Mit dem neuen Label We Care wollen Unternehmen freiwillig dokumentieren, wozu der Gesetzgeber sie erst in den kommenden Jahren verpflichten will – dass sie Verantwortung für die Lieferkette übernehmen.

Einleitung

"We Care - wir übernehmen Verantwortung", teilt die Bio-Supermarktkette Alnatura in ganzseitigen Zeitungsanzeigen mit. Das Unternehmen sei "zertifiziert nachhaltig in den Bereichen Lieferketten- und Umweltmanagement, Mitarbeiterverantwortung und Unternehmensführung". Der Mitte Februar 2021 vorgestellte Standard ist damit schneller und geht weiter als das geplante Lieferkettengesetz. We Care verpflichtet Unternehmen, dafür zu sorgen, dass alle an der Herstellung eines Produkts beteiligten Unternehmen Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Lieferkette, in Indien, China und Kambodscha ebenso wie in Rumänien oder Bulgarien. Dagegen ist im Entwurf des Lieferkettengesetzes nur von "unmittelbaren Zulieferern" die Rede, nicht von der gesamten Lieferkette. Zudem soll das Gesetz nur für Großunternehmen gelten: ab 2023 für Betriebe mit mehr als 3.000 Beschäftigten, ab 2024 mit mehr als 1.000. Damit haben sich in den Beratungen die Wirtschaftsverbände wie der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) mit der Forderung durchgesetzt, das ihrer Ansicht nach ohnehin überflüssige Gesetz zumindest "mittelstandfreundlich" auszugestalten. Dazu gehört auch, dass deutsche Unternehmen nicht mehr, wie ursprünglich geplant, für Verfehlungen ihrer Lieferanten haftbar gemacht werden können. "Insbesondere die Forderung für eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für unabhängige Geschäftspartner im Ausland, die dort eigenen gesetzlichen Regelungen unterliegen, ist realitätsfern. Diese verkennt auch die Komplexität globaler Lieferketten, die oftmals über 100 Zulieferstufen enthalten und aus Deutschland heraus überhaupt nicht zu kontrollieren sind. Unternehmen können deshalb auch dafür nicht in Haftung genommen werden", hatte der BDI im September 2020 moniert.

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Anders als das geplante Lieferkettengesetz ist We Care ein Standard, zu dessen Einhaltung sich Unternehmen freiwillig selbst verpflichten. Zudem gibt es das Label nur für Betriebe aus der Lebensmittelbranche. Andererseits beschränkt sich We Care nicht auf Großunternehmen, auch Klein- und Mittelbetriebe mit weniger als 1.000 Mitarbeitern können sich zertifizieren lassen. Dafür werden insgesamt 164 Kriterien geprüft. "Ausführlich ist festgelegt, wie ein Unternehmen Verantwortung entlang der Lieferkette übernehmen, sie formulieren und in der Umsetzung dokumentieren muss, wenn es We-Care-zertifiziert werden möchte. So muss es sich einerseits Regeln für seine alltäglichen Vorgehensweisen setzen und andererseits Sofortmaßnahmen ergreifen, wenn in der Lieferkette Sozial‑, Umwelt- oder auch Tierwohlstandards verletzt werden. Das zertifizierte Unternehmen weist zudem nach, dass es mit seinen Lieferanten langfristig, partnerschaftlich zusammenarbeitet", schreibt das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), das We Care entwickelt hat und verantwortet.

Die Unternehmen müssen unter anderem sicherstellen, dass es in der gesamten Lieferkette "keine Diskriminierung (nach Herkunft, Ethnie, Religionszugehörigkeit, Geschlecht, Alter usw.), keine missbräuchliche Kinderarbeit, keine Zwangsarbeit und keine körperlichen Strafen" gibt. Außerdem werden "geregelte Arbeitszeiten, mindestens gemäß den gesetzlichen Bestimmungen des jeweiligen Landes" verlangt, und eine "faire Bezahlung, mindestens gemäß dem gesetzlichen Mindestlohn des jeweiligen Landes". Die Einhaltung dieser Anforderungen muss regelmäßig durch unabhängige Überprüfungen (Audits) bestätigt werden.

Neben Alnatura wurde auch die Firma Lebensbaum zertifiziert. Das ist ein kleines Unternehmen, das Bio-Kaffee, -Tee und -Gewürze verkauft. "Mit der Walter Lang GmbH, Peter Riegel Weinimport, PrimaVera Naturkorn, Tradin Organic, Midsona und Bohlsener Mühle sind sechs weitere Unternehmen zertifiziert bzw. zum Audit angemeldet", schreibt das FiBL. Das sind allerdings alles Unternehmen, die sich auch schon vor We Care um die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards gekümmert haben.

Konsequent nachhaltig? We Care ist ein anspruchsvolles Label, wird aber vorerst nur von wenigen Unternehmen genutzt, die auch bislang schon verantwortungsvoll gearbeitet haben.

Fazit: We Care zeigt, dass es möglich ist, in der gesamten Lieferkette für die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards zu sorgen. Der freiwillige Standard macht auch deutlich, warum das geplante verbindliche Lieferkettengesetz zu kurz greift und daher wirkungslos bleiben wird.