Die Verrentung von Immobilien gewinnt besonders angesichts steigender Preise und magerer Renten immer größere Bedeutung. Doch ein gutes Geschäft ist sie für Rentnerinnen und Rentner meist nicht.
Einleitung
Viele ältere Menschen haben Wohneigentum, aus dem sie nicht ausziehen möchten. Zugleich reicht die Rente besonders angesichts der aktuellen Entwicklung der Preise kaum oder nicht mehr. Für sie haben die Immobilienwirtschaft und Finanzdienstleister verschiedene Modelle zur Verrentung von Immobilien entwickelt. In einigen Fällen bleiben die Rentnerinnen und Rentner Eigentümer und müssen sich daher weiterhin um die Instandsetzung bzw. Instandhaltung der Immobilie kümmern. In anderen Fällen wechseln die Eigentümer. Die Neuen sind dann auch für die Instandhaltung zuständig.
Anbieter vertreiben die Immobilienrente prinzipiell in zwei unterschiedlichen Vertragsformen: Zum einen als Verkauf und zum anderen als Beleihung. Konkret gibt es mindestens fünf Modelle. Bei der Verrentung gegen Wohnrecht und gegen Leibrente geht das Haus oder die Wohnung auf neue Eigentümer über. Verkäuferinnen bzw. Verkäufer erhalten ein lebenslanges oder zeitlich befristetes, im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht. Selbst wenn die neuen Eigentümer die Immobilie weiterverkaufen, bleibt das Wohnrecht bestehen. Die Verkäufer wohnen mietfrei, es fallen keine monatlichen Belastungen an. Wohnrecht und Leibrente unterscheiden sich lediglich in der Zahlung des Kaufpreises. Beim Wohnrecht wird er als Einmalbetrag bezahlt, bei der Leibrente als monatliche Rente bis zum Tod der Verkäufer. Das heißt, die Käufer tragen das so genannte Langlebigkeitsrisiko, dass also Verkäufer viel länger leben, als statistisch zu erwarten war. Allerdings können Käufer die monatlichen Renten wahrscheinlich aus ihrem Budget bezahlen und müssen sich nicht um eine Finanzierung durch die Bank kümmern. Nachteilig ist in beiden Modellen, dass die Immobilie vom ehemaligen Eigentümer nicht vermietet werden darf.
Das ist bei der Verrentung gegen Nießbrauch erlaubt. Das heißt, will oder muss die Verkäuferin bzw. der Verkäufer zum Beispiel ins Pflegeheim, können sie die Immobilie vermieten und die Einnahmen für die Bezahlung der Pflegeheimkosten nutzen. Allerdings bleiben sie beim Nießbrauch Eigentümer und müssen für die Instandhaltung der Immobilie sorgen.
Wer nicht den gesamten Erlös braucht, kann auch nur einen Teil der Immobilie verrenten. Dabei verkauft man gegen eine Einmalzahlung bis 50 Prozent an einen gewerblichen Anbieter. Dafür, dass das Haus oder die Wohnung weiterhin allein genutzt werden darf, zahlt man dem Teilkäufer monatlich eine Nutzungsgebühr. Obwohl die Verkäufer selbst nur noch Teileigentümer sind, sind sie für die Instandhaltung allein verantwortlich. Umgekehrt müssen sie Miteigentümer nicht fragen, wenn sie bauliche Veränderungen vornehmen wollen.
Die fünfte Möglichkeit der Verrentung ist die Umkehrhypothek. Dafür bekommen Immobilienrentner von einer Bank oder einem Kreditvermittler Geld in Form eines Darlehens oder einer monatlichen Rente. Die mögliche Höhe der Umkehrhypothek ist auf die sogenannte Beleihungsgrenze von 50 bis 80 Prozent des Verkehrswertes der Immobilie gedeckelt, so sichern sich die Darlehensgeber gegen einen möglichen Wertverlust ab. Das Darlehen wird in der Regel nicht zurückgezahlt, man zahlt nur die Zinsen. Es wird, wie der durch die monatlichen Rentenzahlungen entstandene aufgelaufene Betrag, nach dem Tod einer Immobilienrentnerin durch den Verkauf der Immobilie getilgt. Bei einer Umkehrhypothek bleiben Immobilienrentner Eigentümer mit allen Rechten und Pflichten.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Wer eine Immobilie verrenten will, hat eine Vielzahl von Möglichkeiten. Das ist einerseits positiv, weil die Verträge auf unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnitten werden können. Andererseits ist der Markt höchst intransparent, weil eine Regulierung fehlt, die einen Vergleich der verschiedenen Modelle zulassen würde.
