Die EU hat den weißen Farbstoff Titandioxid für Lebensmittel als "nicht mehr sicher" eingestuft. Wie ist die Verwendung in Kosmetikprodukten wie Zahnpasta einzuschätzen?
Einleitung
Der weiße Farbstoff Titandioxid wird vor allem in Farben und Lacken eingesetzt. Außerdem in Papier, Kunststoffen, Lebensmitteln (in der Zusatzstoffliste als E 171 bezeichnet) und Kosmetika (in der Inhaltsstoffliste als Titanium Dioxide oder CI 77891 aufgeführt). Allein in Europa werden laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) jährlich mehr als eine Million Tonnen davon hergestellt. Die Diskussion um den Stoff begann 2006, als die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) zu dem Schluss kam, dass Titandioxid, wenn es eingeatmet wird, bei Menschen möglicherweise krebserregend ist. 2020, über zehn Jahre später, stufte dann auch die EU den Stoff als möglicherweise krebserregend beim Einatmen ein.
Die Einstufung der EU des Farbstoffs als "nicht mehr sicher" für Lebensmittel vom Mai 2021 geht auf ein Ersuchen der EU-Kommission vom März 2020 zurück. Noch 2016 hatte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA keine Bedenken gegen die Verwendung von E 171, aber gleichzeitig festgestellt, "dass mehr Forschung erforderlich ist, um Datenlücken zu schließen". Die aktuelle Neubewertung erklärte Prof. Maged Younes, der Vorsitzende des EFSA-Sachverständigengremiums für Lebensmittelzusatzstoffe und Aromastoffe, damit, "dass wir Genotoxizitätsbedenken (dass der Stoff das Erbgut verändert), nach dem Verzehr von Titandioxidpartikeln nicht ausschließen konnten". Nun muss die EU-Kommission über ein Verbot von E 171 entscheiden, das in Frankreich schon seit 2020 nicht mehr verwendet werden darf.
Einem Bericht der Frankfurter Rundschau zufolge hat die EU-Kommission inzwischen den wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) mit einer Einschätzung des Einsatzes von Titandioxid in Kosmetika wie Sonnenschutzmitteln und Zahnpasten beauftragt. Danach will sie entscheiden, so die Rundschau, "ob zusätzliche Regulierungsmaßnahmen erforderlich sind".
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Alle Bedenken gegen Titandioxid beziehen sich auf die winzig kleinen Partikel in Nanogröße. Sind die nicht nur Verunreinigungen, sondern werden gezielt hergestellt und in größerer Menge verwendet wie in Sonnencremes, muss das in der Inhaltsstoffliste deklariert werden, als "Titandioxid (nano)" oder "CI 77891 (nano)". "Die Aufnahme über die Haut (..) wird als unbedenklich bei Auftragen sowohl auf intakte als auch Sonnenbrand-geschädigte Haut angesehen", schreibt das BfR dazu. Dagegen darf Nano-Titandioxid in Sonnenschutzsprays nicht verwendet werden, weil es eingeatmet werden kann.
"Kann man Titandioxid unbesorgt essen?", fragt der Verband TDMA und antwortet: "Ja". Das wundert nicht, denn der TDMA ist ein Zusammenschluss von Titandioxid-Herstellern. Allerdings behauptet auch die EFSA nicht, dass der Stoff im Essen gefährlich oder gar krebserregend ist. Laut BfR stellte sie im Gegenteil fest: "Studien zur allgemeinen Toxizität und zur Organtoxizität liefern keine Hinweise auf schädliche Effekte. In Tierstudien sind auch keine unerwünschten Effekte auf die Fruchtbarkeit sowie die Entwicklung der Nachkommen beobachtet worden. In einer älteren Studie mit Ratten und Mäusen wurden nach oraler Exposition gegenüber Titandioxid keine krebserzeugenden Wirkungen beobachtet. Zum krebserzeugenden Potenzial von Titandioxid-Nanopartikeln nach oraler Exposition ist keine geeignete Studie verfügbar."
Der EFSA zufolge konnte auch nicht nachgewiesen werden, dass Titandioxid gentoxisch sein, also das Erbgut schädigen kann. Ein solcher Verdacht konnte lediglich nicht ausgeräumt werden. Dazu muss der Stoff allerdings zunächst vom Körper aufgenommen werden. Dazu schreibt das BfR, Titandioxid werde nur in sehr geringem Umfang aus dem Magen-Darm-Trakt resorbiert. Aber der Stoff benötige lange Zeit, um aus dem Körper ausgeschieden zu werden und könne sich daher anreichern.
Titandioxid steckt als Weißmacher (für die Cremes, nicht für die Zähne) auch in Zahnpasten. Ist der Stoff hier ebenfalls bedenklich? Das BfR hält sich bedeckt und schreibt, es könne "nicht beurteilen, ob die Bewertung der EFSA zu E 171 auf CI 77891 übertragbar" sei. Es habe daher empfohlen, den wissenschaftlichen Ausschuss für Verbrauchersicherheit (SCCS) der EU mit einer Einschätzung zu beauftragen. Allerdings erscheint es fraglich, ob gefährlich viel Titandioxid über die Mundschleimhaut aufgenommen werden oder über verschluckte Zahnpasta in den Körper gelangen kann. Trotzdem haben erste Hersteller begonnen, ihre Rezepturen umzustellen und mit dem Verzicht auf Titandioxid zu werben.
Gefährlicher Farbstoff? Statt mit dem "Doppel Fluorid-System" (roter Balken oben rechts) wirbt Hersteller Dr. Liebe nach einer Rezepturumstellung jetzt mit dem Hinweis "Ohne Titandioxid" für seine Zahnpasta Aminomed.
Fazit: Unser Meinung nach besteht derzeit kein Grund, Zahnpasta mit Titandioxid zu meiden. Für alle, die es dennoch wollen, haben wir Produkte ohne den Farbstoff zusammengetragen.