400 Zahnpasten hat ÖKO-TEST untersucht und die Ergebnisse kostenlos auf seiner Internetseite veröffentlicht. Doch was als Service für Verbraucher erscheint, ist lediglich eine Verkaufshilfe für das ÖKO-TEST Label.

Einleitung

"Jetzt gratis unser Testurteil zu allen 400 getesteten Produkten abrufen", fordert ÖKO-TEST die User seiner Internetseite auf. 400 Zahnpasten zu testen und die dann kostenlos zu veröffentlichen: Wie rentiert sich das für einen Verlag, der im Januar knapp an der Insolvenz entlang geschrappt ist? Antwort: Man muss die Testkosten begrenzen und sich andere Einnahmequellen als den kostenpflichtigen Abruf der Testergebnisse suchen.

Zur Begrenzung der Kosten wurden die Produkte in weiten Teilen nicht im Labor untersucht, sondern aufgrund der deklarierten Inhaltsstoffe bewertet. Aufmerksame Leser wissen das. Es ergibt sich aus den Untersuchungsmethoden, die ÖKO-TEST aus Gründen der Rechtssicherheit veröffentlicht. Ist für einen Parameter keine Testmethode angegeben, wurde auf die Deklaration vertraut. Im Test Zahnpasten betrifft das unter anderem das aggressive Tensid Natriumlaurylsulfat, synthetische Polymere (Mikroplastik) und sogenannte PEG/PEG-Derivate, die die Schleimhäute durchlässiger für Fremdstoffe machen können. Andere Stoffe wie hormonell wirksame Konservierungsmittel (Parabene) wurden nur in wenigen oder wie das verbotene Lösemittel Ethoxydiglycol in offenbar genau einer Verdachtsprobe untersucht.

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Die Bewertung eines Kosmetikprodukts teilweise aufgrund der deklarierten Inhaltsstoffe ist nicht neu und auch andere machen das. Problematisch ist jedoch: Aufgrund einer Nachfrage von Testwatch bei ÖKO-TEST wurden die Testmethoden schnell um den Hinweis ergänzt: "Per Deklaration: Natriumlaurylsulfat, PEG/PEG-Derivate, synthetische Polymere, Triclosan". Dadurch wurde das Ganze aber zum Betrug (auch wenn Juristen das vielleicht anders bezeichnen würden). Denn damit wurde der Eindruck erweckt, das seien die einzigen Parameter, die per Deklaration ermittelt wurden. Doch es waren noch einige mehr. Nach einer erneuten Nachfrage mit dem Hinweis des Betrugs folgte dann die Rolle rückwärts: Die Ergänzung wurde wieder gestrichen. Offenbar wollte man nicht offenlegen, wie viel wirklich per Deklaration ermittelt wurde. Keine Testmethoden gibt es auch für den Gehalt an Fluorid, für Aromen, etherische Öle, Süßstoffe und weitere Parameter.

Rolle rückwärts: Die nach einer Nachfrage von Testwatch veröffentlichte ergänzte Version der Testmethoden. Nach unserem Hinweis, dass die Ergänzung rechtlich problematisch ist, weil viel mehr Stoffe per Deklaration bewertet wurden, folgte die Rolle rückwärts: Die Ergänzung wurde einfach wieder gestrichen.

Trotzdem kostet ein solcher Test noch jede Menge Geld, das ÖKO-TEST durch die Vermarktung des ÖKO-TEST Labels wieder einspielen will. Aber das kann nicht nur juristisch Ärger machen. Denn dafür braucht man möglichst viele "sehr gute" oder "gute" Produkte, ein "mangelhaft" oder "ungenügend" labelt nämlich kein Hersteller.

Für das intern als "Testfactory" bezeichnete Projekt wurde zunächst im vergangenen Herbst der Preis für das Label erhöht. War es bis dahin mit Ausnahme einer einmaligen Bearbeitungsgebühr von 669,63 kostenlos und für fünf Jahre gültig, ist es seither fast 20 mal so teuer und kostet 5.000 Euro für zwei Jahre. Das heißt: Die möglichen Einnahmen bei immerhin 116 "sehr guten" und 27 "guten" Zahnpasten im Test betragen bis zu 715.000 Euro.

