Unternehmen lassen sich gerne mit Nachhaltigkeitspreisen auszeichnen, die ihnen bescheinigen, ökologisch und sozial vorbildlich zu handeln. Doch die Wirklichkeit sieht meist anders aus.
Einleitung
"Maßnahmen für Nachhaltigkeit erhalten höchste Auszeichnung", freut sich die Telekom, nachdem sie den Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen hat. Sie befindet sich damit in illustrer Gesellschaft. Mit ihr bekam 2018 der Reisekonzern TUI den Titel, nominiert war auch der Discounter Aldi Süd, ebenso wie im Jahr 2019 Konkurrent Lidl. 2015 wurde unter anderem der Chemiekonzern BASF ausgezeichnet, 2016 der Konsumgüterriese Procter & Gamble, der Duftstoffhersteller Symrise und Evonik, ein Unternehmen der Spezialchemie (alle Preisträger haben wir im Reiter Deutscher Nachhaltigkeitspreis dokumentiert).
Der Preis ist der bekannteste und begehrteste unter den über 140 Nachhaltigkeits-Awards, die (jährlich) in Deutschland verliehen werden. Er wird seit 2008 in verschiedenen Kategorien wie "Deutschlands nachhaltigste Großunternehmen", "Deutschlands nachhaltigste Marken" oder "Deutschlands nachhaltigste Produkte" vergeben. So siegte der Heizungshersteller Vaillant über die Jahre in drei Kategorien: 2011 wurde das Unternehmen für das nachhaltigste Produkt ausgezeichnet, 2013 befand es sich unter den Top-3-Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeitsstrategie, 2015 durfte sich Vaillant das nachhaltigste Großunternehmen Deutschlands nennen.
Nicht zuletzt gibt es Ehrenpreise. Die ersten Preisträger im Jahr 2008 waren Prinz Charles, die Sängerin Annie Lennox und der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer. 2009 wurde unter anderem der Deutsche Fußballbund ausgezeichnet, 2010 Jamie Oliver, 2011 Peter Maffay und 2012 Claudia Cardinale. Die Preisträger haben sich nicht durch besonders nachhaltige Aktivitäten hervorgetan, sondern sollen für den Preis werben.
Während die Bundesregierung beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis lediglich Partner der vergebenden Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis ist, verantwortet sie den CSR-Preis der Bundesregierung, wie der Name schon sagt, selbst. "Mit dem CSR-Preis sollen herausragende Beispiele gesellschaftlicher Verantwortung honoriert werden und zur Nachahmung motivieren: Ausgezeichnet werden Unternehmen, die vorbildlich faire Geschäftspraktiken und eine mitarbeiterorientierte Personalpolitik umsetzen, natürliche Ressourcen sparsam nutzen, Klima und Umwelt schützen, sich vor Ort engagieren und Verantwortung auch in der Lieferkette übernehmen", heißt es auf der Internetseite. 2020 wurde der Preis vergeben an Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten (Gewinner: Neumarkter Lammsbräu), mit 250 bis 999 Beschäftigten (Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte Wohnstadt) und mit 1.000 und mehr Beschäftigten (BASF). Außerdem gab es die Sonderpreise CSR und Digitalisierung (HEAG) sowie Verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement (Gepa) (alle Preisträger, auch die der vergangenen Jahre, finden Sie im Reiter CSR-Preis der Bundesregierung).
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Schon Bezeichnungen wie "Deutschlands nachhaltigste Großunternehmen" sind schlicht Irreführung. Denn für die Auszeichnung mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis werden keineswegs alle Unternehmen geprüft. Wer den Preis haben will, muss sich bewerben. Wie viele der knapp 3.000 Großunternehmen in Deutschland mit mehr als 1.000 Mitarbeitern das für 2020 gemacht haben, konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Aber insgesamt waren es für alle zwölf Preiskategorien gerade einmal gut 800.
Grundlage für die Auszeichnung ist ein Fragebogen, den die Unternehmen ausfüllen müssen. Was bzw. mit was sie darin angeben, erfährt man nicht. Gelangen sie in die Endrunde, werden sie "eingeladen, die ausführlicheren Juryunterlagen einzureichen". Am Ende entscheidet "eine unabhängige Jury", wer ausgezeichnet wird. Wer dieser Jury angehört, erfährt man, wie so vieles andere, nicht. Es seien "knapp 100 herausragende Juror/innen", heißt es in einer Pressemitteilung. Auf der Internetseite werden aber nur 16 von ihnen vorgestellt.
Auch bleibt unklar, wie die Jury entscheidet. "Auf Basis der Juryunterlagen, persönlicher Expertise der Juror/innen sowie von Erkenntnissen der durch sie repräsentierten Stakeholdergruppen", heißt es vage. Dabei wäre es durchaus interessant zu wissen, warum es offenbar keine Ausschlusskriterien gibt, die verhindern, dass die Wegwerfwindel Pampers von Procter & Gamble 2012 zu einem der drei nachhaltigsten Produkte in Deutschland gekürt wurde. Oder wie es die Discounter Aldi (2018) und Lidl (2019) in die Endrunde schaffen konnten, obwohl deren nachhaltigste Anstrengung das Drücken der Preise ihrer Lieferanten ist.
