Die Gesellschaft für Qualitätsprüfung hat 100 Banken den Titel "Beste Bank vor Ort" verliehen. Aber sind die ausgezeichneten wirklich die besten?
Einleitung
"Verbraucherschutz neu definiert". Die Gesellschaft für Qualitätsprüfung gibt sich nicht mit Mittelmaß. Den Verbrauchschutz will sie neu definiert haben durch ihr Testverfahren für die Leistung von Bankberatern. Es orientiert sich an der DIN 77230 - Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte. Die Norm "beschreibt einen standardisierten Prozess für die Erfassung und Bewertung der finanziellen Situation von Privathaushalten in den Bereichen Sach- und Vermögensrisiken, Vorsorge sowie Vermögensplanung (..) Die Analyse ist dabei nicht Teil der Beratung, sondern die Grundlage dafür: Sie legt fest, welche Daten Vermittler für eine Basis-Finanzanalyse von Privathaushalten erheben sollten und wie sie die individuellen Risiken und Notwendigkeiten der Haushalte identifizieren", so Dr. Klaus Möller, der Obmann des Ausschusses, der die Norm erarbeitet hat.
Das heißt: Einem Kunden, der - wie im Modellfall der Gesellschaft für Qualitätsprüfung - 150 Euro im Monat sparen will, kann der Bankberater nicht einfach empfehlen, das Geld in einen Aktienfonds zu stecken oder aufs Sparbuch zu legen. Er muss zunächst einmal feststellen, ob der Kunde eine Berufsunfähigkeitsversicherung hat, ob er bei Auslandsreisen krankenversichert ist, ob er gegen das Risiko absichern muss, dass die Zinsen für den Hauskredit steigen oder ob er eine Haftpflichtversicherung für seinen Hund hat. Denn diese und viele andere Risiken sollten laut DIN 77230 abgesichert werden, bevor man ans Sparen denkt.
Insgesamt wurden 1.464 Institute getestet. Die Top 100 erhielten Noten zwischen 1,14 und 1,58. In die Bewertung flossen nicht nur die Bedarfsanalyse (zu 50 Prozent) ein, sondern auch die Empfehlungen der Berater (25 Prozent), die Atmosphäre (12,5 Prozent) und die Gesprächsanbahnung sowie die Nachbetreuung (je 6,25 Prozent).
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: "Wir werden immer wieder gefragt, wie sich die verschiedenen Testformate im Markt unterscheiden bzw. voneinander abgrenzen lassen" schreibt die Gesellschaft für Qualitätsprüfung und nimmt für sich in Anspruch: "Transparenz ist unsere Antwort". Daher wollten wir als erstes wissen, wie viel die Nutzung des Labels kostet. Antwort: "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine Preise offenlegen". Dann wollten wir wissen, wie die Repräsentativität der Ergebnisse sichergestellt wird, also wie viele Beratungsgespräche pro Bank geführt werden. Die Antwort: schwammig. "Wir führen mit (..) dem Mystery Shopping eine valide Stichprobe durch - nach dem Motto: Gute Beratung darf kein Zufall sein". Kann sie aber. Denn wenn wir die Angaben auf der Internetseite der Gesellschaft richtig verstehen, wurden mit den 1.464 getesteten Banken "fast 1.500 Beratungsgespräche" geführt. Also gerade einmal eines pro Bank.
Insgesamt ist der Test ein Fortschritt im Vergleich zu vielen anderen Bankentests. Denn er erfasst systematisch Lücken und Risiken beim Versicherungsschutz, der Altersvorsorge und der finanziellen Situation, und die Anforderungen an die Berater sind anspruchsvoll. Trotzdem hat er wie die DIN eine grundsätzliche Schwäche. Der Test bewertet nicht, wie die Berater die Lücken schließen wollen. Ob sie beispielsweise für die Altersvorsorge eine renditeschwache Riester-Rente empfehlen, einen teuren Aktien-Fondssparplan aus dem eigenen Haus oder einen kostengünstigen der Konkurrenz.
Fazit: Der Test "beste Bank vor Ort" ist sicherlich besser als so manches, was sich Bankentest nennt. Aber ob er wirklich die beste Bank vor Ort findet, ist ungewiss.
DIN 77230
Die DIN-Norm
"Finanzberater können künftig Verbrauchern auf Grundlage einer objektiven Finanzanalyse nach DIN 77230 ausschließlich am individuellen Bedarf ausgerichtete Empfehlungen geben. Verbraucher wiederum haben die Sicherheit, dass das Ergebnis einer solchen Analyse immer vergleichbar ist, egal welcher Berater diese vorgenommen hat", so das Deutsche Institut für Normung. Dabei unterscheidet die Norm drei Bedarfsstufen: Sicherung des finanziellen Grundbedarfs, Erhaltung des Lebensstandards und Verbesserung des Lebensstandards.
Wie alle Gesetze, Verordnungen und Normen hat die DIN 77230 eine weitere wichtige Funktion. Sie sichert die Berater ab. Wer sich an die Vorgaben der Norm hält, dem wird künftig nur noch schwer der Vorwurf der Falschberatung zu machen sein. Für den Test "Beste Bank vor Ort" hat die Gesellschaft für Qualitätsprüfung die Beratung eines Musterkunden untersucht, der alleinstehend ist, keinen eigenen PKW besitzt, zur Miete wohnt und kein Eigentum will, 30.000 Euro besitzt, ein Nettoeinkommen von 2.000 Euro mit einem Überschuss von ca. 300 Euro im Monat hat, ein Girokonto mit Kreditkarte und ein Tagesgeldkonto hat, gesetzlich kranken- und pflegeversichert ist, eine Haftpflichtversicherung und eine Hausratversicherung hat, mit 67 Jahren ca. 1.300 Euro gesetzliche Rente bekommt und 550 Euro aus der betrieblichen Altersvorsorge.
Daher müssten Berater nach DIN prüfen, ob Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit ausreichend finanziell abgesichert sind, ob eine private Haftpflicht-, eine Rechtschutz-, eine Hausrat- und eine Auslandsreisekrankenversicherung vorhanden sind, ob die Altersvorsorge ausreicht, ob Kredite abzuzahlen sind und ob es eine Liquiditätsreserve gibt.
Aufgrund der Merkmale des Musterkunden spielen todesfallbedingte finanzielle Einbußen (der Musterkunde ist Single) keine Rolle. Auch nicht Haftungsrisiken durch: das Auto (der Kunde hat kein Auto) , durch private Tierhaltung, Haus- und Grundbesitz, Bau und Sanierung, Gewässerschäden, Photovoltaikanlagen, Jagd, Luftfahrzeuge, Ehrenämter und Wasserfahrzeuge; das Risiko des Verlustes oder der Beschädigung einer Immobilie; die mögliche Invalidität, Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit von Kindern; das Zinsänderungsrisiko bei der Immobilienfinanzierung; die Kosten für Instandhaltung einer Immobilie; die Schaffung von Kapital für die Ausbildung der Kinder; die Belastung durch wesentliche Ersatzinvestitionen Sachwerte; das Risiko des Verlustes oder der Beschädigung von Fahrzeugen sowie die Schaffung von Eigenkapital zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum (Musterkunde will kein Wohneigentum).