Zur Begründung für die Preiserhöhung schreibt ÖKO-TEST: "Das Lizenzmodell (Anmerkung: das heißt die Nutzung des Labels für 5.000 Euro) soll sicherstellen, dass Verbrauchern unter dem ÖKO-TEST Label tatsächlich nur richtige und aktuelle Testergebnisse mitgeteilt werden, denn nur so kann das ÖKO-TEST Label eine verlässliche Orientierungs- und Einkaufshilfe darstellen". Warum dafür eine Lizenz 5.000 Euro pro Produkt kosten muss, bleibt allerdings unklar. Denn den Missbrauch hat ÖKO-TEST schon verfolgt, als nur eine einmalige Bearbeitungsgebühr von knapp 700 Euro fällig wurde.

Und die Missbraucher hat der Verlag konsequent verklagt und eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erwirkt, eine weitere Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht noch aus.

Zudem hatte ÖKO-TEST auf der eigens eingerichteten Internetseite labelmissbrauch.de in der Vergangenheit jeden Missbrauch des Labels veröffentlicht - sehr zum Missfallen der an den Pranger gestellten Missbraucher. Doch inzwischen wird die Seite von einem Schuhversand betrieben.

Labelmissbrauch: Auf einer eigens eingerichteten Internetseite hat ÖKO-TEST in der Vergangenheit über den Missbrauch seines Labels berichtet und jeden einzelnen Missbraucher an den Pranger gestellt. Inzwischen wird die Seite von einem dubiosen Schuhversand ohne Impressum betrieben.

Fazit: Wer das Label für viel Geld vermarktet, riskiert seine Glaubwürdigkeit, macht sich juristisch angreifbar und stellt sich in eine Reihe mit den vielen unseriösen Anbieter von Pseudo-Tests und -vergleichen. Selbst wenn die eigenen Testergebnisse korrekt zustande gekommen sind.

Hintergrund

Tests müssen objektiv, neutral und sachkundig sein, ansonsten können sie verboten werden. Ist ein Test nicht neutral, kann er auf Antrag eines Herstellers verboten werden, ohne dass sich die Gerichte mit der Frage beschäftigen müssen, ob die Testergebnisse richtig oder falsch sind. Zudem gilt für die Frage der Neutralität die Beweislastumkehr. Das heißt, ein Testveranstalter wie ÖKO-TEST muss beweisen, dass er neutral ist.

So genannte eigene wirtschaftliche Interessen des Testveranstalters begründen Zweifel an seiner Neutralität. Schon vor vielen Jahren hat ein Gericht einen Test wegen fehlender Neutralität verboten, weil der Testanbieter einem später gut bewerteten Hersteller schon vor der Veröffentlichung des Tests eine große Zahl von Heften verkauft hatte. Höchstrichterlich, also durch den Bundesgerichtshof, ist bislang noch nicht entschieden, ob die Vermarktung des Labels für viel Geld Zweifel an der Neutralität eines Testveranstalters begründen. Bekannt ist aber, dass Gerichte wie das Kammergericht (Oberlandesgericht) in Berlin die Vermarktung sehr kritisch sehen, weil ein Testveranstalter dadurch ein großes Interesse an vielen guten Testergebnissen hat. Denn Hersteller kaufen ein Label nur für "sehr gute" oder "gute" Produkte, ein "mangelhaft" oder "ungenügend" labelt niemand.

