengerätetest.de, rasenmaeher-im-test.de oder 1a-tests.de haben alle den Bestandteil "test" im Seitennamen, testen aber nicht, sondern veröffentlichen undurchsichtig zustande gekommene Vergleiche. Mehr zum Unterschied zwischen Tests und Vergleichen lesen Sie hier: Test oder Vergleich.
Testberichte? Wer auf 1A-Tests.de nach Tests zum Thema Baumarkt sucht, bekommt einen "Gartenvlies Vergleichssieger, Ergebnis: 98,5%" angezeigt und erfährt angeblich "Weitere Details & Informationen bei Amazon".
Fazit: Das Urteil des Oberlandesgerichts Köln zeigt, dass die zuständigen Überwachungsbehörden gegen Verbrauchertäuschung durch Fake-Tests vorgehen könnten. Unverständlich ist, warum sie es offensichtlich nicht tun - wie die Existenz der vielen unseriösen Seiten zeigt.