Warum die geplante Stromerzeugung durch Kernfusion nicht für den Kampf gegen den Klimawandel taugt.
Die Meldung ging am 13.12.2022 um die Welt. Erstmals sei es Wissenschaftlern in der staatlichen Forschungseinrichtung National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien gelungen, durch Kernfusion einen Überschuss an Energie zu erzeugen. Eingesetzt habe man zwei Megajoule, gewonnen drei. Das stimmt zwar nicht. Denn „die genannten rund 2 Megajoule an investierter Laserenergie umfassen nur jenen Anteil, der in das System geleitet wird. Die rund 300 Megajoule an Energie, die für den Betrieb der Lasergeräte aufgewendet werden müssen, wurden in der Rechnung nicht berücksichtigt“, schreibt die österreichische Zeitung Der Standard.
Trotzdem waren die Reaktionen begeistert. Die Tagesschau berichtet, Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger habe den Wissenschaftlern gratuliert und von einem „historischen Tag für die Energieversorgung der Zukunft" gesprochen. Erstmals sei gezeigt worden, dass man „die Sonne tatsächlich auf die Erde holen" könne. US-Energieministerin Jennifer Granholm erklärte: „Einfach ausgedrückt ist dies eine der beeindruckendsten wissenschaftlichen Leistungen des 21. Jahrhunderts". Und Stephane Dujarric, der Sprecher des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, sagte: „Es handelt sich um eine äußerst wichtige Entwicklung, die im Kampf gegen den Klimawandel eine große Hilfe sein könnte".
Welch ein Unsinn, denn die Wissenschaftler vom NIF ebenso wie Dujarric und alle mit der Kernfusion befassten Forscher wissen, dass es noch Jahrzehnte dauern wird, bis Fusionsreaktoren kommerziell Strom erzeugen. Wenn es überhaupt funktionieren sollte. Bis dahin muss der Kampf gegen den Klimawandel längst gewonnen sein. Mit den heute schon zur Verfügung stehenden, unerschöpflichen regenerativen Energiequellen wie Sonnenstrom, Biogas, Wind- und Wasserkraft.
Doch seit Beginn der Fusionsforschung in den 1970er Jahren haben es die Beteiligten immer verstanden, große Hoffnungen für die Zukunft zu wecken. Etwa 50 Jahre werde es bis zur kommerziellen Nutzung dauern, hieß es damals. Heute geht man davon aus, dass man mindestens bis 2065 brauchen wird. Auf jeden Fall werden noch unzählige Milliarden in die Forschung fließen. Allein der europäische Iter (Internationaler Thermonuklearer Experimentalreaktor), der im südfranzösischen Cadarache gebaut und niemals kommerziell Strom erzeugen wird, verschlingt nach heutigem Stand 20 Milliarden Euro. „Das ist eine gigantische Geldvernichtung, ein Beschäftigungsprogramm für arbeitslose Physiker" sagte der Pariser Energie-Fachmann Mycle Schneider, der unter anderem die Internationale Atomenergie-Organisation und die EU-Kommission berät, schon 2011 der Sonntagsausgabe der TAZ. Einer Aufstellung des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik wird die immens teure Fusionsforschung in zahlreichen weiteren Ländern betrieben, unter anderem in Australien, Indien, Israel, China, Malaysia und Brasilien.
Für die Kernfusion sprechen nach Ansicht ihrer Befürworter nicht nur die Aussicht auf eine unerschöpfliche Energiequelle, sondern auch unbestreitbare Vorteile im Vergleich zur Kernspaltung. Anders als bei den heutigen Atomkraftwerken sind Unfälle mit der Freisetzung von Radioaktivität, Tausenden von Toten und der Verseuchung großer Gebiete wie in Tschernobyl oder Fukushima, nicht möglich. Und es entsteht zwar radioaktiver Müll. Der muss aber nicht hunderttausende von Jahren sicher endgelagert, sondern kann nach ein paar Jahrzehnten wiederverendet werden.
Unerschöpfliche Energiequellen, kein radioaktiver Müll – das trifft auch auf die regenerativen Energien zu. Es spricht mithin alles dafür, der Kernfusion endlich den Geldhahn zuzudrehen und die freiwerdenden Mittel zur Förderung von Energie aus Sonne, Biogas, Wind- und Wasserkraft zu verwenden.