Tchibo, Aldi und Hess Natur verkaufen erste Textilien mit dem Grünen Knopf. Doch hilft das Label Verbrauchern wirklich, ökologisch und sozialverträglich produzierte Kleidung zu erkennen?

Einleitung

"Der Grüne Knopf. Unser Zeichen für Verantwortung. Sozial, ökologisch, staatlich, unabhängig zertifiziert". So sieht das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sein neues Label, mit dem "nachhaltig produzierte Kleidung leicht zu erkennen" sei. Für den Grünen Knopf müssen zum einen für die Produkte "26 soziale und ökologische Kriterien eingehalten werden - von A wie Abwassergrenzwerte bis Z wie Zwangsarbeitsverbot", erklärt das BMZ. Zum anderen müsse ein Unternehmen als Ganzes "anhand von 20 Kriterien seine menschenrechtliche, soziale und ökologische Verantwortung nachweisen. Schafft es Missstände tatsächlich ab? Gibt es Beschwerdemöglichkeiten für die Näherinnen vor Ort?"

Die Einhaltung der produktspezifischen Kriterien gilt als nachgewiesen, wenn das Produkt bereits mit anderen Siegeln ausgezeichnet wurde. Zum Beispiel mit dem GOTS (Global Organic Textile Standard), das für echte Naturtextilen steht oder dem OEKO-TEX Made in Green, das es auch für Kunstfasern gibt.

Zum Start des Grünen Knopfes im September 2019 waren 27 Unternehmen dabei: Discounter wie Aldi, Lidl und Kaufland, die immer händeringend auf der Suche nach Nachweisen sind, dass ihre (Billig)produkte besser sind als ihr Ruf. Aber auch Firmen wie Hess Natur, Engel und Hans Natur, die zu den Pionieren für Öko-Mode gehören.

Bei Tchibo im Angebot: Bettwäsche mit dem neuen staatlichen Label Grüner Knopf

Was also ist von dem neuen Siegel zu halten? Wenig überraschend finden sich auf der Seite gruener-knopf.de ausschließlich positive Stimmen (die ansonsten selten einer Meinung sind). Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband, erklärt: "Der Grüne Knopf hat das Potenzial Verbraucherinnen und Verbrauchern eine bessere Orientierung im Siegeldschungel zu geben". Dem pflichtet Rayk Mende von Aldi Nord bei: "Mit dem Grünen Knopf geben wir unseren Kundinnen und Kunden eine zusätzliche Orientierung beim Einkauf". Alexander Birken, CEO Otto Group, begrüßt "die Initiative von Minister Müller, den Verbraucherinnen und Verbrauchern mit dem Grünen Knopf mehr Orientierung beim Kauf nachhaltig und fair produzierter Textilien zu bieten". Seit an Seit mit ihm begeistert sich Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor, "dass Minister Müller das Thema Nachhaltige Mode weiter ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit bringt und damit zeigt, dass sich die Bedingungen in der Textilindustrie dringend zum Besseren ändern müssen". Auch Andrea Ebinger, Geschäftsführerin von Hess Natur begrüßt, "dass das Thema Nachhaltigkeit in der Mode, das wir aus tiefster Überzeugung seit mehr als 40 Jahren praktizieren, jetzt vom BMZ und dem engagierten Team nach vorne gebracht wird".

Dagegen kritisiert auf spiegel.de Jan Thelen, der 2010 das nachhaltige Modellabel Recolution gegründet hat: "Beim Grünen Knopf wird die gesamte Faserebene ausgeblendet. Es dürfen umweltschädliche Viskosefasern eingesetzt werden oder auf Teflon basierende Membranen, die hinterher Sondermüll sind. Das heißt, ein normales Baumwoll-T-Shirt, das hoch und runter mit Pestiziden begossen und unter unschönen Bedingungen in Rumänien produziert wurde, würde den Grünen Knopf bekommen. Das ist absolute Verbraucherverwirrung".

Die Wochenzeitschrift Die Zeit schreibt: Entwicklungsminister "Müller hat eher nur einen Wohlfühlpunkt für die Konsumentinnen und Konsumenten geschaffen, denn andere Siegel sind um einiges strenger als der Grüne Knopf. Sowohl GOTS als auch IVN umfassen den gesamten Prozess, von Anfang an, während der Grüne Knopf irgendwo in der Mitte der Produktion feststeckt. Er umfasst nicht die Erzeugung der Rohstoffe, nicht das Weben der Stoffe, sondern nur die Weiterverarbeitung".

Die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campain - CCC), die sogar vom BMZ gefördert wird, moniert: "Grüner Knopf: an entscheidenden Stellen viel zu schwach". So werde "Unternehmen, die in der EU produzieren, ein Blankoscheck erteilt". Sie müssten "für die Produktzertifizierung keinen Nachweis erbringen, dass die Menschen- und Arbeitsrechte eingehalten werden, da die sozialen Standards aufgrund effektiv durchgesetzter gesetzlicher Vorgaben in der EU bereits gewährleistet seien". Das sei "ein Einfallstor für Trittbrettfahrer", denn es gebe beispielweise in "Bulgarien oder Rumänien, den beiden größten Textilkonfektionären in der EU, regelmäßig systemische Probleme bei der Umsetzung von Arbeitsrechten".

Der Christlichen Initiative Romero zufolge ist es "nicht akzeptabel, dass der Grüne Knopf bis auf weiteres nur die Zahlung von Mindestlöhnen fordert und kontrolliert". Das seien "in aller Regel und weltweit Hungerlöhne, die nicht ausreichen, den Grundbedarf einer Familie zu decken".

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: Alle Kritik am Grünen Knopf, mehr als berechtigt. Dem Anspruch, dass Verbraucher "nachhaltig produzierte Kleidung leicht erkennen" können, wird das Label (noch) nicht gerecht. Es kann sich auf umweltbelastenden Textilien finden, zum Beispiel aus konventioneller Baumwolle, für die Unmengen an Pestiziden verbraucht werden. Es garantiert auch nicht, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Billiglohnländern von ihrer Arbeit leben können. Es beschränkt sich noch auf Teile der Lieferkette, das Zuschneiden und Nähen sowie das Bleichen und Färben. Dadurch bleiben die bekannten Missstände bis hin zur Kinder- und Zwangsarbeit zum Beispiel bei der Herstellung der Fasern und beim Weben der Stoffe unberücksichtigt. Zudem bleibt die grundsätzliche Frage, ob ein freiwilliges Siegel ausreicht, die Probleme zu lösen? Oder ob die Firmen durch ein sogenanntes Lieferkettengesetz in die Pflicht genommen werden müssen, auf allen Stufen für eine umwelt- und vor allem sozialverträgliche Textilproduktion zu sorgen und das weltweite Elend der Textilproduktion zu lindern.

Fazit: Es ist zu begrüßen, wenn ein staatliches Label ähnlich wie das Bio-Siegel für Lebensmittel einheitliche Mindestanforderungen an die Herstellung von Textilien festschreibt. Doch die Kriterien des Grünen Knopfes sind (derzeit) bei weitem nicht streng genug. Empfehlenswerter sind der GOTS (Global Organic Textile Standard) und das Label Naturtextil IVN zertifiziert Best.

Alternativen: Der Grüne Knopf und zwei empfehlenswerte Siegel für sozialverträglich produzierte Naturmode.

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