Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Dem Test liegt ein - auf den ersten Blick - umfangreiches Prüfprogramm zugrunde. Bierspezifische Parameter wie Stammwürze und Bittereinheiten wurden ebenso getestet wie die Keimbelastung und Schadstoffe wie Glyphosat oder der hormonell wirksame Kunststoffbestandteil Bisphenol A, der in der Innenbeschichtung von Bierdosen enthalten sein kann. Auch den Geschmack hat ÖKO-TEST untersuchen lassen, aber nicht bewertet.

Trotzdem ist die Frage, wie aussagekräftig die mit einem solchen Testprogramm ermittelten Ergebnisse sind. Denn es fällt auf, dass Massen- und Billigbiere ebenso mit "sehr gut" abschneiden wie das Rothaus Pils Tannenzäpfle. Dieses Bier trägt das Siegel des Vereins Slow Brewing. "Neben der Verwendung reinster, natürlicher Rohstoffe ist es die langsame, schonende Brauweise des Slow Brewing, die sich ganz wesentlich auf den besonders runden und ausgereiften Geschmack von Slow Brewing Bieren auswirkt" schreibt der Verein auf seiner Internetseite. Verboten sind daher industrielle Brauverfahren wie Warm-, Rühr- oder Kontigärung, mit denen die Reifezeit von über 30 Tagen bei handwerklich gebrauten Bieren auf 36 bis 48 Stunden verkürzt werden kann. Oder das High Gravity Brewing, bei dem das Bier nach der Reifung verdünnt wird. "High Gravity Brewing (Brauen mit hoher Stammwürze) kann die Kapazität einer Brauerei beträchtlich verbessern, ohne zusätzliche Investitionen in das Sudhaus, den Tank oder die Filterkapazität", erklärt die Firma Pentair den Sinn der von ihr angebotenen Technik. Den Geschmack des Bieres verbessert die Verdünnung allerdings nicht.

Das Verbot solcher Verfahren hat nicht nur geschmackliche und nostalgische Gründe. Bei der Warmgärung entstehen beispielsweise vermehrt so genannte Fuselalkohole, die "im Körper des Menschen zu Giftstoffen abgebaut werden, die zu einer Belastung der Organe, insbesondere Herz, Leber, Nieren und Nervensystem, führen. Fuselalkohole spielen deshalb für die Verträglichkeit von alkoholischen Getränken eine entscheidende Rolle", erklärt Wikipedia.

Auf unsere Nachfrage, warum ÖKO-TEST solche Kriterien nicht berücksichtigt hat, bekamen wir eine Antwort von Hans Oppermann, Geschäftsführer bzw. Vorstand von ÖKO-TEST und gleichzeitig Chefredakteur. Er schreibt: "Prinzipiell stimmt es, dass bei den genannten Verfahren Fuselalkohole entstehen. Bei Pils ist das aber nicht erwünscht, da diese höheren Alkohole den Geschmack beeinflussen können. Die großen Brauereien, die Druckgärung machen, halten die Gehalte deshalb niedrig, sie verfügen über entsprechende Techniken. Kleinere hätten so unter Umständen das Nachsehen".

Abgesehen von der Frage, warum ÖKO-TEST plötzlich meint, nicht die Verbraucher sondern kleinere Brauereien schützen zu müssen, ist die Aussage schlicht falsch. Denn Fuselalkohole entstehen vermehrt bei der industriellen Warmgärung, während kleinere Brauereien traditionell mit niedrigen Temperaturen arbeiten.

Noch bemerkenswerter ist, was Oppermann zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Fuselalkohole schreibt: "Es gibt keine Grenzwerte und man müsste Bier schon in sehr großen Mengen trinken, um im bedenklichen Bereich zu landen. Sehr empfindliche Menschen können natürlich auch schon auf geringere Gehalte mit Kopfschmerzen reagieren. Mal abgesehen davon ist massenhaft Bier am Tag vor allem wegen des Alkohols schädlich. Alles in allem also in Pils ein untergeordnetes Problem", heißt es in seiner Mail.

Mit genau diesen Argumenten beschweren sich die Hersteller seit Jahr und Tag über ÖKO-TEST (ebenso wie über die Stiftung Warentest), wenn aus Gründen des vorbeugenden, gesundheitlichen Verbraucherschutzes strenge, über die gesetzlichen Grenzwerte hinausgehende Maßstäbe angelegt werden. Und die Flensburger Brauerei, deren Pils wegen äußerst geringer Mengen von Glyphosat abgewertet wurde, moniert dann zu Recht Willkür bei der Bewertung von Schadstoffen: "Die Bewertung 'Gut' erhielt das Produkt vor allem aufgrund einer von Öko-Test eigens kreierten Berechnungsmethode zu Glyphosatgrenzwerten. Unsere Recherche hat ergeben, dass diese Grenzwerte in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den Verzehrempfehlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stehen (..) Über allen Bemühungen, Rückstände gänzlich zu beseitigen steht die Tatsache, dass Grenzwerte zum Schutz der Verbraucher festgelegt wurden. Um diesen Grenzwert zu erreichen, müssten am Tag ca. 16.000 Liter Flensburger Pilsener (je nach Körpergewicht) verzehrt werden".

Tatsächlich handelt es sich laut ÖKO-TEST "um äußerst geringe Rückstände", man könne das Bier "deshalb grundsätzlich trinken". Trotzdem darf ÖKO-TEST ohne Frage solche Rückstände kritisch bewerten. Doch wenn gleichzeitig viele Billig- und Massenbiere aufgrund des eingeschränkten Testprogramms mit "sehr gut" bewertet werden und damit laut ÖKO-TEST die besseren Biere sind, ist der Test wenig aussagekräftig.

Fazit: Die vielen guten Testergebnisse dürften die Hersteller freuen und vielleicht beim Verkauf des ÖKO-TEST-Labels helfen. Aber Biertrinkern hilft der Test wenig bei der Suche nach einem wirklich guten Bier.