Die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind zu 95 Prozent gesetzlich festgelegt. Um sich von der Konkurrenz abzuheben, werben sie besonders gerne mit Testsiegen und sind verlässliche und zahlungskräftige Label-Kunden. Doch was haben die Verbraucher davon?
Einleitung
Mit fast sechs Millionen Versicherten ist die DAK die drittgrößte Krankenkasse in Deutschland. Damit das so bleibt und sie nicht von der viertplatzierten AOK-Bayern überholt wird oder zur Techniker (mit über zehn Millionen Versicherten) und zur Barmer (gut neun Mio.) aufschließen kann, rührt sie kräftig die Werbetrommel. Neun "Auszeichnungen und Qualitätssiegel" aus dem Jahr 2018 finden sich auf ihrer Internetseite: "Ausgezeichnete Leistungen" wurden ihr von der Zeitschrift Focus Money (Ausgabe 07/2018) ebenso attestiert wie "Hervorragender Service", "Hervorragende Bonus- und Vorteilsprogramme", "Sehr gute zahnmedizinische Versorgung", "Sehr gute Gesundheitsförderung" und "Sehr gute digitale Leistungen". Das Deutsche Finanz-Service Institut zeichnet die DAK als "Beste Kasse für Familien" und "Beste Kasse für junge Leute" aus, vom TÜV Rheinland bekommt sie das "Siegel für besten Kundenservice".
Damit ist die DAK nicht allein. Branchenprimus Techniker hat allein von Focus Money "Bestnoten in neun Kategorien" erhalten und ist "Zum zwölften Mal in Folge Deutschlands beste Krankenkasse". Insgesamt kommen allein die 15 größten Kassen auf mehr als 100 Auszeichnungen und Label von 20 Testanbietern.
Unsere Einschätzung
Unsere Einschätzung: Doch was haben die Versicherten von all diesen Testsiegen? Antwort: So gut wie nichts, da die Leistungen der Kassen in den wichtigsten Bereichen gesetzlich geregelt sind und sich nicht unterscheiden. Darüber hinaus ist die eine Kasse vielleicht ein wenig großzügiger bei der Erstattung der Kosten für Yoga-Kurse, die andere zahlt etwas mehr für Impfungen, die dritte hat möglicherweise ein besonders Modellprojekt für Rückenschmerzen, die vierte für Homöopathie. Den wichtigsten Unterschied zwischen den Kassen macht jedoch der Zusatzbeitrag. Den dürfen die Krankenkassen erheben, wenn sie mit dem "allgemeinen Beitragssatz", der für alle Kassen derzeit 14,6 Prozent des Gehalts beträgt und je zur Hälfte vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer gezahlt wird, nicht auskommen. Der von den Arbeitnehmern allein zu zahlende Zusatzbeitrag liegt derzeit zwischen 0 und 1,7 Prozent. Das heißt: Wer beispielsweise 3.000 Euro im Monat verdient und bei der AOK Baden-Württemberg (1,0 Prozent Zusatzbeitrag) versichert ist, zahlt monatlich 30 Euro zusätzlich aus eigener Tasche, bei der Securvita (1,7 Prozent) sind es 51 Euro. Aufs Jahr gerechnet beträgt der Preisunterschied zwischen einer Kasse ohne Zusatzbeitrag und einer teuren Kasse also bis zu 612 Euro (Stand Oktober 2018) (Update: Seit dem 1.1.2019 ist der Zusatzbeitrag je zur Hälfte von den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern zu zahlen). Dafür kann man so manchen Yoga-Kurs aus eigener Tasche bezahlen – anstatt sich bei einer teuren Kasse zu versichern, die Gesundheitskurse großzügig bezuschusst und dafür in einem Test dann eine Auszeichnung für "sehr gute Gesundheitsförderung" erhält.
Auch wer ganz spezielle Probleme und Anforderungen an seine Krankenkasse hat, dem helfen Testsiege und Auszeichnungen wie "Beste Kasse für Familien" wenig. Denn eine Familie mit drei kleinen Kindern wünscht sich möglicherweise eine Kasse, die Haushaltshilfen großzügig bezuschusst. Eine Familie mit einem behinderten Kind ist auf besondere Förderprogramme angewiesen. Eine Familie mit erwachsenen Kindern und gebrechlich werdenden Großeltern ist für Unterstützung bei deren Betreuung dankbar.
Fazit: Das wichtigste Kriterium bei der Wahl der Krankenkasse ist nicht die Zahl der Testsiege, Auszeichnungen und Label, sondern der Zusatzbeitrag. Wer ganz spezielle Probleme und Anforderungen hat, muss sich auf die – mühsame – Suche nach der dafür besten Kasse machen.