Der personenbezogene Erfolg jedes Modells hängt von zahlreichen Faktoren ab, so z. B. dem Marktwert einer Immobilie und der Einschätzung der zukünftigen Wertentwicklung, der versprochenen und belastbar gegebenen Sicherheit des (lebenslangen oder zeitweiligen) Wohnens, dem jeweiligen Mindestalter einer Person, der Teilungsregeln für Instandhaltung, Reparaturen und Umbauten oder Regelungen im Erbfall. Je länger ein Zahlungsstrom aus einem Modell kalkuliert wird, desto geringer fällt die Rente aus. So hat ein heute 70-Jähriger laut Statistischem Bundesamt eine Restlebenserwartung von gut 14 Jahren. Versicherungsunternehmen kalkulieren zum Beispiel bei „Riester“-Renten mit wesentlich längeren Lebenserwartungen auf Basis der sogenannten Sterbetafeln der deutschen Aktuarvereinigung (das ist der Verband der Versicherungs-, Bauspar- und Finanzmathematiker. Sie bewerten für die in diesen Branchen tätigen Unternehmen finanzielle Unsicherheiten und Risiken ihrer Produkte). Mit welchen Lebenserwartungen die Anbieter von Immobilienverrentungen kalkulieren, ist meist nicht ersichtlich. Merten Larisch von der Verbraucherzentrale Bayern spricht von absurd hohen Lebenserwartungen.
Es handelt sich bei der Immobilienverrentung um ein Produkt mit Vertrauenseigenschaften, so die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Unter Berufung auf ihre eigene Beratungserfahrung sowie auf eine Marktuntersuchung der Stiftung Warentest stellt sie fest, dass die Informationsasymmetrie von Käufern ausgenutzt wird und Verkäufer übervorteilt werden.
Die Probleme lassen sich beispielhaft am besonders umstrittenen Teilverkauf von Immobilien erklären. Das heißt: Man verkauft bis zu 50 Prozent der Immobilie an einen gewerblichen Anbieter, behält aber das alleinige Nutzungsrecht. Dafür zahlen Teilverkäufer ein monatliches Nutzungsentgelt. Da es sich nicht um einen Mietvertrag und eine Mietzahlung handelt, können die Kosten für die Instandhaltung oder eine energetische Modernisierung auf die Verkäuferin bzw. den Verkäufer abgewälzt werden. Trotzdem profitieren Teilkäufer bei einem späteren Verkauf vom Wertzuwachs. Nicht zuletzt deshalb verwundert es nicht, dass die Anbieter den Teilverkauf anpreisen. So schreibt die Deutsche Teilkauf: „Finanzielle Freiheit dank Teilverkauf. Sie können bis zu 50 Prozent Ihres Hauses oder Ihrer Eigentumswohnung veräußern und so Immobilienvermögen in Liquidität umwandeln, um sich langersehnte Wünsche zu erfüllen. Zudem profitieren Sie von künftigen Wertsteigerungen für den nicht veräußerten Immobilienteil.“ Ähnlich äußert sich Heimkapital: „Wohnen bleiben und entspannen“, heißt es auf der Internetseite. „Heimkapital wird stiller Teilhaber, und Sie erhalten ein Nießbrauchsrecht in das Grundbuch eingetragen. Sie können also in Ihrer Immobilie wohnen, so lange Sie wollen, bleiben Haupteigentümer und behalten weiterhin die Kontrolle – auch bei Renovierungen und Umbauten. Nur für den Anteil, den Sie verkauft haben, wird ein geringer Nutzungsbeitrag fällig.“ Doch was hier als Vorteil und Freiheit angepriesen wird (Kontrolle bei Renovierungen und Umbauten), hat eben die Kehrseite, dass Teilverkäufer alle Kosten allein tragen müssen.
