Warum die Einlagerung von Kohlendioxid tief in der Erde (CCS) ein teurer Irrweg ist.
Nach Überzeugung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wird das umstrittene CCS-Verfahren gebraucht, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann. Die Abkürzung steht für Carbon Capture and Storage und bedeutet: Kohlendioxid, das bei der Verbrennung fossiler Energieträger (Kohle, Öl, Erdgas) entsteht, wird abgeschieden und anschließend zum Beispiel in ausgebeuteten Erdgasfeldern tief unter dem Meeresspiegel eingelagert. An Land gibt es Lagerstätten vor allem in den norddeutschen Bundesländern. Die hätten die Verpressung des Klimagases in tiefe Gesteinsschichten erlauben können. Doch sie haben das untersagt – auf der Grundlage eines Bundesgesetzes aus dem Jahr 2012, das ihnen diese Möglichkeit einräumt. Daher muss nun ein neues Gesetz her. Aber dem, und damit ihrer Entmachtung, müssten die Bundesländer zustimmen.
Noch im Mai 2021 hatte das Handelsblatt berichtet, Habeck halte CCS für „die falsche Strategie“. Nicht nur daher ist seine Kehrtwende bemerkenswert. Vor allem hat eine Studie des Umweltbundesamts (UBA) gezeigt, „dass CCS für die Erreichung der Treibhausgasneutralität in Deutschland nach derzeitigem Kenntnisstand nicht erforderlich ist“.
Das UBA verweist auf die Gefahren und Risiken des Verfahrens. Es schreibt: „Gesundheitsrisiken können sich aber infolge von Unfällen (etwa Entweichen des CO2) oder durch eine allmähliche Freisetzung aus dem Speicherkomplex ergeben. Risiken für das Grundwasser und für den Boden entstehen vor allem durch Leckagen von CO2. Das freigesetzte CO2 kann Schadstoffe im Untergrund freisetzen sowie salzige Grundwässer aus tiefen Aquiferen verdrängen. Unter ungünstigen Bedingungen können diese verdrängten salzigen Grundwässer bis in oberflächennahe süße Grundwässer und an die Erdoberfläche gelangen. Dort können sie zu Schäden (Versalzungen) im Grundwasser, in Böden und Oberflächengewässern führen.“ Problematisch sei darüber hinaus „der enorme zusätzliche Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung“. CCS erhöhe den Verbrauch der „fossilen Rohstoffe um bis zu 40 Prozent.“
Das Umweltbundesamt gehört zum Geschäftsbereich des Umweltministeriums, das von Steffi Lemke geführt wird. Die gehört, wie Habeck, zu den Grünen. Wir haben das Umweltministerium daher gefragt, ob Lemke der gleichen Meinung ist wie Habeck. Die Antwort des Pressesprechers: „Die Bundesregierung befindet sich zum Thema CO2-Speicherung derzeit in internen Beratungen. Zu Zwischenständen äußern wir uns üblicherweise nicht. Innerhalb der Bundesregierung federführend ist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Daher würde ich Sie gerne an die Kolleginnen und Kollegen verweisen wollen.“ Übersetzt heißt das: Habeck hat uns mit seiner Kehrtwende in die Bredouille gebracht, daher soll er auch die Kritik von Umweltverbänden und anderen Fachleuten einstecken. Wir halten uns da raus.
Wir haben auch beim UBA nachgefragt, ob es immer noch der Meinung ist, dass CCS nicht notwendig ist. „Das UBA hat gezeigt" antwortet uns die Pressesteller, "dass diese unvermeidlichen Emissionen in Deutschland durch die massive Stärkung natürlicher Senken ausgeglichen werden könnten, z.B. durch die Renaturierung von Moorgebieten, den Schutz von Wäldern und die Entsiegelung von Flächen. Negative Emissionen, die Stärkung natürlicher Senken durch Investitionen zur Stabilisierung der Ökosysteme, Biodiversitäts- und Artenschutz könnten so Hand in Hand gehen.“ Solche Maßnahmen sind mit höchstens 100 Euro pro Tonne Kohlendioxid zudem wesentlich günstiger als CCS, das Schätzungen zufolge 200 bis 1.200 Euro die Tonne kostet.
Unbestritten ist, dass es noch lange Zeit nicht vermeidbare Emissionen des Treibhausgases geben wird. Die könnten nicht nur durch Senken wie die Wiedervernässung von Mooren in Deutschland, sondern auch durch Investitionen in Projekte in Schwellen- und Entwicklungsländern wie die Wiederaufforstung von Wäldern, den Bau von Solaranlagen, den Ersatz von Kohle durch Biomasse wie Kokosnussschalen oder effiziente Kochöfen „kompensiert“ werden. Weil sich in diesen Ländern mit jedem Euro viel mehr erreichen lässt als in den Industrieländern, kostet die Kompensation bei Organisationen wie Atmosfair, Klima Kollekte, Myclimate, Climate Partner oder Prima Klima nicht einmal 30 Euro pro Tonne Kohlendioxid.
Zudem helfen viele Kompensations- und Einsparungsprojekte auch den Menschen vor Ort. So tragen saubere Kochöfen, durch die der Holzverbrauch und damit die CO2-Emissionen fürs Kochen um 40 bis 80 Prozent sinken, zu 12 der 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung bei. Unter anderem zum Ziel „Gesundheit und Wohlergehen", weil sie Luftqualität in Wohnräumen verbessern und für einen erheblichen Rückgang von Atemwegserkrankungen sorgen. Der Ersatz von Kohle durch Biomasse in Ziegeleien sorgt unter anderem für „Menschenwürdige Arbeit". Waldschutz und die Aufforstung von Wäldern fördert neben anderen das Ziel „Keine Armut" durch Verbesserung der Lebensgrundlagen und Einkommensmöglichkeiten.
Anders als Habeck jetzt meint, ist CCS nicht nötig zur Erreichung der Klimaziele, sondern sogar hinderlich. Das Verfahren bindet Gelder, die anders effizienter eingesetzt werden könnten.