Trotz des Klimawandels: Wer beim Einkauf von Lebensmitteln auf den Klimaschutz achten will, findet nur auf wenigen Produkten brauchbare Informationen. Doch es gibt ein paar einfache Ratschläge.

Einleitung

"Wie sieht der CO2 Fußabdruck unserer Produkte aus? 2008 wollten wir es genau wissen und fingen an zu rechnen", erinnert sich die Firma Frosta auf ihrer Internetseite. Aus der Rechnerei wurde ein paar Jahre später das Label "CO2-Footprint", das der Tiefkühlkosthersteller auf seine Produkte druckte. Genauere Informationen, wie viel Klimagas die Produkte verursachten, gab es auf der Internetseite. Dort sind sie immer noch zu finden, aber das Label auf den Produkten ist verschwunden. Die CO2-Bilanz und das Bemühen von Frosta, sie zu verbessern, waren für die Kunden offenbar nicht kaufentscheidend. Ihnen liegt - da können die Temperaturen täglich neue Höchstwerte erreichen - scheinbar mehr am "Frosta Reinheitsgebot - 100% frei von Geschmacksverstärkern, Farbstoffen & Aromen", das Frosta inzwischen aufwändig bewirbt und groß auf jede Verpackung stempelt.

Frosta setzt Akzente: Vor ein paar Jahren mit dem CO2-Fußabdruck (auf der Penne Pfanne unten rechts). Das Label nutzt die Firma heute nicht mehr, sondern wirbt groß mit dem "Frosta-Reinheitsgebot". Update 15.9.2019: Auf Nachfrage teilt uns Frosta mit: "Nach unserer Einschätzung hat das Logo keine Aufmerksamt verursacht. Es gab seitens unserer Kunden oder der Presse keine Anfragen, positive Rückmeldung oder Nutzung als Marketinginstrument. Wir haben uns daher dazu entschlossen im Jahr 2017 auf die Nutzung des CO2-Footprints aus Platzgründen (mittlerweile sind 18 Sprachen auf den Verpackungen aufgedruckt) zu verzichten".

Mit großen Erwartungen ist auch "Stop-Climate-Change" im Jahr 2007 gestartet. Für ihre Idee, "ein System zu entwickeln, dass höchste Standards erfüllt, hochwertigen Klimaschutz garantiert und ökologisch und sozial sinnvolle Klimaschutzprojekte weltweit fördert", bekam die Firma 2010 den Innovationspreis des Landkreises Göttingen. Doch durchgesetzt hat sich das Ganze nie richtig. Aktuell haben wir nur noch zwei Lebensmittel mit dem Stop-Climate-Change-Label gefunden: Bratwürstchen von Ökoland und einen Apfelsaft von Voelkel.

Stop Climate Change: Selbst bei Voelkel ist das Label nicht mehr, wie noch vor ein paar Jahren, prominent auf der Vorderseite des Etiketts (Bild Mitte).

Ein eigenes Label hat die Firma Provamel kreiert. Sie stellt pflanzliche Alternativen zu Milchprodukten her, aus Soja, aber auch aus Hafer, Mandeln und Koskosmilch. "Seit 2010 ist unser Herstellungsprozess CO2-neutral, als Ergebnis von Energieeinsparungen, dem Austausch fossiler Brennstoffe durch Ökoenergie und durch Investitionen in externe Projekte, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren", erklärt Provamel auf seiner Internetseite. Mit diesen Strategien arbeiten alle, die die CO2-Bilanz von Produkten verbessern wollen. Da sich das Klimagas nicht gänzlich vermeiden lässt, spielt die Kompensation eine wichtige Rolle. Meist durch Aufforstung in Ländern in Mittel- und Südamerika. Stop-Climate-Change beispielsweise hat in Costa Rica investiert, um "ehemaliges Weideland mit tropischen Edelhölzern nach ökologischen Maßstäben wiederaufzuforsten".

 

Besser als nichts: Das firmeneigene Provamel-Label hilft als Orientierung beim klimafreundlichen Einkauf.

Einen "CO2-Ausgleich von Restemissionen durch sinnvolle Klimaschutzprojekte" will auch Nature Office. Zu ihren Kunden gehören Konzerne wie die Heidelberger Druckmaschinen und der Farbenhersteller Alpina sowie einige wenige kleinere Lebensmittelhersteller. Darunter die Gebrüder Sünner Brauerei in Köln. Sie wirbt nicht nur auf ihrer Internetseite mit dem Nature-Office-Label, sondern auch auf ihren Bieren.

Nature Office: Die kleine Sünner Brauerei in Köln warb offensiv mit dem Klimaschutz, schon bevor die Temperaturen täglich neue Höchstwerte erreichten.

