Die Frankfurter Allgemeine Zeitung und das Magazin Focus haben die besten Krankenhäuser gekürt. Mit unterschiedlichen Ergebnissen. Welchem der beiden Tests kann man vertrauen?
Einleitung
Gut 1.900 Krankenhäuser gibt es in Deutschland. 100 davon dürfen sich der Zeitschrift Focus zufolge "Top nationales Krankenhaus 2020" nennen. Weitere 488 bekamen den Titel "Top regionales Krankenhaus 2020". Ausgezeichnet wurden auch einzelne Abteilungen (Kliniken) dieser Krankenhäuser. "Die Klinikliste 2020 nennt mehr als 1.360 Top-Kliniken für Herz, Haut, Krebs, Magen, Gelenke, Nerven, Diabetes, Geburten, Kinder, Psyche & Alter" und weitere knapp 20 Fachbereiche, schreibt Focus. In die Liste aufgenommen werden konnten nur Kliniken, die entweder "durchschnittliche oder überdurchschnittliche" Behandlungszahlen aufwiesen oder in denen "bereits in früheren Recherchen empfohlene Ärzte" arbeiten. Weitere Kandidaten für die Focus-Liste waren Kliniken, "die in den laufenden Recherchen von Experten oder Einweisern besonders empfohlen wurden" oder die "zertifizierte Zentren (z.B. Brust-, Lungen-, Darm-, Haut oder Prostatakrebs)" sind.
Die Klinikliste der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist noch etwas länger. Den Titel "Deutschlands beste Krankenhäuser" dürfen 550 Häuser führen und 1.566 Abteilungen. Basis für die Auszeichnung ist einerseits eine "emotionale Bewertung", für die Daten aus Bewertungsportalen gesammelt wurden, und andererseits eine "sachliche Bewertung". Dafür wurden die öffentlich zugänglichen Qualitätsberichte der Krankenhäuser ausgewertet. In die sachliche Bewertung flossen die "medizinische und pflegerische Versorgung" mit je 35 Prozent ein, die "Kontrolle" mit 20 und "Services" mit zehn Prozent. In beiden Bereichen gab es bestenfalls 100 Punkte. Wie die berechnet wurden, wird allerdings nicht erklärt. Für das Gesamtergebnis wurde schließlich der Mittelwert aus sachlicher und emotionaler Bewertung gebildet.
Wirklich Top und Deutschlands beste? Die Kliniklisten der FAZ und des Focus werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Focus und die FAZ kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Viele Kliniken, die Focus für "Top" hält, finden sich nicht in der FAZ-Liste der besten Krankenhäuser Deutschlands (die Unterschiede haben wir im Reiter "Top 100" dokumentiert). Doch das ist das kleinste Problem. Entscheidender ist: Für die FAZ spielen weder der Behandlungserfolg noch die Komplikationsrate eine Rolle, obwohl beides für Patienten von entscheidender Bedeutung sein dürfte. Auch die Fallzahlen gehen nicht in die Beurteilung ein. Doch je höher diese sind, desto erfolgreicher ist in der Regel die Behandlung. Denn eine Klinik, an der beispielsweise nur zweimal im Monat ein Brustkrebs operiert wird, hat wesentlich weniger Erfahrung und Routine als die Uniklinik in Dresden, wo von 19 Fachärzten über 6.500 solcher Operationen im Jahr durchgeführt werden.
Zu schlechter Letzt treibt die Zeitung die Zahl der ausgezeichneten Kliniken durch einen Trick in die Höhe. Zum einen werden acht verschiedene Klassen gebildet, also Kliniken mit unter 50 Betten, mit 50 bis 150 Betten und so weiter. In jeder Klasse erhält dann die Klinik mit der höchsten Punktzahl, auch wenn sie tatsächlich viel weniger Punkte erhalten hat, "den Wert 100 und alle anderen Werte werden anteilig darauf umgerechnet. Eine Auszeichnung erhalten Häuser, die mindestens 75 Punkte erreicht haben", schreibt die Zeitung. So können auch Kliniken ausgezeichnet werden, die tatsächlich vielleicht nur 40 oder 50 Punkte erreicht haben. Auf diese Weise wird den Lesern geschickt verschwiegen, mit wie vielen oder mit wie wenigen Punkten Krankenhäuser in die Top-Liste der FAZ kommen können.
