Wer im Autohaus, im Elektronikmarkt oder im Reisebüro Autoversicherungen, Garantieverlängerungen für Handys und Laptops oder Reiseversicherungen verkauft, braucht keine Erlaubnis und muss auch keine Sachkunde nachweisen. Die Folgen sind Missbrauch, Verbrauchertäuschung und Fehlkäufe.
Einleitung
Produkt was? Produktakzessorischer Versicherungsverkauf. Wer hauptberuflich Versicherungen verkauft, braucht dafür eine Genehmigung, muss sich registrieren lassen und bei der IHK seine Sachkunde nachweisen. Wer nebenberuflich tätig ist und Versicherungen als Zusatzleistung zu einem Produkt verkauft, kann sich nach § 34d Abs. 8 der Gewerbeordnung von diesen Auflagen befreien lassen.
Neben einer geeigneten Berufshaftpflichtversicherung brauchen solche so genannten produktakzessorischen oder Annexvermittler laut IHK Freiburg lediglich eine schriftliche Erklärung des Auftraggebers, dass sie zuverlässig sind, nicht in ungeordneten Vermögensverhältnissen leben und über eine angemessene Qualifikation im Bereich Versicherungsvermittlung verfügen. Zur Begründung des Verzichts auf eine Sachkundeprüfung schreibt die IHK Freiburg: "Der produktakzessorische Vermittler bietet in der Regel wenige Versicherungen an und kann gerade aufgrund seiner Haupttätigkeit die Risiken seiner Produkte einschätzen. Damit kann er auch nach Ansicht des Gesetzgebers die entsprechende Versicherung beurteilen."
Annexvermittler sind zum Beispiel Kreditvermittler, die Versicherungen gegen Arbeitslosigkeit verkaufen, Brillenhändler (Kaskoversicherung), Reifenhändler (Reifenversicherung), Versand- und Einzelhandel (Garantieversicherung zur Verlängerung der Gewährleistung), Fahrradhändler und -hersteller (Unfall- und Diebstahlversicherung) oder Reisebüros (Reiserücktritts- und Reisekrankenversicherung). Produktakzessorietät ist auch gegeben bei der im Kfz-Handel üblichen Vermittlung von Haftpflicht-, Kasko- oder Insassenunfallversicherungen und auch die Vermittlung von Risiko-Lebensversicherungen beim Abschluss von Darlehensverträgen.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hat schon 2017 die produktakzessorische Vermittlung kritisiert. In einer Pressemitteilung schreibt sie: "Der Markt für kleine Versicherungen boomt: Die Versicherungen, die zu Alltagsgegenständen und Dienstleistungen mitverkauft werden, versprechen allerlei Versicherungsschutz für Risiken wie Diebstahl, Schäden oder Ausfall. Das Problem: Sie werden von Laien verkauft, die nicht zusammen mit Verbrauchern ermitteln, ob Verbraucher die Versicherung überhaupt brauchen".
Dagegen seien professionelle Versicherungsvermittler gesetzlich dazu verpflichtet, zu prüfen, ob die Versicherung zum Bedarf des Verbrauchers passt. Sie müssten Kunden beraten und Alternativen aufzeigen. Ein Problem seien auch Fehlanreize durch hohe Provisionen, die Annex-Vermittler erhalten. Einer Untersuchung der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA zufolge machte die Provision für Handyversicherungen im Jahr 2015 im Schnitt 40 Prozent der Prämien aus.
Nicht zuletzt hätten Verbraucher oft falsche Vorstellungen von den Leistungen der Policen (weil sie beim Kauf nicht beraten wurden und teilweise die allgemeinen Geschäftsbedingungen erst nach dem Kauf ausgehändigt bekamen). Oft forderten sie Leistungen ein und müssten feststellen, dass die Versicherer nicht zur Zahlung verpflichtet seien. Daher forderte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg: "Die begünstigenden Ausnahmen für den Laienvertrieb müssen ersatzlos aus § 34d der Gewerbeordnung gestrichen werden." Geschehen ist das bis heute nicht.
Die Stiftung Warentest hatte schon im Jahre 2015 Garantieverlängerungen verschiedener Anbieter getestet und erhebliche Leistungsunterschiede festgestellt. So würden einige Versicherer, wenn das Gerät nicht repariert werden könne, als Ersatz nur ein Gebrauchtgerät anbieten oder den Kaufpreis nur teilweise erstatten. Andere verlangten für die Reparatur einen Selbstbehalt bis zu zehn Prozent des Neuwerts der Geräte. Bei den meisten sei Verschleiß nicht mitversichert. Bei wieder anderen sei der Diebstahlschutz so streng, dass Besitzer von tragbarem Gerät nicht umfassend versichert seien.
Die Seite finanztip.de rät grundsätzlich von einer Garantieverlängerung ab. Denn die Kosten für den Neukauf eines Elektrogeräts seien meist zu verschmerzen. "Im Verhältnis zum Kaufpreis sind die Versicherungen oft sehr teuer und rechtfertigen den zusätzlichen Schutz nicht wirklich."
Erhebliche Preis- und Leistungsunterschiede, die eine ausführliche Beratung erfordern würden, gibt es bei allen Versicherungen, die Laien verkaufen dürfen. Zum Beispiel bei Risiko-Lebensversicherungen zur Absicherung von Immobilienkrediten. In ihrem neusten Test aus dem Jahr 2020 stellt die Stiftung Warentest nicht nur fest, dass die teuersten Policen fast dreimal so viel kosten wie die günstigsten. Sondern auch, dass es erhebliche Leistungsunterschiede gibt, zum Beispiel bei Zusatzleistungen wie der vorgezogenen Auszahlung bei unheilbarer Krankheit.
Die Sendung Marktcheck des SWR hat zudem Fälle von bewusster Verbrauchertäuschung aufgedeckt: Versicherungen und Garantien, deren AGB erst nach Vertragsabschluss ausgehändigt und mit Falschaussagen verkauft werden, Zusatzgarantien, die nicht greifen und als Versicherung verkauft werden oder auch Zusatzgarantien, die untergejubelt werden.
Fazit: Es spricht nichts dagegen, aber vieles dafür, die begünstigenden Ausnahmen für den Laienvertrieb aus § 34d der Gewerbeordnung ersatzlos zu streichen.