Außerdem: Völlig unklar bleibt, wie das von Anbieter zu Anbieter höchst unterschiedliche Nutzungsentgelt berechnet wird. So würde der Verkaufspreis bei Heimkapital gerade einmal reichen, um das Nutzungsentgelt 208 Monate lang zu bezahlen. Das entspricht einem Darlehenszins von über fünf Prozent pro Jahr. Bei der Volksbank Heidelberg und dem Immobilienmakler Engel & Völkers sind es (längstens) 218 Monate, bei Hausanker und Deutsche Teilkauf 240 Monate. Völlig aus dem Rahmen fällt Renteplusimmobilie mit 343 Monaten.
Da Teilverkäufer das Geld vermutlich nicht nur für die Zahlung des Nutzungsentgelts verwenden, müssen sie schon nach wenigen Jahren das Nutzungsentgelt aus ihrem monatlichen Budget (meist der Rente) aufbringen. Damit ist es nichts anderes als eine Miete für das ehemals mietfreie Eigentum. Zu einem finanziell unkalkulierbaren, möglicherweise ruinösen, Risiko wird das Nutzungsentgelt, wenn es nicht festgeschrieben, sondern variabel ist. So schreibt Hausanker: „Das Nutzungsentgelt im Rahmen des Immobilien-Teilverkaufs orientiert sich an einem Referenzzinssatz der Finanzwirtschaft und kann sich deshalb ändern.“ Unklar bleibt, um welchen Referenzzins es sich handelt und in welchen Abständen die Änderungen erfolgen. Das erfährt man auch bei der Deutsche Teilkauf nicht, deren Kooperationspartner Hausanker ist. Fest steht nur, dass das Nutzungsentgelt angesichts der aktuell zumindest weltweit steigenden Zinsen auf absehbare Zeit kaum sinken, sondern eher steigen wird. Beide Unternehmen bieten zwar die Möglichkeit, „eine Festschreibung des Entgelts für einen bestimmten Zeitraum [zu] vereinbaren“. Welche zusätzlichen Kosten sie dafür in Rechnung stellen, erfährt man nicht.
Sollte eine Teilverkäuferin bzw. ein Teilverkäufer – aus welchen Gründen auch immer – irgendwann den verkauften Anteil zurückerwerben wollen, oder, was der häufigere Fall sein dürfte, die Erben diesen zurückkaufen wollen, greift bei den meisten Anbietern eine Wertsteigerungsgarantie. Mit ihr wälzen sie das Risiko eines Wertverlustes ab. „Sollte Ihr Haus, Ihre Wohnung oder Ihr Grundstück die vereinbarte Wertsteigerung erreichen, so ist dieser Aspekt unerheblich. Jedoch kann niemand die Entwicklung der Immobilienpreise sicher prognostizieren. Fällt der Immobilienwert, greift die Mindestabsicherung zugunsten des Anbieters. Der Teilverkauf-Anbieter und Miteigentümer verdient immer und partizipiert nicht an einem etwaigen Wertverlust Ihrer Immobilie. Dieser Umstand führt zu einem erhöhten Risiko des Teilverkauf-Modells. Dieses Risiko entsteht insbesondere in Phasen eines Zinsanstiegs. Denn steigende Zinsen dämpfen meist die Preisentwicklung von Immobilien, weil die Finanzierungskosten steigen“, schreibt die IMMO.info gemeinnützige GmbH.