Auch an der Focus-Liste gibt es einiges zu kritisieren. "Welche Faktoren fließen in die Bewertung einer Klinik ein?", fragt Focus und antwortet: "Analysiert werden Fallzahlen, Behandlungserfolg bei OPs, Komplikationsquoten (...), Anzahl betreuender Ärzte". Doch zum Behandlungserfolg und den Komplikationsquoten gibt es in der vom Focus verwendeten Datenbasis keine direkten Angaben. Sie wurden nach Auskunft von Marc Langner von der Firma Munich Inquire Media, die den Test für Focus durchgeführt hat, aus unterschiedlichen Quellen zusammengetragen und errechnet. Diese Erklärung, die nichts erklärt, reichte uns nicht. "Können Sie für eine Klinik konkret sagen/ausrechnen, wie hoch der Behandlungserfolg ist und wie hoch die Komplikationsrate?", haben wir Langner daher gefragt. Eine Antwort haben wir nicht bekommen (Stand 6.9.2020).
Update 22.9.2020: Inzwischen haben wir von Marc Langner einige Erklärungen erhalten. Konkrete Zahlen zu Behandlungserfolgen und Komplikationsraten gibt es in Deutschland nicht, so Langner. Die wären nur durch Patient-reported outcome measures (Proms) zu bekommen. Das ist eine für die Krankenhäuser teure und daher kaum durchgeführte Langzeitverfolgung des Gesundheitszustandes der Patienten. Das MINQ setzt daher auf Indikatoren wie die German Inpatient Quality Indicators (G-IQI). Das Problem dieser standardisierten "Qualitätsindikatoren für Krankenhauspatienten": Eine Klinik mit schlechteren G-IQIs ist nicht unbedingt schlechter als eine mit besseren. Das Ergebnis kann nämlich dadurch verzerrt werden, dass beispielsweise in Unikliniken die besonders schweren Fälle behandelt werden, bei den Komplikationen häufiger sind.
Auch der Fragebogen mit Hunderten von Fragen, den die Kliniken beantworten müssen und der in die Bewertung eingeht, kann Probleme bereiten. Das MINQ versucht zwar, falsche Antworten, die eine Klinik in einem zu positiven Licht erscheinen lassen, durch Plausibilitätsprüfen herauszufiltern. "Aber es wird immer einen Teil geben, den man den Krankenhäusern einfach glauben muss", so Langner.
Selbst die Fallzahlen sind kein sicherer Indikator. So ist bekannt, dass es viele überflüssige Operationen zum Beispiel am Rücken gibt - weil die Krankenhäuser daran verdienen oder durch entsprechende Vereinbarungen auch die Ärzte. Da landet man dann zwar unter einem erfahrenen, kompetenten Messer - hätte aber möglicherweise gar nicht operiert werden müssen.
Trotzdem ist unverständlich, warum schon durchschnittliche Fallzahlen für die Aufnahme in die Liste reichen. Denn klar ist: In der Regel dürfte nur bei überdurchschnittlich vielen Behandlungen auch überdurchschnittliche "Top"-Erfahrung vorhanden sein. Zudem kennt der Focus die Fallzahlen von etlichen Kliniken nicht und weist in einigen Fällen sogar explizit "0" Behandlungen aus.
Allerdings braucht es ohnehin nicht viel, um für Focus ein Top-Krankenhaus zu sein. Auf Platz 63 der nationalen "Top-100-Kliniken" steht beispielsweise die Universitätsmedizin Greifswald. Sie gehört in keinem der Fachbereiche zur "Spitzengruppe" und wird für gerade einmal sieben der 29 Fachbereiche empfohlen. Darunter für den Bereich "Zwang". Es ist nicht wichtig, dass vermutlich kaum ein Leser weiß, dass damit die Behandlung von Zwangsstörungen gemeint ist. Denn die Liste wird, ebenso wie die der FAZ, unserer Meinung nach ohnehin nicht zur Information von Patienten publiziert, sondern um möglichst vielen Krankenhäusern ein Label verkaufen zu können. Ganz unverblümt schreibt die FAZ dazu: "Alle ausgezeichneten Krankenhäuser haben die Möglichkeit, das Zertifikat in ihrer Außendarstellung zu nutzen und so interessierte Patienten auf sich aufmerksam zu machen." Eine Antwort auf unsere Frage nach dem Preis für das Label bekamen wir nicht. Vom Focus haben wir schon in der Vergangenheit keine Antwort auf die Frage nach den Preisen bekommen und daher gar nicht mehr danach gefragt.
Fazit: Die Liste der FAZ taugt nicht, die des Focus allenfalls bedingt für die Suche nach dem besten Krankenhaus. Eine Alternative und zumindest transparenter ist die von der Patientenbeauftragten der Bundesregierung unterstützte Weisse Liste. Allerdings finden sich auch dort keine Angaben zu Behandlungserfolgen und Komplikationsraten.