Pressemitteilung

Frankfurt am Main, 01.11.2018

Nicht nur die Stiftung Warentest und ÖKO-TEST lassen Produkte und Dienstleistungen vom Babybrei bis zur Sterbegeldversicherung untersuchen. In Deutschland gibt es über 300 Testveranstalter.

Doch welchen Tests kann man vertrauen? Die Antwort: Viele sind nicht seriös. Im besten Fall sind sie unterhaltsam, zumeist aber schlicht Täuschung der Verbraucher. Denn in den vergangenen Jahren ist der Verkauf von Testsiegeln zu einem großen Geschäft geworden. Seitdem sich auf fast jedem Produkt mindestens ein Label findet, seitdem fast jedes Finanzprodukt von irgendjemandem zum "Testsieger" gekürt wurde, seit fast jede Krankenkasse mit mehreren Siegeln wirbt, ist eine ganze Labelvergabe-Industrie entstanden. Die ist hochprofitabel – Hersteller und Anbieter zahlen oft 20.000 und mehr Euro für ein Label – hilft aber den Verbrauchern nicht.

Hier gibt Testwatch Hilfe. Denn um der Täuschung einen Riegel vorzuschieben, wurden auf Initiative des Bundesverbraucherministeriums bereits 2014 "Regeln der guten fachlichen Praxis des Testens" erarbeitet. Ein wichtiger Punkt darin: Die Vergabebedingungen und die Preise für die Label sollen veröffentlicht werden. Nach diesen zentralen Kriterien hat Testwatch eine Vielzahl von Labeln durchleuchtet https://www.testwatch.de/ratgeber/123-serioese-und-unserioese-tests. Dabei zeigt sich, dass sich nur wenige an diese Vorgabe halten und damit nicht einmal grundlegende Anforderungen an Transparenz und Glaubwürdigkeit erfüllen.

Dazu kommt, dass viele "Tests" schlicht gemacht werden, um möglichst viele "Testsiege" zu produzieren, die man als Label verkaufen kann. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn bei Fertighausanbietern nicht getestet wird, ob ihre Häuser energiesparend sind und aus gesundheitlich und ökologisch unbedenklichen Materialien bestehen, sondern wenn sie Label für den "Kundenservice per E-Mail" oder den "Versand von Unterlagen" bekommen. Ein Musterbeispiel für eine vollkommen außer Kontrolle geratene Labeling-Industrie ist auch, wenn Online eingeholte Meinungen von Kunden dazu führen, dass 600 Unternehmen mit dem Label "Preis-Champion" werben dürfen.

Video: Interview mit Jürgen Stellpflug

Was will Testwatch?

Jürgen Stellpflug: Tests sollen Verbrauchern helfen, aus der unübersehbaren Fülle von Waren und Dienstleistungen, von Shampoos, Babybreien oder Lebensversicherungen, die besten zu finden. Daher stellt sich immer die Frage: Können sich Verbraucher auf die Tests und auf die Testlabel verlassen? Wir haben festgestellt: Leider werden die Verbraucher sehr oft getäuscht.

Was heißt Täuschung, wie funktioniert das?

Stellpflug: Zum einen missbrauchen Hersteller immer wieder Label für nicht getestete Produkte. Zu meiner Zeit als ÖKO-TEST Chefredakteur sind wir genau wie die Stiftung Warentest konsequent dagegen vorgegangen. Testwatch geht es aber darum, dass "Tests" selbst oft unseriös sind. Da werden dann zum Beispiel Goldhändler getestet. Wobei man eigentlich nicht von einem Test sprechen kann, denn Grundlage war lediglich ein von den Händler selbst ausgefüllter Fragebogen. Der Test ist in 18 Kategorien unterteilt. Das ist lukrativ, denn in jeder Kategorie werden Testsieger gekürt, an die Label verkauft werden können. Zum Beispiel in den Kategorien "Bester Goldbarrenhändler unter den Filialgroßhändlern" oder "Bester Goldmünzenhändler unter den Online-Goldhändlern" oder "Bester Goldankäufer unter den Online-Goldhändlern". Insgesamt kamen so 139 Testurteile "sehr gut" und "gut" zusammen. Macht 139 mögliche Label.

Aber wer interessiert sich für einen Test Goldhändler?

Stellpflug: Auf jeden Fall die Tester, die mit den Labeln Geld verdienen, und die Goldhändler, die mit den Labeln werben. Der Test Goldhändler ist auch nur ein Beispiel. Das gleiche Muster haben wir in allen Bereichen gefunden, bei Tests von Banken ebenso wie bei Tests von Onlineshops für Lebensmittel, Fertighausherstellern oder Handcremes. Immer geht es darum, möglichst viele gute "Testergebnisse" zu produzieren, die sich in Label umsetzen und verkaufen lassen. Dazu kommt eine zweite Möglichkeit, Geld mit solchen "Tests" zu verdienen: so genannte Affiliate Programme. Das heißt: Auf den Internetseiten der Testanbieter wird auf Shops verlinkt, die das Produkt verkaufen, und dafür bekommen die "Tester" Geld. Klar, dass man dafür kein mangelhaftes oder ungenügendes "Testergebnis" gebrauchen kann. Denn ein solches Produkt kauft kein User.

Zurück zur Vielzahl der Label. Warum reicht es nicht, mit einem Label zu werben?

Stellpflug: Das große Angebot an Produkten und Dienstleistungen verunsichert Verbraucher, die für sich das Beste suchen. Durch viele Label lassen sie sich beeindrucken – und täuschen. Ein Anbieter von Bankentests beispielsweise gibt ganz offen zu, dass er sich das zu Nutze macht. Er schreibt auf seiner Internetseite: "Die Auszeichnung als Testsieger – bei durchaus relevantem Kundennutzen – kommt also in erster Linie der Bank selbst zugute". Und rät: "Werbung mit Auszeichnungen – möglichst vielen – ist  die am besten investierte Werbung – und das mit kurz- und langfristigem Return of Investment". Genau darum geht es: Mit fragwürdigen "Tests" die Verbraucher zu täuschen und ihnen das Geld aus der Tasche zu ziehen.

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