TÜV-Plaketten kleben auf Farben, Stromtarifen, Matratzen, Brustimplantaten, Spielzeug und Solaranlagen. Doch wie verlässlich sind die Prüfsiegel?
Einleitung
Den TÜV kennt vielleicht nicht jedes Kind, aber jeder Autofahrer. Auch vielen Menschen in Brasilien ist der Technische Überwachungs-Verein ein Begriff, seit er einen Staudamm für sicher erklärte, der kurz darauf brach, und eine Schlammlawine hunderte Menschen in den Tod riss. Reichlich negative Schlagzeilen machten auch die vom TÜV zertifizierten Brustimplantate des französischen Herstellers Poly Implant Prothèse. Nachdem sie bei vielen Frauen gerissen waren, stellte sich heraus, dass sie mit billigem Industriesilikon gefüllt waren. Und 2015 berichtete der Deutschlandfunk, "der TÜV stehe im Zusammenhang mit fragwürdigen Prüfungen, brüchigen Hüftprothesen und dubiosen Immobilienfonds".
"Kann man dem TÜV noch vertrauen?", fragte daher der Norddeutsche Rundfunk. Wobei es den TÜV eigentlich nicht gibt, sondern mehrere eigenständige Vereine wie den TÜV Süd und den TÜV Rheinland. Die sind zudem nicht, was man sich landläufig unter Vereinen vorstellt, sondern internationale Prüfkonzerne mit Milliardenumsätzen.
Testwatch hat sich nicht mit brisanten und vergleichsweise seltenen Produkten wie Brustimplantaten oder Hüftprothesen beschäftigt. Wir wollten vielmehr wissen, was von den TÜV-Siegeln für Produkte zu halten ist, die jeder hat: Matratzen.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Für "Body Star - die vielleicht beste Matratze der Welt" wirbt der Hersteller mit einem Siegel "Qualität geprüft" des TÜV Süd. Das meint: Die Body Star sei von oder an "Probanden getestet" worden und man habe die Haltbarkeit, das "Körperklima" und die Waschbarkeit untersucht. Wer wissen will, was beim Test an Probanden oder dem Körperklima-Test herausgekommen ist, kann sich durch die Internetseite des TÜV Süd klicken - und ist danach nicht klüger als zuvor. Denn dort findet man keine genauen Testergebnisse, sondern lediglich die Information, dass das Siegel noch "gültig" ist. Auch auf der Seite des Herstellers sind wir nicht fündig geworden.
Die beste Matratze der Welt? Vielleicht. Doch nachvollziehen können Verbraucher das nicht, denn die genauen Testergebnisse sind nicht bekannt.
Viel mehr erfährt man auch zur BeCo Komfortschaum Matratze Beddy Plus nicht, deren "Produktqualität" laut TÜV-Süd-Siegel "gut" ist. Grundlage für diese Bewertung sind Tests der Haltbarkeit, der Liegeeigenschaften sowie der Inhaltsstoffe.
Produktqualität gut? Welche Inhalts- und Schadstoffe mit welchem Ergebnis getestet wurden, erfahren Verbraucher nicht.
Das wirft die Frage auf, warum den Siegeln unterschiedliche Testprogramme zugrunde liegen. Des Rätsels Lösung: Anders als beispielsweise bei der Stiftung Warentest oder bei ÖKO-TEST gibt es beim TÜV kein einheitliches Prüfprogramm. Denn beim TÜV (ebenso wie bei der Konkurrenz Hohenstein Institute) ist der Hersteller König und bestimmt, was untersucht wird. Nicht nur bei Matratzen, sondern auch bei Spielzeug, Baumaterial und anderen Produkten.
Und nicht nur beim TÜV Süd. Auch vom TÜV Rheinland haben wir mehrere Siegel mit unterschiedlichen Prüfprogrammen auf Matratzen gefunden. Als "Schadstoffgeprüft" wird vom KMarkt - Der Möbel Discount eine Gel-Matratze beworben. Der Discounter Lidl hat das Siegel "Dauerhaltbarkeit, Fertigung überwacht, Qualität" für eine Kaltschaummatratze. Ob es die Prüfung auf Schadstoffe einschließt - wer weiß es. Denn auf seiner Internetseite erklärt der TÜV Rheinland lediglich: "Mit dem Keyword Qualität wird bestätigt, dass das Produkt die Prüfkriterien von TÜV Rheinland erfüllt". Konkurrent Penny offeriert eine Taschen-Federkernmatratze, bei der die Fertigung offenbar nicht überwacht wird. Und was für das Label "TÜV Rheinland zertifiziert" für ein Boxspringbett von Möbel24 getestet wurde, kann man nur erraten - sieht man einmal von dem vagen Hinweis auf der Internetseite von Möbel24 ab: "schadstoffarm, da TÜV geprüft".
Unterschiedliche Siegel für Matratzen des TÜV Rheinland, denen unterschiedliche Testprogramme zugrunde liegen (KMarkt, Lidl, Penny, Möbel24)
Fazit: Unabhängigkeit und Vertrauenswürdigkeit gehen anders. Denn das Prüfprogramm für die TÜV-Siegel bestimmen die Hersteller und sie bezahlen die Tests. Verbraucher sollten daher darauf achten, was nicht getestet wurde (z.B. die Schadstoffe). Oder die TÜV-Siegel gleich ignorieren.