Zuerst kennzeichnete der Discounter Lidl Schweine-, Rind-, Puten- und Hähnchenfrischfleisch mit einem "Haltungskompass". Er soll Kunden dabei unterstützen, eine "bewusste Kaufentscheidung für eine tierwohlgerechtere Haltung zu treffen". Schnell zogen Kaufland, Netto, Aldi und Penny nach.

Einleitung

Der Haltungskompass von Lidl hat vier Stufen. Stufe 1: Stallhaltung "entspricht den gesetzlichen Bestimmungen", so Lidl. Stufe 2: Stallhaltung Plus "gewährt Tieren mehr Platz sowie Beschäftigungsmaterial“. Stufe 3: Außenklima "gewährt Tieren zusätzlich mehr Platz, sie werden gentechnikfrei gefüttert und haben Zugang zu Außenklimabereichen". Stufe 4: Bio "entspricht den gesetzlichen Bestimmungen für Bio-Fleisch". Einfluss auf die Preisgestaltung soll die Kennzeichnung nicht haben. Denn"„naturgemäß kosten Bio-Artikel in der Stufe 4 mehr als konventionelle Ware. Und schon heute liegen Produkte in der Stufe 3: Außenklima, preislich höher als in den Stufen 1 und 2", schreibt der Discounter auf seiner Internetseite. Bis Anfang 2019 sollen mindestens 50 Prozent der Fleischprodukte mindestens auf Stufe 2 umgestellt sein.

Unsere Einschätzung

Unsere Einschätzung: "Das Label ist kein Tierwohllabel", gibt Lidl offen zu. Es soll lediglich kennzeichnen, wie die Tiere gehalten wurden. Fraglich ist, ob sich dadurch langfristig "die Standards in ganz Deutschland sukzessive erhöhen", wie Lidl erwartet. Denn dazu müssten die Verbraucher zumindest eine Vorstellung davon haben und vermittelt bekommen, was sich hinter den Stufen und Begriffen verbirgt. Ehrlicher wäre es, Stufe 1: Stallhaltung als Massentierhaltung zu bezeichnen. Denn der gesetzliche Mindeststandard, dem Stufe 1 entspricht, gönnt Schweinen gerade einmal 0,75 m² Platz im Stall, Masthähnchen haben nicht einmal Anspruch auf ein DIN-A-4 Blatt, bis zu 25 dürfen auf einem Quadratmeter Stall zusammengepfercht werden.

Auch Stufe 2: Stallhaltung plus ist Massentierhaltung, die durch den Zusatz "plus" verharmlost wird. Für Stufe 2 muss das Platzangebot mindestens zehn Prozent größer sein als gesetzlich vorgeschrieben. Das Schwein bekommt also ein gutes DIN-A-4 Blatt mehr Platz, statt 25 drängen sich bis zu 22 Masthähnchen auf jedem Quadratmeter Stall.

Von artgerechter Tierhaltung kann auch bei Stufe 3: Außenklima keine Rede sein. Dafür reichen 25 Prozent (Hähnchen) bzw. 40 Prozent (Schweine) mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben nicht aus. Zudem heißt "Außenklima" bei Hähnchen, dass sie zumindest Zugang zu einem "Kaltscharrraum" haben. Dabei bräuchten sie genügend, das heißt mehrere Quadratmeter Platz im Freien. Ähnliches gilt für Schweine.

Die Grundlagen für Stufe 4: Bio (entspricht den gesetzlichen Bestimmungen für Bio-Fleisch) sind eine Selbstverständlichkeit. Die Stufen 1 bis 3 dagegen verwirren Verbraucher und sind vor allem Imagekosmetik für die konventionelle Tierhaltung.

Fazit: Das Elend der Massentierhaltung lässt sich nicht durch immer neue Label abschaffen oder zumindest lindern, sondern nur durch gesetzliche Vorgaben für eine artgerechte Tierhaltung - und durch den Kauf von Bio-Fleisch.

 

Konkurrenzkampf 1: Lidl kam als erster Discounter mit einem Kennzeichnungssystem für Tierhaltung auf den Markt.

 

Konkurrenzkampf 2: Um Konkurrenz geht es selbstverständlich nicht. "Mit dem Haltungszeugnis übernehmen wir Verantwortung in der Tierwohldebatte", so der zu Edeka gehörende Netto Markendicount.

 

Konkurrenzkampf 3: Mit fast identischen Bedingungen, einen etwas anders gstalteten Label und der Bezeichnung "Haltungstransparenz" zogen Aldi Süd und Nord im August nach.

 

Konkurrenzkampf 4: Das lässt den zu Rewe gehörende Discounter Penny nicht ruhen. Es gibt Ende Juli 2018 zwar noch kein Label, aber die Ankündigung, bis Ende 2018 in die Gänge zu kommen.

 

Konkurrenzkampf 5: Ende Mai 2018 kam Kaufland mit seinem Haltungskompass. Er sieht aus wie eine Kopie von Lidl - und ist auch eine. Denn Kaufland und Lidl gehören zusammen.

 

Update

Update vom 16.1.2019: Ab dem 1. April 2019 wollen die in der Initiative Tierwohl engagierten Unternehmen - die Discounter Aldi Süd und Nord, Lidl, Netto, Penny und Kaufland und die Supermarktketten Rewe und Edeka - Fleisch einheitlich kennzeichnen.

Die neue einheitliche Kennzeichnung von Fleisch. Die zumindest in dem Stufen 1 und 2 beklagenswert niedrigen Anforderungen ändern sich nicht.