So viele Pestizide wie nötig, so wenig wie möglich. Das ist das Prinzip des integrierten Pflanzenschutzes. Doch was als Neuerung daherkommt, ist eigentlich längst gesetzlich vorgeschrieben - und zeigt nur, wie viel in der konventionellen Landwirtschaft im Argen liegt.
 

Ohne Pestizide inklusive des umstrittenen Glyphosat geht es nicht, meint das Weinbauamt Eltville, nachdem man dort über vier Jahre lang geforscht hatte. Da fragt man sich als erstes selbstverständlich, wie all die Bio-Weinbauern, die kein Glyphosat und andere chemische Spritzmittel verwenden dürfen, überhaupt überleben und ihren Marktanteil in den vergangenen zehn Jahren von gerade einmal 0,8 auf inzwischen fast fünf Prozent steigern konnten?

Das Weinbaumt Eltville und viele Vertreter der konventionellen Landwirtschaft sind der Meinung, dass zumindest ein sparsamerer Einsatz von Spritzgiften möglich ist. Der Schlüssel dazu heißt „integrierter Pflanzenschutz“. Was damit gemeint ist, erklärt das Umweltbundesamt auf seiner Internetseite: "Zum Standort passende Pflanzen, widerstandsfähige Sorten, bedarfsgerechtes Düngen, Pflanzenstärkungsmittel, weite Fruchtfolgen, Gründüngung, Kombination physikalischer und biotechnischer Pflanzenschutzmaßnahmen, biologischer Pflanzenschutz hat Vorrang vor chemischen Pflanzenschutzmitteln, möglichst umweltschonende Wirkstoffe verwenden".

Bei genauerem Hinsehen sind viele Maßnahmen eigentlich Selbstverständlichkeiten. Doch wenn es nicht selbstverständlich ist, zum Standort passende Pflanzen anzubauen oder bedarfsgerecht zu Düngen, dann zeigt das lediglich, wie viel in der konventionellen Landwirtschaft im Argen liegt. Nicht nur beim Pestizideinsatz, der laut EU-Vorschriften auf das notwendige Maß begrenzt werden muss. Aber offenbar nicht wird, denn sonst bräuchte es ja nicht das neuentwickelte Konzept des intergierten Pflanzenschutzes.

Der ist nicht nur für Profis die Methode der Wahl, auch für Hobbygärtner. So schreibt der Geschäftsführer des Landesverbandes Schleswig-Holstein der Gartenfreunde seinen Gartenfreunden: "Mit der konsequenten Anwendung des Integrierten Pflanzenschutzes sollte es Ihnen möglich sein, den Garten frei von Pflanzenschutzmitteln zu halten und so unbelastetes Obst und Gemüse zu ernten". Aber: "Sollte es nun bei aller Mühe immer noch zu einem für die Pflanze oder die Ernte bedrohlichen Schädlingsbefall kommen, dürfen Sie auch zugelassene Pflanzenschutzmittel einsetzen. Wenden Sie das Mittel fachgerecht an und bevorzugen Sie möglichst selektive Wirkstoffe, die speziell auf einen Schädling abgestimmt sind".

Auch der Industrieverband Agrar spricht sich für integrierten Pflanzenschutz aus, obwohl zu seinen 55 Mitgliedsunternehmen Pestizidhersteller wie Bayer und BASF gehören. Aber, so der Verband: "Im integrierten Pflanzenschutz gilt: So viel wie nötig, so wenig wie möglich". Damit können auch die Spritzmittel-Hersteller leben. Ein Bekenntnis dazu - was auch immer daraus folgt - ist nicht das schlechtestes für den angeknacksten Ruf der Branche. Auf den Absatz in Deutschland haben alle Maßnahmen und Diskussionen ohnehin keinen Einfluss, denn seit mehr als 20 Jahren werden jedes Jahr um die 30.000 Tonnen Pestizide verspritzt. Und jenseits unserer Grenzen könnten die Geschäfte kaum besser laufen. "Allein in der Europäischen Union werden jährlich mehr als 200.000 Tonnen Pflanzenschutzmittel verwendet", meldet das Pestizid Aktion Netzwerk. Weltweit sei der Umsatz zwischen 2005 und 2010 von 31 auf 38 Milliarden US-Dollar gewachsen.

Fazit: Wer so wenig wie möglich will, sollte den Einsatz von Pestiziden im Hobbygarten grundsätzlich verbieten und die professionelle Landwirtschaft für die Schäden - Stichwort Bienensterben - zahlen lassen. Dann hätten wir bald mehr als fünf Prozent Bio-Lebensmittel.

 

Mit integriertem Pflanzenschutz können die Pestizidhersteller gut leben. Denn die Spritzgifte sind weiterhin erlaubt, die Geschäfte laufen weltweit prächtig.