Beim CSR-Preis der Bundesregierung läuft einiges besser. Auch für den müssen sich die Unternehmen bewerben. Für 2020 haben das gerade einmal 163 getan. Grundlage für die Auszeichnung ist eine "Management-Befragung", die unserer Einschätzung nach standardisierter und mit weniger Bauchgefühl als beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgewertet wird. Abgeglichen werden die Ergebnisse zudem mit denen einer Stakeholder-Befragung, also von externen Experten und Kritikern. Veröffentlicht wird, wer zur Jury gehört, die über die Preisvergabe entscheidet. Aber es bleibt unklar, ob der Entscheidungsprozess nach standardisierten und nachvollziehbaren Kriterien abläuft.
Vor allem aber ist die Frage, wie BASF 2020 den Preis bekommen konnte. Laut Jury "besticht der Chemiekonzern durch sein langjähriges CSR-Engagement und eine ganzheitliche CSR-Strategie, die in alle Unternehmensbereiche hineinwirkt und an internationalen Standards ausgerichtet ist". Die Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises hatte BASF nach 2008 im Jahr 2015 zum zweiten Mal zu den Top 3 in der Kategorie "Deutschlands nachhaltigste Großunternehmen" ausgerufen und würdigte "die weltweite Vorreiterrolle von BASF für die Branche, das gesamte Produktportfolio und Kerngeschäft nach Nachhaltigkeitskriterien auszurichten" (alle drei Begründungen haben wir Ihnen in den entsprechenden Reitern vollständig dokumentiert). Im selben Jahr 2015 belegte BASF dem Political Economy Research Institute (Peri) der Universität von Massachusetts Amherst zufolge Platz fünf der größten Luftverschmutzer und Platz 13 der größten Wasserverschmutzer - weltweit.
Das ist nicht der einzige Makel. Der Konzern hat im Zuge der Fusion von Bayer und Monsanto nicht nur einen Teil des europäischen Glyphosat-Geschäfts von Bayer übernommen, sondern gehört zu den vier größten Pestizidherstellern weltweit und vergiftet mit seinen Pestiziden die Umwelt - nachhaltig. So beklagte der brasilianische Aktivist Alan Tygel, Mitglied der permanenten Kampagne gegen Agrargifte und für das Leben, auf der BASF-Hauptversammlung am 3. Mai 2019: "Laut dem brasilianischen Register für Agrargifte des Landwirtschaftsministeriums ist BASF aktuell mit 113 Pestiziden für den Vertrieb registriert. Darunter finden sich 45 Produkte, in denen 11 aktive Wirkstoffe sind, die in der EU verboten sind. Merkwürdigerweise finden sich auf der Internetseite der BASF Brasilien noch zwei weitere Wirkstoffe, die Sie in Brasilien vertreiben, die aber in der EU verboten sind. Insgesamt kommen wir da also auf 13 Wirkstoffe, die in der EU verboten sind, aber von Ihnen in Brasilien verkauft werden."
Ähnlich kritisches findet man auch zu anderen, mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis oder dem CSR-Preis der Bundesregierung ausgezeichneten Unternehmen. Die Sache wird nicht dadurch besser, dass es durchaus Unternehmen gibt, die verdientermaßen geehrt wurden: die GLS-Bank beispielsweise, Demeter, Gepa, Rapunzel, Alnatura, Neumarkter Lammsbräu und Lebensbaum. Im Gegenteil: Ihre Seriosität strahlt auch noch auf die vielen problematischen Unternehmen ab.
Ausgezeichnet? Viele Preisträger handeln keineswegs nachhaltig.
Fazit: Der Deutsche Nachhaltigkeitspreis, der CSR-Preis der Bundesregierung und viele andere Nachhaltigkeits-Preise haben mit der Wirklichkeit in vielen Unternehmen nichts zu tun. Zum Glück lassen sich Verbraucher durch solche Auszeichnungen nicht täuschen, sondern kaufen Produkte und Dienstleistungen auf Grund von Qualität, Preisen und Service.
Deutscher Nachhaltigkeitspreis
Deutscher Nachhaltigkeitspreis
Neben den hier aufgeführten Preisen für Unternehmen gibt es den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in weiteren, nicht immer gleichbleibenden Kategorien. 2019 waren das: Globale Partnerschaften (Gewinner: Bremen, Durban, GLS Bank, Bio Foods, Sri Lanka); Architektur (Alnatura Campus); Forschung (Projekt Elevate - Sozialhelden e. V.); Deutschlands nachhaltigste Großstadt (Osnabrück); Deutschlands nachhaltigste Stadt mittlerer Größe (Aschaffenburg); Deutschlands nachhaltigste Kleinstadt und Gemeinde (Bad Berleburg); Startup-Preis Next Economy Award: (right. based on science UG, ReHub GmbH, ECOFARIO GmbH); Sonderpreis Digitalisierung (SWT - Anstalt des öffentlichen Rechts der Stadt Trier, Leipzig mobil 2.0 der Leipziger Verkehrsbetriebe, BUGA Holzpavillon, Waiblingen, Retraced GmbH).