Das erste Kreuzfahrtschiff hat den Blauen Umweltengel bekommen. Werden Schiffreisen jetzt zum Öko-Urlaub?
Einleitung
An Kreuzfahrten scheiden sich die Geister. Nicht nur in der Frage der Umweltbelastung. "Erlebte unlängst von der Rostocker Hohen Düne aus das Ablegen eines dieser Riesengefängnisse zu Wasser. Offenbar gibt es diesen Wahnsinn, um möglichst viele Menschen auf einmal vom Nachdenken über das Wesentliche abzulenken", kommentiert der User Rachmaninow einen Bericht auf zeit.de.
In solche "Riesengefängnisse" begeben sich freiwillig Jahr für Jahr mehr Menschen. 2,23 Millionen Deutsche sind 2018 auf große Fahrt gegangen, drei Prozent mehr als im Vorjahr. Die Branche wächst, trotz der lauter werdenden Kritik an der Umweltbelastung. "Der Kreuzfahrtmarkt boomt und belastet die Luft und auch das Klima zunehmend", stellt der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) in seinem Kreuzfahrtranking 2019 fest. "Schadet Umwelt, Mensch und Tier", klagt der Blog Bravebird in seinem Beitrag "7 triftige Gründe, keine Kreuzfahrt zu buchen".
Außerdem werden die Abgase für eine erhebliche Anzahl von vorzeitigen Todesfällen verantwortlich gemacht. welt.de schreibt unter Berufung auf eine Untersuchung von James Corbett, Professor für Meereskunde an der Universität von Delaware (USA), der Schiffverkehr insgesamt sei jährlich für bis zu 60.000 Tote verantwortlich.
Da kommt der Branche, die laut Frankfurter Allgemeine Zeitung ihr "Image retten" will, der Blaue Engel für die funkelnagelneue AIDAnova gerade recht. Ausgezeichnet wurde das für 6.600 Passagiere ausgelegte Riesenschiff, weil es mit Flüssigerdgas (LNG) fährt anstatt mit Schiffsdiesel oder Schweröl. Die beiden Treibstoffe stehen seit langem in der Kritik, weil sie Unmengen an Schadstoffen wie Schwefeldioxid, Stickoxid und Feinstaub verursachen. Die werden durch LNG so weit reduziert, dass die AIDAnova im jüngsten Kreuzfahrtranking des Nabu statt vier roter vier grüne Sterne bekommt. Doch auch LNG ist ein fossiler Brennstoff, "der teilweise mit erheblichen Eingriffen in die Umwelt gewonnen wird", so die Naturschützer. Daher biete "der Gasantrieb zwar in puncto Luftschadstoffminderung unbestreitbare Vorteile gegenüber Marinediesel und Schweröl, nicht jedoch in Hinblick auf die Klimabilanz der Flotte".
Unsere Einschätzung
Allerdings gibt es kaum handfeste Daten zur Umweltbilanz eines Kreuzfahrttrips, auch im Vergleich zu einem Strandurlaub auf den Kanaren beispielsweise. Immer noch zitiert wird eine Studie des Nabu aus dem Jahr 2012, nach der ein Kreuzfahrschiff pro Tag so viel Schwefeldioxid ausstößt wie 376 Millionen PKW und immerhin noch so viel des Klimagases CO2 wie 83.678 Mittelklasse-Autos. Dabei gesteht der Nabu selbst ein, dass die Zahlen "plakativ" sind. Andererseits macht es sich zu einfach, wer darauf verweist, dass die 90.000 Handelsschiffe weltweit nur drei Prozent der CO2-Emissionen verursachen und die etwa 350 Kreuzfahrtschiffe daran nur einen geringen Anteil haben. Auch der Hinweis der Branche, dass Kreuzfahrten gerade einmal drei Prozent des gesamten Reisemarktes ausmachen, verfängt nicht. Denn in Zeiten des Klimawandels zählt jeder noch so geringe Beitrag zur Verringerung des Problems.
Fest steht: Wer vom Hotel zum Strand geht, verursacht dabei weniger CO2 als Urlauber, die mitsamt ihrem Hotelzimmer über die Weltmeere schippern. Nach Berechnungen der Stiftung Warentest und der Organisation Atmosfair kommt ein Passagier während einer einwöchigen Kreuzfahrt durchschnittlich auf 1.500 Kilogramm Kohlendioxid. Das ist in etwa so viel, wie ein Mittelklassewagen auf 10.000 Kilometern ausstößt. Die Stuttgarter Zeitung schreibt, dass nach Berechnungen von Robert Sausen vom Deutschen Institut für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen je nach Größe des Schiffs bei einer 14-tägigen Kreuzfahrt pro Person ein bis drei Tonnen CO2 anfallen. Die Reederei der Aida-Schiffe rechnet vor, dass pro Person und Tag an Bord direkt lediglich 59,8 Kilogramm direkte CO2-Emissionen entstehen, also gut 800 Kilo in 14 Tagen. Das entspricht aber immerhin noch jeden Tag einer Autofahrt von 400 Kilometern. Dazu kommen die An- und Abreise - oft mit dem Flugzeug - oder auch Landausflüge.
Nicht nur wegen der Umweltbelastung werden Kreuzfahrten kritisiert. Die Seite fairaway.de beispielsweise moniert, dass viele Kreuzfahrtschiffe unter Billigflaggen fahren, was mit schlechten Arbeitsbedingungen und geringer Bezahlung der Mannschaft einhergehe. Außerdem bleibe auch dort, wo die Kreuzfahrtschiffe anlegen, das meiste Geld bei den Reedereien und komme nicht der Tourismusbranche vor Ort zugute.
Fazit: Auch wenn noch viele Daten fehlen: Kreuzfahrten belasten die Umwelt erheblich und vermutlich mehr als die meisten anderen Arten, Urlaub zu machen. Daran ändert auch der Blaue Umweltengel für Kreuzfahrtschiffe wenig.