Viele Hundert Unternehmen hat die Bild-Zeitung zu "Deutschlands Kundenkönigen" gekrönt. Testwatch erklärt, warum das dem Blatt und den Firmen, aber nicht den Verbrauchern nützt.

Einleitung

Sony, WhatsApp, BMW-Bank, Hagenbecks Tierpark und 238 weitere Unternehmen "sind Deutschlands Kundenkönige", schreibt die Bild-Zeitung auf ihrer Internetseite. Ermittelt wurden sie in einer Befragung von Kunden durch die Service Value GmbH zu insgesamt 3.169 Unternehmen aus 242 Branchen. Die Befragten sollten sagen, ob die"„Anbieter einen hohen Kundennutzen bieten". Dabei sollten sie sich darauf beziehen "wie gut oder wie schlecht die jeweiligen Produkte und/oder Dienstleistungen des Anbieters Ihre Nutzenerwartung erfüllen würden bzw. auf den wahrgenommenen Nutzen bzw. Vorteil nach Erwerb des Produktes und/oder der Dienstleistung" (wenn Sie diesen Satz nicht ganz verstehen: uns geht es genauso).

Die Antwortskala sah folgende Möglichkeiten vor: 1) stimme voll und ganz zu; 2) stimme zu; 3) stimme eher nicht zu; 4) stimme nicht zu; 5) kann ich nicht beurteilen.

Auf der Grundlage von über 900.000 Verbraucherurteilen, so Service Value, erhielten Unternehmen die Auszeichnung "hoher Kundennutzen", wenn ihre Note besser war als im Durchschnitt der Branche. Aus den überdurchschnittlichen Noten wurde dann erneut eine Durchschnittsnote berechnet. Unternehmen, die auch hier überdurchschnittlich abschnitten, bekamen die Auszeichnung "sehr hoher Kundennutzen". Das Prädikat "höchster Kundennutzen" erhielten schließlich die 242 Unternehmen, die in ihrer Branche die beste Beurteilung erreichten.

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Alles beginnt schon mit einer Ungereimtheit. Laut Service Value hatten die Befragten fünf Antwortmöglichkeiten, laut Bild-Zeitung waren es sechs. Was richtig ist, wäre jedoch nur wichtig, wenn mit "Deutschlands Kundenkönigen" Verbraucher wirklich informiert werden sollen.

Fünf oder sechs? Laut Service Value (oben) hatten die Befragten fünf Antwortmöglichkeiten, laut Bild-Zeitung (unten) waren es sechs.

Auffällig sind auch die Ergebnisse, zum Beispiel für Autohändler. Mit der Note 2,64 ist Dinnebier unterdurchschnittlich und bekommt keine Auszeichnung. In der von Auto-Bild, dem Schwesterblatt der Bild-Zeitung verfassten Bestenliste der "1.000 Top-Händler Deutschlands" kommt Dinnebier dagegen auf eine Durchschnittsnote von 2,3 und wäre damit bei "Deutschlands Kundenkönigen" Branchenbester mit der Auszeichnung "höchster Kundennutzen".

Doch unserer Meinung nach geht es gar nicht um die seriöse Information von Verbrauchern, sondern um die Vergabe möglichst vieler Auszeichnungen, für die man Label verkaufen kann. Schon das Bewertungsverfahren sorgt dafür, dass es in fast jeder Branche mindestens drei Auszeichnungen gibt. Selbst wenn, wie bei den Batterieherstellern, nur vier Unternehmen bewertet wurden.

Drei von vieren: Das Bewertungsverfahren sorgt dafür, dass es viele Auszeichnungen und damit zu verkaufende Label gibt.

Tatsächlich haben 1.797 Unternehmen eine Auszeichnung erhalten. "Nutzen Sie Ihr BILD Arbeitgeber-Siegel", fordert das Blatt auf bild.de Ausgezeichneten auf. Wie viel die Label kosten, haben wir übrigens nicht erneut gefragt. Denn wir haben in der Vergangenheit weder vom Springer-Verlag, in dem die Bild-Zeitung erscheint, noch von Service Value eine Auskunft bekommen.

Deutschlands Kundenkönige? Werbung mit Labeln sorgt für Umsatz – bei den Werbenden wie bei den Label-Verkäufern.

Der Springer-Verlag und Service Value haben übrigens nicht nur Deutschlands Kundenkönige gekrönt, sondern eine Vielzahl von Labeln kreiert - fast immer mit der Methode Umfrage und nicht mit richtigen Tests (mehr dazu im Reiter "Die Label").

Fazit: Umfragen, die zu Auszeichnungen wie "Deutschlands Kundenkönig" führen, nützen vor allem den Unternehmen sowie den Label-Verkäufern und nicht den Verbrauchern.

Label

Die Label

  

Die Zeitung Die Welt gehört wie die Bild-Zeitung zum Springer Konzern. Für sie gibt es offenbar kein Thema, das sich nicht zu Labeln und damit zu Geld machen lässt. Dem Label "Deutscher Champion" liegt keine Umfrage zugrunde, sondern eine "Meta-Analyse" von fünf Studien, die Service Value in Zusammenarbeit mit Die Welt durchgeführt hat: Produkt-Champions, Preis-Champions, Digital-Champions, Marken-Champions und Service-Champions. Das Label "Deutscher Champion" ist damit der Versuch, fünf fragwürdige Label zu einem sechsten, noch fragwürdigeren aufzublasen und ein weiteres Mal daran zu verdienen. Das hatten wir schon im Juni vergangenen Jahres geschrieben. Manchmal werden aus einer Umfrage offenbar auch zwei Label. Die Auszeichnung "Deutschlands beste Arbeitgeber" hat sowohl die Bild-Zeitung als auch Die Welt im Angebot. Möglicherweise wollte der Verlag testen, welches von den beiden Labeln sich besser und teurer verkaufen lässt.