Bei einem letztendlich vollständigen Verkauf der Immobilie können erhebliche weitere Kosten wie Durchführungsentgelte oder Maklergebühren anfallen. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rechnet vor: „Wird die Immobilie, die zu einem Anteil von 25 Prozent bereits verkauft wurde, später für insgesamt 609.497 Euro ganz verkauft, rechnet zum Beispiel Wertfaktor mit einem Durchführungsentgelt von 27.427 Euro, was 4,5 Prozent des Verkaufspreises entspricht. Bei Engel & Völkers fällt stattdessen eine Abwicklungsvergütung von 5,5 Prozent und bei Heimkapital ein Serviceentgelt von rund 3,25 Prozent des Verkaufspreises an. Bei Deutsche Teilkauf wird ein solches Entgelt hingegen nicht berechnet. Dafür behält sich die Deutsche Teilkauf aber einen Mindesterlösanteil von 117 Prozent des eigenen Immobilienanteils vor. Für die einmal erhaltene Wunschauszahlung von 100.000 Euro (20 Prozent des Wertes bei Teilverkauf) könnte Wertfaktor in unserem Beispiel nach 20 Jahren also insgesamt 277.340 Euro vereinnahmen. Der Betrag würde sich zusammensetzen aus dem Nutzungsentgelt von 105.840 Euro (5,29 Prozent p.a.), einem Durchführungsentgelt 31.500 Euro (3,25 Prozent von einem angenommenen Verkaufspreis von 700.000 Euro) sowie dem anteiligen Verkaufspreis (20 Prozent von 700.000 Euro = 140.000 Euro).“
Daher wundert es nicht, dass Verbraucherschützer und Experten den Teilverkauf kritisch sehen. So schreibt die Seite Finanztip.de, die vom ehemaligen Chefredakteur der Stiftung Warentest Zeitschrift Finanztest verantwortet wird: „Nach unserer Einschätzung lohnt sich ein Teilverkauf nicht. Die zukünftigen Kosten sind nicht kalkulierbar. Und solltest Du mal in Zahlungsschwierigkeiten kommen, droht der Auszug aus dem Eigenheim. Bei einem gewöhnlichen Verkauf bekommst Du den Kaufpreis und kannst damit eine kleinere, günstigere Wohnung beziehen. Im besten Fall bleibt Dir noch ein Überschuss, mit dem Du Deinen Lebensabend finanzieren kannst. Bei einem Teilverkauf läuft das anders. Du verkaufst zwar nur einen Teil der Immobilie und kannst dafür dort wohnen bleiben. Doch den Kaufpreis musst Du wieder in eine monatliche Nutzungsgebühr investieren. Du musst daher für die nächsten Jahre genau kalkulieren, wie viel Geld Dir zur freien Verfügung bleibt. Denn kannst Du die Nutzungsgebühr nicht mehr zahlen, musst Du ausziehen und die Immobilie wird verkauft.“ Finanztip rechnet vor, dass von einem Verkaufserlös von 150.000 Euro nach Abzug der Nutzungsgebühr für 14 Jahre gerade einmal 66.000 Euro zur freien Verfügung bleiben und warnt: „Je länger Du in Deinem Zuhause wohnen bleiben möchtest, desto länger musst Du auch die Nutzungsgebühr zahlen.“
Wesentlich kritischer als die Volksbank Heidelberg sieht die Volksbank Braunschweig-Wolfsburg die Immobilienverrentung. Sie „ist und bleibt ein Nischenprodukt“, schreibt sie, „da es für Käufer und Verkäufer risikobehaftet und meist nicht besonders rentabel ist. Im fortgeschrittenen Alter ist ein Immobilienwechsel oft die bessere Alternative. Hierbei verkauft der Eigentümer seine Immobilie und zieht in eine kleinere, günstige und altersgerechte Wohnung.“
Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg warnt vor den vielen Fallstricken nicht nur des Teilverkaufs: „Das vermeintlich gute Geschäft hat seinen Preis“.
Die Verbraucherkommission des Landes Baden-Württemberg hat die Landesregierung daher aufgefordert, über eine Bundesratsinitiative in dem bislang weitgehend ungeregelten Markt für faire Bedingungen und Transparenz zu sorgen. Die Verbraucherzentrale des Landes fordert, die Beratung unter Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) zu reglementieren, vor- und nachvertragliche Informationspflichten festzuschreiben und Widerspruchsrechte einzuräumen und zu regeln. Nicht nur für den besonders umstrittenen Teilverkauf. Die Verbraucherkommission empfiehlt, sich dabei „an bestehenden Regelungen für andere Finanzprodukte zu orientieren, insbesondere die Vorschriften des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) und des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) sinngemäß anzuwenden und keine vereinfachte Regulierung, sogenannte Sandboxes, zuzulassen.“
Fazit: Die Verrentung von Immobilien ist für Rentnerinnen und Rentner ein undurchsichtiges Geschäft. Die Gefahr ist groß, dass sie dabei übervorteilt werden.