Immer mehr Hersteller werben damit, dass sie auf in Verruf geratene Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker verzichten. Doch was ist von den Ersatzstoffen zu halten?

Einleitung

Ohne Geschmacksverstärker, ohne Konservierungsmittel, ohne Farbstoffe, ohne Zuckerzusatz: Solche Auslobungen, Clean Label genannt, finden sich auf vielen Fertigprodukten. Damit haben die Hersteller auf die Abneigung vieler Verbraucher gegen solche Zusatzstoffe reagiert. Doch einfach weglassen geht oft nicht, man braucht Ersatzstoffe. Denn die Frage ist, wie kommt Geschmack zum Beispiel an eine Mischung, die hauptsächlich Tomatenpulver, Stärke, Zucker, Palmöl und jodiertes Speisesalz enthält, und sich "Knorr Feinschmecker Tomaten Suppe Toscana" nennt?

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: "Ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe, Konservierungsstoffe (lt. Gesetz), Farbstoffe", so wirbt Knorr für seine "Feinschmecker Tomaten Suppe Toscana". Enthalten ist jedoch die geschmacksverstärkende, glutamathaltige Zutat Hefeextrakt. Für Geschmack sorgen zudem "Aromen" aus dem Chemielabor. Für die rote Farbe der Suppe sorgt nicht das Tomatenpulver, sondern "Rote Bete Pulver". Das ist laut Gesetz kein Farbstoff, sondern eine färbende Zutat. Und dass - wie gesetzlich vorgeschrieben - keine Konservierungsstoffe enthalten sind, sollte selbstverständlich sein, auch wenn Tests von Stiftung Warentest und ÖKO-TEST immer wieder zeigen, dass gesetzliche Vorschriften nicht eingehalten werden. Doch ohne den Zusatz "lt. Gesetz" wäre die Auslobung so genannte Werbung mit Selbstverständlichkeiten und verboten. Mit dem Zusatz ist es legal, wie auch die Auslobungen "ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe, Farbstoffe" - und doch bleibt das Ganze Verbrauchertäuschung.

Die Knorr Feinschmecker Tomaten Suppe Toscana: keine geschmacksverstärkenden Zusatzstoffe und Farbstoffe, sondern Zutaten.

 

Der "Erasco Kartoffel-Topf mit Würstchen" enthält 5,8 Prozent Bockwurstscheiben, die neben Schweinefleisch Wasser enthalten. Üblich sind um die 20 Prozent. Das Produkt kommt zwar "ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe und künstliche Farbstoffe" aus. Doch bei dieser geringen Menge Wurst würde der "Erasco Kartoffel-Topf mit Würstchen" ohne Nachhilfe kaum nach Fleisch schmecken. Dafür sorgen neben den schon fast obligatorischen Zutaten Hefeextrakt und chemischen Aromen die Zusatzstoffe Rauch und Raucharoma. Beide gelten nicht als "geschmacksverstärkende Zusatzstoffe", ebenso wenig wie "färbender Paprikaextrakt" als künstlicher Farbstoff gilt. Doch ohne ihn würde die Mixtur aus einer Vielzahl von Zusatzstoffen vermutlich etwas blass aussehen.

Der Erasco Kartoffel-Topf mit Würstchen: Kaum Fleisch, aber Zusatzstoffe, um Fleischgeschmack zu erzeugen.

 

Nicht nur Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker, auch Getreide, vor allem Weizen, ist bei vielen Verbrauchern in Verruf geraten. Bei Menschen, die unter Unverträglichkeit gegen das darin enthaltene Kleberweiweiß Gluten leiden, kommt es zu einer Entzündung der Darmschleimhaut, mit der Folge, dass nicht mehr genügend Nährstoffe aufgenommen werden. Wer erkrankt ist, muss glutenhaltige Lebensmittel sein Leben lang meiden, denn heilbar ist die auch Zöliakie genannte Krankheit nicht. Doch betroffen ist nur etwa ein Prozent der Bevölkerung und "nur bei 10 bis 20 Prozent der Betroffenen liegt das Vollbild der Zöliakie vor", so die Deutsche Zöliakie Gesellschaft. Dass trotzdem viel mehr Menschen auf glutenfreie Ernährung achten, liegt an Bestsellern wie "Weizenwampe: Warum Weizen dick und krank macht" des amerikanischen Kardiologen Dr. William Davis oder "Dumm wie Brot: Wie Weizen schleichend Ihr Gehirn zerstört" von Dr. David Perlmutter, einem ebenfalls aus Amerika stammenden Arzt. Einer wissenschaftlichen Überprüfung halten ihre Behauptungen nicht stand. Doch das hindert Hersteller nicht, vermehrt glutenfreie Produkte auszuloben. Auch wenn sie, wie die "Lorenz Naturals Rosmarin"-Kartoffelchips ohnehin kein Gluten enthalten. Denn die besorgte Klientel ist bereit, einen höheren Preis für als glutenfrei beworbene Produkte zu zahlen.

