Danone und vier weitere Lebensmittelhersteller wollen ihre Produkte freiwillig mit einer Ampel kennzeichnen. Kann der so genannte Nutri-Score Verbrauchern helfen, sich gesünder zu ernähren?
Einleitung
Die Kennzeichnung von Lebensmitteln mit den Ampelfarben grün, gelb und rot soll Verbraucher auf einen Blick vor Kalorienbomben mit zu viel Zucker, Fett oder Salz warnen. Dagegen hat sich die Lebensmittellobby bislang mit Händen und Füßen, Argumenten und Tricks gewehrt. So hatten Nestlé und Coca-Cola im vergangenen Jahr einen unappetitlichen Gruß aus der Küche gereicht. Sie wollten die farbliche Kennzeichnung akzeptieren, aber auf selbst festgelegte Portionsgrößen beziehen. Sie wollten also beispielsweise berechnen und bewerten, wie viel Fett eine halbe Pizza enthält oder wie viel Zucker eine halbe Flasche Cola. So lässt sich selbst das ungesundeste Lebensmittel schön und gesund rechnen. Um zu sinnvollen Aussagen zu kommen und Lebensmittel vergleichen zu können, haben Verbraucherschützer immer eine einheitliche Bezugsgröße von 100 Gramm oder 100 Milliliter gefordert.
Zuletzt hatte Anfang April 2019 der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) ein "Modell zur vereinfachten Nährwertkennzeichnung" ohne die verhassten Ampelfarben vorgestellt. Denn das Modell soll Lebensmittel "nicht bewerten", so der "Spitzenverband" der deutschen Lebensmittelindustrie. Offenbar war das eine Reaktion auf die Ankündigung von Danone sowie seinen vier Mitstreitern Iglo, Bofrost, der Großbäckerei Mestemacher und dem Pommes- und Chipshersteller McCain, mit dem Nutri-Score genau das zu tun und eine Bewertung auf ihre Produkte zu drucken.
In der EU hatte die Lobbyarbeit bislang Erfolg, Europa konnte sich nicht zu einem einheitlichen und verpflichtenden System durchringen. Und so gibt es derzeit lediglich in Großbritannien und in Frankreich freiwillige - und unterschiedliche - Ampelsysteme. In England werden einzelne Inhaltsstoffe wie Zucker, Salz und Fett mit den Ampelfarben gekennzeichnet, in Frankreich wird die Nutri-Score genannte Gesamtbewertung erstellt. Dafür werden günstige Bestandteile wie Ballaststoffe, Obst und Gemüse sowie Eiweiß verrechnet mit problematischen wie Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren. Im Ergebnis schaltet dann die fünfstufige Nutri-Score Ampel für Cola ebenso wie für Nutella auf die Warnstufe "E" dunkelrot. Mineralwasser erhält mit "A" dunkelgrün die beste Bewertung.
Eindeutige Kennzeichnung: Vom dunkelgrünen "A" (empfehlenswert) bis zum dunkelroten "E". Die Fruchtzwerge von Danone bekommen ein hellgrünes "B" (oben rechts).
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: In ungewöhnlicher Einigkeit ziehen Danone, Iglo, Bofrost, Mestemacher und McCain mit Verbraucherschützern an einem Strang. "Ein Nährwertkennzeichnungssystem muss wissenschaftlich basiert erarbeitet, in Testmärkten auf seine Wirksamkeit geprüft und in einem Dialogprozess mit verschiedenen Stakeholdern erarbeitet werden. Das Nutri-Score-Modell in Frankreich erfüllt diese Kriterien und ist ein sehr überzeugendes Beispiel aus der Praxis. Es kann Vorbild für Deutschland sein", so Klaus Müller, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Foodwatch forderte: "Alle anderen Hersteller müssen nachziehen". Und die Verbraucherzentrale Hamburg erklärte: "Wir brauchen dringend ein vereinfachtes Kennzeichnungssystem für Lebensmittel, denn die derzeitigen Informationen auf Etiketten finden viele Verbraucher zu kompliziert. Daher ist der Nutri-Score ein bedeutender Schritt in die richtige Richtung".
Gegenwind kommt nicht nur vom BLL und Großteilen der Lebensmittelindustrie, sondern auch vom Landgericht Hamburg. Es verbot Iglo auf Antrag eines "Schutzverbandes gegen Unwesen in der Wirtschaft" per einstweiliger Verfügung die Kennzeichnung mit dem Nutri-Score. Eine Begründung lag am 16. April 2019 noch nicht vor. Doch was auch immer das Gericht bewogen hat: Unbestritten hat der Nutri-Score Nachteile. Zahlreiche Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker, Süßstoffe oder Aromen berücksichtige der Nutri-Score nicht. Hersteller könnten die Bewertung ihrer Produkte dadurch verbessern, dass sie mehr Zusatzstoffe einsetzen, um beispielsweise den Fettanteil zu verringern, schreibt die Hamburger Verbraucherzentrale.
Im Ergebnis bekommt Cola Light, da sie weder Zucker noch Fett enthält, ebenso wie Orangensaft ein grünes "B". Das ist die beste mögliche Bewertung für Getränke, denn das dunkelgrüne "A" ist (Mineral)wässern vorbehalten. Mit "C" schneidet dagegen wegen des recht hohen, natürlichen Zuckergehalts Apfelsaft ab. Doch jeder Ernährungswissenschaftler wird bestätigen, dass der Saft Cola Light vorzuziehen ist. Problematisch kann auch die Verrechnung von positiven und ungünstigen Zutaten sein. So kann eine völlig versalzene Gemüsepfanne noch ein grünes "B" ergattern, weil sie einen hohen Gemüseanteil und viele Ballaststoffe enthält. Dadurch wird die überhöhte Menge an Salz aber nicht gesünder.
"Der Nutri-Score ist kein umfassendes Bewertungssystem für Lebensmittel. Methoden, die Dinge vereinfachen, haben naturgemäß auch Lücken. Daran kann man nichts ändern", sagt auch die Verbraucherzentrale Hamburg. Aber er eignet sich vor allem zum schnellen Erkennen von problematischen, von zu fettigen oder überzuckerten Produkten. Ob ein grünes "A" oder "B" wirklich gesund und empfehlenswert ist, zeigt ein zusätzlicher Blick auf die Zutatenliste und die Nährwerttabelle; ob es bio, vegetarisch oder regional ist, belegen entsprechende Label und Siegel. Und der Zuckergehalt von Soft-Drinks in England ist nicht wegen der roten Ampelkennzeichnung gesunken, sondern weil eine Zuckersteuer Cola und Co. erheblich verteuert hat.
Fazit: Der Nutri-Score ist kein Allheil-Rezept für eine gesündere Ernährung. Aber er ist ein guter und der derzeit beste Einstieg in eine leicht verständliche Kennzeichnung von Lebensmitteln.