Als "Alternative für mehr Tierwohl" verkauft Aldi Fleisch, Milch und Eier mit dem Label Fair & Gut. Doch tatsächlich geht es um etwas anderes.
Einleitung
"Mit unseren Fair & Gut Produkten bieten wir unseren Kunden in vielen Filialen ein zusätzliches Angebot an, das das Thema Tierwohl besonders berücksichtigt", lobt Aldi sein selbst kreiertes Label für Fleisch, Eier, Milch und Milchprodukte. "Fair & Gut vereint", so der Discounter "mehrere bekannte Tierwohl-Label unter einem Dach, deren Standards über den gesetzlichen Vorgaben liegen." In einen Topf geworfen werden die Label "Für mehr Tierschutz" des deutschen Tierschutzbundes, des Vereins Neuland mit seinen besonders hohen Anforderungen an artgerechte Tierhaltung und "Fairfarm". Das ist ein Programm des Tönnies-Konzerns für Tiere, die ein Stück besser leben dürfen als gesetzlich vorgeschrieben. "Der Zusammenschluss der beiden bekannten Tierwohllabel Neuland und Fairfarm unter der Tierwohlmarke Fair & Gut bietet ein zusätzliches Angebot zwischen konventioneller und Bio-Ware im Frischfleischsortiment", so Tönnies.
Fair & Gut? Unter dem Dach des Aldi-Labels werden tierische Produkte mit unterschiedlich strengen Anforderungen an den Tierschutz verkauft (oben die Einstiegs- und die Premiumstufe des deutschen Tierschutzbundes, unter die Label des Fleischkonzerns Tönnies und des Vereins Neuland).
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Beim Start von Fair & Gut im Januar 2018 herrschte viel Optimismus. "Dass Aldi sich jetzt im Rahmen einer Nachhaltigkeitsoffensive zu mehr Tierschutz bekennt, begrüßen wir und freuen uns, mit unserem Tierschutzlabel für mehr Transparenz bei den Verbrauchern zu sorgen", sagte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Neuland freute sich: "Für einen Zeitraum von fünf Jahren wird Aldi faire Preise an die Neuland-Bäuerinnen und -Bauern zahlen."
Allerdings zeigt eine Untersuchung der Verbraucherzentralen vom Dezember 2020, welch geringe Bedeutung das Tierwohl knapp drei Jahre später bei Aldi und anderen Lebensmittelhändlern hat. Danach stammt das Fleischangebot der großen Handelsketten und Discounter zu 51 Prozent von Tieren der Haltungsform 1. Das ist Massentierhaltung nach gesetzlichem Standard. Weitere 36 Prozent wurden in Haltungsform 2 gemästet - das heißt Massentierhaltung mit geringfügig besseren Bedingungen als gesetzlich vorgeschrieben. Die Verbraucherzentralen haben die Zahlen zwar nicht für die einzelnen Unternehmen aufgeschlüsselt. Aber es gibt keinen Hinweis darauf, dass Aldi eine positive Ausnahme ist. Tatsächlich bietet Aldi Nord laut seiner Internetseite eine arg begrenzte Auswahl von 13 Fair & Gut Produkten in gerade einmal 400 der bundesweit über 2.300 Filialen an. Auf der Seite von Aldi Süd haben wir am 21. Januar 2021 sogar nur sieben Produkte gefunden. Zum gleichen Zeitpunkt wurde im gesamten 40-seitigen Wochenprospekt von Aldi Süd genau ein Fair & Gut Produkt zum Kauf angeboten: eine "Landmilch".
Imagepflege: Eine ganze Seite zu Fair & Gut im aktuellen Prospekt von Aldi Süd. Zum gleichen Zeitpunkt finden sich auf der Internetseite des Discounters allerdings gerade einmal sieben Fair & Gut-Produkte, im gesamten Wochenprospekt sogar nur ein einziges.
Auch bei Tönnies spielt das Tierwohl offenbar keine große Rolle. Auf der Internetseite des Unternehmens finden sich lediglich acht Produkte mit dem Fair & Gut- und dem konzerneigenen Fairfarm-Label. Wir wollten daher wissen, wie viele fair gemästete Schweine der Fleischkonzern schlachtet und wie fair die Bezahlung der Bauern ist. Auf beide Fragen haben wir keine Antwort bekommen.
Auf seine Milchflasche lässt Aldi Süd nicht nur sein Label Fair & Gut drucken, sondern auch das "Für mehr Tierschutz - Einstiegsstufe" des deutschen Tierschutzbundes. Daneben noch das Siegel "Klimaneutral", die Hinweise "keine Anbindehaltung" und "Qualität aus Deutschland". Da könnte glatt in Vergessenheit geraten, dass der Discounter im Normalfall nicht für solche hohen Standards steht. Gerade für Milch zahlt er den Bauern so wenig, dass sie davon kaum überleben können. So gingen die Landwirte zuletzt im März 2020 auf die Barrikaden, als Aldi ankündigte, die Zahlungen noch weiter senken zu wollen.
Milch ausnahmsweise Fair & Gut: Im Normalfall zahlt Aldi den Milchbauern so wenig, dass es kaum zum Überleben reicht.
Fair & Gut soll "ein zusätzliches Angebot zwischen konventioneller und Bio-Ware" sein. Doch das gibt es nicht. Entweder wurde ein Produkt nach ökologischen Richtlinien erzeugt. Dann ist es bio. Wenn nicht, ist es konventionell. Zudem müssten zur Information der Verbraucher nicht "mehrere bekannte Tierwohl-Label unter einem Dach" vereinigt werden. Denn diese Label werden ohnehin zusätzlich auf den Produkten abgebildet. Fair & Gut hat für Verbraucher (und auch für die Tiere) keinen Zusatznutzen. Das Label dient allein der Imagepflege von Aldi. Es soll dafür sorgen, dass Verbraucher, die nicht nur billig, sondern auch mit gutem Gewissen einkaufen wollen, bei dem Discounter die Kassen klingeln lassen.
Fazit: Für mehr Tierschutz braucht es nicht mehr Label, sondern mehr Tiere, die artgerecht gehalten werden. Und dafür müssen die Bauern angemessen bezahlt werden.