Die Label der Stiftung Warentest, von Öko-Test und anderen werden immer wieder missbräuchlich verwendet. Testwatch wollte wissen, was die Tester tun, damit Verbraucher nicht getäuscht werden.

Einleitung

Mit dem Label "Öko-Test sehr gut" wirbt der ilando24-Shop auf Amazon für die Bübchen Baby Wundschutz Creme. Das Problem: Der Test wurde im April 2010 veröffentlicht. Längst gibt es neuere Babycreme Untersuchungen von Öko-Test und das alte Label darf nicht mehr verwendet werden. Das gleiche gilt für das Label "Öko-Test sehr gut" vom August 2015, mit dem die Seite windelnkaufen.de für die Weleda Calendula Pflegecreme Baby wirbt. Missbräuchlich verwendete Öko-Test Label fanden wir auch für die Vita Horm Baby Hautcreme (Januar 2008), die Lavera Baby & Kinder sensitiv Pflegecreme (August 2015) sowie vermutlich auch für die Lavera Baby & Kinder sensitiv Wundschutzcreme (Juni 2017). Dieses Label haben wir direkt auf der Seite des Herstellers entdeckt, die anderen vier in Online-Shops.

Sicher ein Missbrauch: Vier Öko-Test Label, die nicht mehr verwendet werden dürfen, allein bei Babycremes.

Vermutlich ein Missbrauch: Laut Öko-Test darf ein Label nicht mehr verwendet werden, wenn es einen neueren Test der gleichen Produktgruppe mit geänderten Testkriterien gibt. Der neueste Test Wundschutzcremes stammt vom April 2021. In diesem Test müssten eigentlich so genannte synthetische Polymere getestet worden sein. Im Juni 2017 waren sie, die man auch als flüssiges Mikroplastik bezeichnet, noch kein Testkriterium. Obwohl das Produkt selbst keine synthetischen Polymere enthält, dürfte das Label nicht mehr verwendet werden. Warum es sich nur vermutlich um einen Missbrauch handelt? Wir konnten den Sachverhalt leider nicht ganz aufzuklären, weil eine Testwatch-Anfrage zu den Testkriterien des neuesten Tests von Öko-Test nicht beantwortet wurde.

Der Missbrauch von Testsiegeln ist kein Einzelfall, nicht nur bei Öko-Test. So teilte die Pressesprecherin der Stiftung Warentest, Heike van Laak, auf Anfrage von Testwatch mit: "In 384 Fällen (wurde 2020) die Werbung von Unternehmen mit unserem Logo beanstandet bzw. abgemahnt." Im Jahr 2019 seien es sogar 613 Fälle gewesen. Wir wollten daher von den nach unserer Einschätzung vier größten Testveranstaltern - Stiftung Warentest, Öko-Test, Focus Money und Deutsches Institut für Servicequalität (Disq) - wissen, was sie tun, um die Irreführung und Täuschung von Verbrauchern durch den Missbrauch ihrer Label zu verhindern.

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Die Stiftung Warentest hat das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung (RAL) mit der Verfolgung des Labelmissbrauchs beauftragt. Auf unsere Anfrage schreibt uns die Stiftung Warentest: "Wenn uns etwas auffällt oder Leser uns auf einen Verstoß hinweisen, leiten wir den Vorgang ans RAL weiter. Der weitaus größte Teil dürfte aber durch das RAL selbst aufgedeckt worden sein, denn dort werden über einen Dienstleister 53 Geschäfte, 78.135 Werbezettel, 30 Webshops, 19 TV-Kanäle, 80 Prozent der nationalen Werbekampagnen im Kino, 160 Tageszeitungen sowie 321 Publikums- und 147 Fachzeitschriften regelmäßig überwacht." Außerdem habe die Stiftung Warentest 87 Nachtests im Jahr 2020 durchgeführt, um zu prüfen, ob die gelabelten Produkte noch die gleiche Qualität wie die ursprünglich getesteten hatten. "Dabei wurden", so Heike van Laak, bei einem Produkt "zu beanstandende Änderungen", das heißt ein Missbrauch des Labels, festgestellt.

Von Focus Money bekamen wir eine allgemeine Auskunft auf konkrete Fragen. So wollten wir unter anderem wissen, wie viele Missbrauchsfälle im Jahr 2020 von Lesern und durch systematische Recherche der Zeitschrift aufgedeckt und abgemahnt wurden. "Sollte es zu einer missbräuchlichen Verwendung kommen", antwortete Focus Money, "wird diese, insbesondere um unsere Leser und Nutzer vor Falschinformation zu schützen, konsequent verfolgt. Details zu etwaigen Fällen geben wir aus juristischen Gründen nicht bekannt." Keine Antwort auf unsere Fragen gab es vom Disq. Das wundert uns nicht. Wir haben immer wieder kritisiert und gezeigt, dass es dem Disq (Servicestudie Fertighausanbieter, Test Online-Shops für Lebensmittel) ebenso wie Focus Money (Test Goldhändler, Meine Bank vor Ort) nicht um die seriöse und korrekte Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern geht, sondern nur darum, möglichst viele Label für möglichst viel Geld zu verkaufen.

Bleibt Öko-Test. Der Verlag hatte im Jahr 2019 vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Bundesgerichtshof (BGH) Urteile unter anderem gegen die Otto-Versand-Gruppe Urteile erstritten. Sie stärkten seine Position im Kampf gegen den Missbrauch des Labels erheblich. Doch in den Prozessen ging es "nur" um die Glaubwürdigkeit der Marke Öko-Test. Die Label waren bis auf eine Bearbeitungsgebühr kostenlos. Das Labeling war insgesamt ein Zuschussgeschäft.

Doch inzwischen geht es für Öko-Test ums große Geld. Ein Label kostet für zwei Jahre 5.000 Euro. Das ist zwar immer noch relativ wenig angesichts der bis zu 30.000 Euro, die die Stiftung Warentest für die Labelnutzung verlangt. Aber bei Öko-Test machen die Einnahmen aus dem Labelgeschäft inzwischen rund 25 Prozent der Gesamteinnahmen aus, bei der Stiftung Warentest sind es gerade einmal fünf Prozent. Einem Rundbrief an seine Aktionäre zufolge hat Öko-Test im Jahr 2020 rund acht Millionen Euro Umsatz gemacht, gut zwei Millionen davon mit Labeln. Ohne das Labelgeschäft wäre der bereits seit 2019 bilanziell überschuldete Verlag wohl längst pleite. In einer solchen Situation sollte man belegen (können), dass man konsequent gegen den Missbrauch seines Labels vorgeht. Ansonsten setzt man sich dem Verdacht aus, im Sinne des Geldes ein oder sogar beide Augen zuzudrücken. Der Verdacht wird dadurch bestärkt, dass Öko-Test unsere Fragen nicht beantwortet hat.

Fazit: Nur die Stiftung Warentest hat ihre Bemühungen gegen den Labelmissbrauch nachvollziehbar dargelegt. Doch auch Produkte mit ihrem Label sollte man nicht unbesehen kaufen, sondern sich immer versichern, dass sie tatsächlich getestet wurden.