Was tun die im Kampf gegen den Klimawandel zuständigen Umweltministerien des Bundes und der Länder gegen die von ihnen selbst verursachten Treibhausgase? Zumeist viel weniger, als sie könnten, wie eine Umfrage von Testwatch zeigt.

Einleitung

Die Verbraucherkommission des Landes Baden-Württemberg fordert die Landesregierung auf, Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft (finanziell) dabei zu unterstützen, ihre noch nicht vermeidbaren Treibhausgase klimaneutral zu stellen. Auch die Landesregierung selbst solle die durch sie verursachten Emissionen neutralisieren, zum Beispiel durch Investitionen in Kompensationsprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern oder in Deutschland, beispielsweise durch die Wiedervernässung von Mooren.

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Das wäre dringend geboten. Denn zum einen entfernt sich Deutschland einer Studie des Thinktanks Agora Energiewende zufolge von seinen Klimazielen und hat 2021 33 Millionen Tonnen oder 4,5 Prozent mehr Treibhausgase verursacht als 2020. Zwar ist die Steigerung auch auf die wirtschafltiche Erholung nach dem pandemiebedingten Rückgang zurückzuführen. Aber "mit 38 Prozent Emissionsminderungen gegenüber 1990 wird das 2020-Ziel von minus 40 Prozent wieder verfehlt", so Agora Energiewende. Zum zweiten zeigt eine Umfrage von Testwatch beim Bundes- und bei allen 16 Länder-Umweltministerien, dass ausgerechnet das grün-schwarz regierte Baden-Württemberg dem Bund und anderen Ländern hinterherhinkt. Das von Thekla Walker (Grüne) geführte Umweltministerium kompensiert lediglich die Emissionen "nicht vermeidbarer Flugreisen". Man halte es "für geboten, vorrangig das Ziel der Klimaneutralität zu verfolgen und die verfügbaren Mittel für die dafür erforderliche Umgestaltung einzusetzen", so Bettina Jehne, die Leiterin der Pressestelle des Umweltministeriums. Auf den ersten Blick ist diese Argumentation durchaus plausibel, weil es sinnvoller ist, Treibhausgase zu vermeiden, anstatt sie zuerst in die Luft zu blasen und dann zu kompensieren. Bei genauerem Hinsehen jedoch kommen Zweifel, denn beim Umweltministerium geht es vielleicht um 1.000 Tonnen Treibhausgase, also um höchstens 25.000 Euro jährlich für Kompensationsprojekte. Die sollten im einem Etat von fast 700 Millionen Euro (im Jahr 2021) problemlos aufzutreiben sein.

Das Bundesumweltministerium ist wesentlich weiter und kompensiert schon seit 2018 alle Treibhausgas-Emissionen, so Pressesprecherin Astrid Scharf. 2020 waren das 1.950 Tonnen für Dienstreisen und 2.400 Tonnen für den sonstigen Ministerialbetrieb, zum Beispiel die Gebäudeheizung. So weit wie das Bundes- geht nur noch das Thüringer Umweltministerium. Mit seiner Kompensationsmaßnahme, einem im Jahr 2016 auf einer vorherigen Altlastfläche angepflanzten Klimawald, erfasst es alle rund 150 Tonnen noch nicht vermeidbarer Treibhausgase pro Jahr, so Pressesprecher Tom Wetzling.

Dagegen ist Niedersachsen wenig ambitioniert. Die Landesregierung will bis 2050 klimaneutral sein und damit fünf Jahre später, als es die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz revidierte Planung für ganz Deutschland vorsieht. Die Landesregierung übernehme damit "eine Vorbildfunktion für andere öffentliche und private Institutionen und die Bürgerinnen und Bürger". Zudem prüfe man "die Umsetzung von Kompensationsmöglichkeiten", schreibt uns Matthias Eichler, stellvertretender Pressesprecher des Umweltministeriums. Die sind allerdings längst bekannt, viele Bürgerinnen und Bürger sind ihrerseits dem Land und dem Ministerium ein Vorbild und stellen über Organisationen wie Atmosfair, Klima Kollekte oder Climate Partner ihre Flugreisen klimaneutral. Ebenso kompensieren zum Beispiel viele Gasversorger oder Mineralbrunnen ihre Produkte und/oder Produktion. Der Hinweis, die Umsetzung von Kompensationsmöglichkeiten zu prüfen, dürfte nichts als das Eingeständnis sein, dass man das Thema verschlafen oder für unwichtig gehalten hat.

In Berlin soll die gesamte Landesverwaltung 2030 klimaneutral sein. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, denn derzeit werden in Berlin nur die Treibhausgase durch Dienstflüge kompensiert. Etwas mehr machen das sächsische und das nordrhein-westfälische Umweltministerium. Sie stellen nicht nur Flüge, sondern alle Dienstreisen klimaneutral. Die haben in Sachsen 2019 740 Tonnen Treibhausgase verursacht. Das gleiche macht auch das Land Bremen, allerdings erst seit September 2021. In Hessen werden seit 2018 für die gesamte Landesverwaltung "die Treibhausgasemissionen der dienstlichen Mobilität" neutralisiert, so Julia Stoye, stellvertretende Pressesprecherin des Umweltministeriums. In Schleswig-Holstein sollen das Umweltministerium und die gesamte Landesverwaltung bis 2045 klimaneutral sein. Bis 2030 sollen die Emissionen um mindestens 65 Prozent sinken. Zehn Prozentpunkte dürfen auf Kompensationsmaßnahmen entfallen, so Jonas Hippel, der stellvertretende Sprecher des Umweltministeriums. Dafür werde gerade ein Konzept erarbeitet, was heißt, dass es derzeit noch keine Kompensationsprojekte gibt.

Die Pressesprecherin des saarländischen Umweltministeriums, Sabine Schorr, schreibt uns, dass "stets geeignete Maßnahmen zur Reduzierung und Kompensation (vorrangig regional im eigenen Umfeld oder mindestens im Saarland)" durchgeführt würden und verweist uns auf die Umwelterklärung. Dort ist zu lesen, das Ministerium habe seit 2008 die Emissionen um jährlich 240 Tonnen CO2 verringert. Einen Hinweis darauf, dass und wie die verbleibenden 131 Tonnen kompensiert werden, haben wir allerdings nicht gefunden.

Noch keine Antwort auf unsere am 19.12.2021 versandten Fragen hatten wir bis zum 11.1.2022 von Hamburg, Brandenburg, Bayern, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern erhalten.

Fazit: Gerade angesichts steigender Treibhausgas-Emissionen sollte die Politik die Kompensation durch Bürgerinnen und Bürger sowie der Wirtschaft umfassend fördern - und als Vorbild die eigenen Emissionen möglichst schnell klimaneutral stellen.