Auch das Label von Climate Partner ist eher auf dem Webseiten der Unternehmen zu finden als auf den Produkten. Eine prominente Ausnahme ist der Mineralwasser-Hersteller Hassia. Ihre Marke Hassia (die Firma hat auch noch weitere Marken im Portfolio) ist seit Januar 2019 klimaneutral und das bedeutet, "dass die gesamte Herstellungskette jedes einzelnen Produkts - von den Rohstoffen bis zum Transport in den Handel - das Gleichgewicht der Erdatmosphäre nicht verändert". Diese Botschaft werde von den Kunden gut angenommen, so Pressesprecherin Sibylle Trautmann. Daher werde man das Label "Klimaneutral" künftig auf die Etiketten drucken.

Hassia will mit seinen Produkten das Gleichgewicht der Erde nicht verändern und dokumentiert das mit dem Label Klimaneutral (auf der Flasche links unten). Auch die Initiative Unser Land druckt das Label auf die Milch (rechts unten auf der Seitenwand des Kartons). Bleibt die Frage, ob die Kunden das zu schätzen wissen.

Climate Partner ist zwar mutmaßlich der größte Zertifizierer im Lebensmittelbereich. Trotzdem haben wir das Label auf nicht einmal zehn Produkten gefunden. Laut Miriam Zagel, Marketing-Managerin bei Climate Partner, sind etwa 100 Lebensmittel zertifiziert. Oft sind es Produkte von regional arbeitenden, kleinen und Kleinstunternehmen. "Wir stehen ganz am Anfang, aber es tut sich gerade sehr viel", so Zagel. In der Branche ist tatsächlich noch viel Luft nach oben.

Unser Rat

Unser Rat: In Dänemark soll es bald ein verbindliches Label mit dem CO2-Fussabdruck für jedes Lebensmittel geben. Selbst wenn die Dänen das komplizierte Regel- und Rechenwerk hinkriegen, wäre es keine Blaupause für Deutschland. Denn hier herrscht Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und die steht vor einer solchen Kennzeichnung. Sie setzt auf Freiwilligkeit zum Beispiel bei der verpflichtenden Kennzeichnung für die Tierhaltung und versucht die Ampel-Kennzeichnung Nutri Score für ungesunde Lebensmittel zu verhindern.

Wer trotz Klöckner und unzureichender Kennzeichnung der Produkte klimafreundlich Lebensmittel einkaufen will, kommt mit ein paar einfachen Regeln weiter. Drei davon lauten: regional, saisonal, bio. Den Einfluss dieser drei Regeln zeigt eine Studie der Universität Gießen. So verursacht ein Kilo Tomaten im besten Fall (regional, saisonal, bio) gerade einmal 35 Gramm CO2. Im schlechtesten Fall (konventionell, im beheizten Gewächshaus, außerhalb der Saison) sind es 9.300 Gramm, 265 mal so viel.

Klimakiller: Wie die Anbauweise den CO2-Fußabdruck von Tomaten beeinflusst (Grafik: Naturschutzbund Deutschland)

Das Heidelberger IFEU-Institut hat in einer Studie im Jahr 2013 zudem den Einfluss des Verbraucherverhaltens berechnet und festgestellt: Wer mit dem Auto statt mit dem Fahrrad einkaufen fährt, verdoppelt im schlechtesten Fall den CO2-Fussabdruck. Einen ähnlich großen, negativen Einfluss hat - im Vergleich zum sofortigen Verzehr - die Lagerung von Gemüse in einem alten, nicht effizienten Kühlschrank. Und auch, wer zu viel einkauft und Verdorbenes wegschmeißen muss, schadet dem Klima. "Dadurch erhöht sich der CO2-Fussabdruck des tatsächlich verzehrten Gemüses beträchtlich, nämlich um 26,5% bzw. um 32%", so die Heideberger Forscher.

Dass Lebensmittel möglichst frisch und wenig verarbeitet sein sollten, raten Ernährungswissenschaftler aus gesundheitlichen Gründen, Klimaforscher können sich dem nur anschließen. So verursachen frische Kartoffeln gerade einmal 170 Gramm CO2 pro Kilo, gefrorene Pommes dagegen 5.650. Auch beim Thema Fleisch dürften sich Klima- und Gesundheitsexperten einig sein. Denn zu viel Fleisch ist nicht nur ungesund, sondern auch klimaschädlich. So verursacht ein Kilo Rindfleisch über 12.000 Gramm CO2.

Allerdings ist allein durch den klimafreundlichen Einkauf von Lebensmitteln das Klima nicht zu retten. Denn die Landwirtschaft verursacht weniger als acht Prozent der Treibhausgase. In den privaten Haushalten macht die Ernährung laut Umweltbundesamt 12,3 Prozent aus. Tatsächlich bläst ein Flug in den Urlaub mehr Klimagas in die Luft als der Verzicht auf Salami und Grillwürstchen einspart. Aber die Erde kann gerade jeden Beitrag gebrauchen.

 

Immerhin 12,3 Prozent der CO2-Emissionen der privaten Haushalte verursacht die Ernährung. Ein Teil davon ließe sich ohne jeden Verzicht, nur durch bedachten Einkauf, einsparen (Grafik: Umweltbundesamt).