Daher haben in der Vergangenheit die anwaltlichen Vertretungen von ÖKO-TEST selbst immer wieder vor der Vermarktung des Labels haben gewarnt. Auf oekotest.de hieß es:

„Zum anderen wäre nach unserer Einschätzung durch eine Vermarktung des Labels eine neue Welle juristischer Angriffe von Herstellern zu befürchten. Praktisch gesehen ist ein Warentest immer ein Eingriff in den Wettbewerb von Firmen untereinander, die ihre Produkte (zum Beispiel Shampoos) verkaufen wollen. Dies betrifft sowohl positive als auch negative Testurteile. Bei einem sehr guten oder guten Testurteil steigt der Verkauf der getesteten Produkte (teilweise erheblich) an, ein negatives Testurteil kann dazu führen, dass ein Produkt deutliche Umsatzeinbußen erfährt. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt dies jedoch in der Natur der Warentests, nämlich dem Verbraucher eine Übersicht über die am Markt angebotenen Produkte zu ermöglichen und ihm damit eine Entscheidungshilfe für seinen Einkauf zu bieten. Zudem gilt aufgrund der grundgesetzlich garantierten Meinungs- und Pressefreiheit, dass sich jeder, der am Wirtschaftsleben teilnimmt, der Kritik seiner angebotenen Leistungen und Produkte stellen muss. Daraus folgt, dass Firmen auch hinnehmen müssen, dass sie aufgrund negativer Kritik an ihren Produkten, wie beispielsweise einem schlechten Testurteil, Umsatzeinbußen erleiden.

Dieses Privileg kann ein Warentest allerdings nur in Anspruch nehmen, wenn er objektiv, sachkundig und neutral durchgeführt wurde und insbesondere nicht Wettbewerbszwecken dient. Könnten Hersteller also gegen ein Testergebnis - es kann das eigene sein oder das eines Konkurrenten - einwenden, der zugrundeliegende Warentest sei von eigenen wirtschaftlichen Interessen des Testanbieters geprägt, könnte dies dazu führen, dass der Test nicht mehr nach dem Presserecht zu beurteilen wäre, sondern nach wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen. Dies würde jedoch zu einer erheblichen Einschränkung des Ermessenspielraums des Testanbieters bei Durchführung und Veröffentlichung des Testanbieters führen“.

Inzwischen wurde die Erklärung von der Webseite entfernt. Stattdessen rechtfertigt der Verlag die Vermarktung des Labels.

"Das Lizenzmodell (Anmerkung testwatch: das heißt die Nutzung des Labels für 5.000 Euro) soll sicherstellen, dass Verbrauchern unter dem ÖKO-TEST Label tatsächlich nur richtige und aktuelle Testergebnisse mitgeteilt werden, denn nur so kann das ÖKO-TEST Label eine verlässliche Orientierungs- und Einkaufshilfe darstellen. In der Vergangenheit musste ÖKO-TEST leider feststellen, dass Hersteller und Händler das ÖKO-TEST Label auch für Produkte nutzten, die nicht mit den getesteten Produkten identisch sind oder deren Testergebnis schon seit Jahren nicht mehr dem aktuellen Qualitätsstandard von ÖKO-TEST entspricht. Durch den Abschluss eines Lizenzvertrags ist es ÖKO-TEST möglich, Vertragsbedingungen für die Nutzung des ÖKO-TEST Labels aufzustellen, die eine Nutzung des ÖKO-TEST Labels zu unterbinden, die nicht im Einklang mit unseren Tests und den von uns verfolgten Zielen der Verbraucherberatung in Einklang steht", schreibt der Verlag auf seiner Internetseite jetzt.

Warum dafür eine Lizenz 5.000 Euro pro Produkt kosten muss, bleibt allerdings unklar. Denn den Missbrauch hat ÖKO-TEST schon verfolgt und die Missbraucher konsequent verklagt, als nur eine einmalige Bearbeitungsgebühr von knapp 700 Euro fällig wurde.

Compliance

Ich, Jürgen Stellpflug, der Autor dieses Berichts, war fast 30 Jahre lang Chefredakteur von ÖKO-TEST. Im März 2018 wurde mir fristlos gekündigt. Um mich nicht dem Vorwurf der Befangenheit auszusetzen, habe ich hier auf testwatch.de bislang nicht über ÖKO-TEST berichtet.