Auf älteren Verpackungen und auf der Webseite des Herstellers findet man noch die Hinweise "Ohne Konservierungsstoffe, ohne Farbstoffe, ohne künstliche Aromen". Auf aktuellen Verpackungen heißt es dagegen nur noch: "Natürliche Zutaten". Plus Ausrufezeichen. Tatsächlich sind sowohl der in den Chips enthaltene Hefeextrakt als auch das natürliche Aroma rechtlich gesehen "natürliche Zutaten". Auch wenn das Aroma beispielsweise mit Hilfe von Schimmelpilzkulturen in der Chemiefabrik hergestellt wird.

Lorenz Naturals Rosmarin Kartoffelchips: Als "glutenfrei" beworben, obwohl Kartoffeln ohnehin enthalten kein Gluten enthalten. Aber besorgte Verbraucher sind bereit, für solche Produkte tiefer ins Portemonnaie zu greifen.

 

Viel schädlicher als Gluten (außer für die wenigen Betroffenen) ist für viele Menschen in Deutschland Zucker. Zuviel davon macht dick, krank und schlechte Zähne. Laut Weltgesundheitsorganisation WHO sollten Erwachsene täglich nicht mehr als 50 Gramm Zucker essen, sechsjährige Kinder höchstens 35 Gramm. Tatsächlich lag der durchschnittliche Verbrauch pro Kopf in Deutschland 2017/2018 bei 34,8 Kilo im Jahr, gut 95 Gramm pro Tag.

Weil immer mehr Verbraucher auf ihren Zuckerverbrauch achten oder zumindest sagen, dass sie darauf achten wollen, werden zunehmend Produkte als "weniger süß" oder "ohne Zuckerzusatz" ausgelobt. Zum Beispiel das "Kölln Müsli Früchte". Trotzdem enthält es fast 22 Prozent Zucker. Der entstammt laut Hersteller "dem natürlichen Zuckergehalt der Trockenfrüchte und des Getreides". Das macht die Sache allerdings nicht besser. Denn "zu viel Fruchtzucker, in der Fachsprache Fruktose genannt, führt zu Übergewicht, erhöht die Cholesterinwerte - und begünstigt so Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfal", so die Apotheken Umschau. Außerdem enthält das Müsli Maltodextrin und Gerstenmalzextrakt. Das sind zwei süßende Zutaten, die Zucker enthalten, aber rechtlich nicht als Zucker gelten.

Das Kölln Müsli Früchte ohne Zuckerzusatz: Gesüßt mit getrockneten Bananenstücken, Rosinen, Datteln und Sultaninen, die von Natur aus viel Fruchtzucker enthalten, der durch das Trocknen auch noch konzentriert wird. Doch zu viel davon macht krank.

 

Auch beim "Rewe Beste Wahl Cappuccino weniger süß" ist kein Zucker deklariert. Er verbirgt sich hinter den Zutaten Süßmolkenpulver und Maltodextrine. "Weniger süß" ist aber nicht wenig. Mit 48,6 Prozent enthält das Produkt lediglich etwas weniger Zucker als der "Rewe Beste Wahl Cappuccino classic", der auf gut 53,8 Prozent des süßen Schadstoffs kommt. Der Name des Produkts wurde übrigens mehrfach geändert. Zunächst hieß es "Rewe Beste Wahl Cappuccino ungesüßt", dann wurde ungesüßt durch "ohne Zuckerzusatz" ersetzt und später durch "weniger süß".

Der Rewe Cappuccino: "Ungesüßt" ist eine schlichte Lüge, "ohne Zuckerzusatz" legale Verbrauchertäuschung, "weniger süß" bestenfalls eine Beschönigung. Denn das Produkt enthält knapp 50 Prozent Zucker.

 

Sonnen Bassermann verkauft viele seiner Produkte mit dem Hinweis "ohne Konservierungsstoffe lt. Gesetz". Warum die Firma meint, sie müsse damit werben, dass sie sich an die gesetzlichen Vorschriften hält, erschließt sich uns nicht. Mehr noch: Die Hochzeits- und viele andere Suppen enthalten Ascorbinsäure (Vitamin C). Die verlängert die Haltbarkeit, ist aber rechtlich kein Konservierungsstoff, sondern ein Antioxidans. Auch auf Geschmacksverstärker kann Sonnen Bassermann in der Hochzeits- und anderen Suppen leicht verzichten. Den Geschmack erzeugen "natürliche Aromen" und "Aromen" - direkt aus der Chemiefabrik.

 

Die Sonnen Bassermann Hochzeitssuppe: Zur Verlängerung der Haltbarkeit keine Konservierungsstoffe, sondern ein Antioxidans, für den Geschmack keine Geschmacksverstärker, sondern Aromen.

Fazit: Clean Label sollten misstrauisch machen. Zumeist sind die "ohne"-Auslobungen legale Irreführung oder Täuschung der Verbraucher.