Die Stiftung Warentest hat 247 Hausratversicherungen getestet. Das sind viele, doch eine große Hilfe ist der Test nicht.
Von Michael Erdmann, Hildesheim
Alle paar Jahre gibt es einen Test Hausratversicherungen von der Stiftung Warentest. In der Juli-Ausgabe 2022 ihrer Zeitschrift Finanztest werden 247 Tarife von 98 Anbietern begutachtet. In tabellarischer Form werden die erheblichen Preisunterschiede und unterschiedlichste Leistungsumfänge dargestellt.
Immerhin ist man lernfähig. Vor sechs Jahren erlebte der Test einen Aufschrei in der Fachpresse, weil man das Kriterium "grobe Fahrlässigkeit" vernachlässigt hatte. Dies wird inzwischen als Grundvoraussetzung zur Aufnahme in den Vergleich angesehen. Wie wichtig eine solche Klausel ist, zeigt ein aktueller Fall: In einem Wohnhaus in Bremen hatte die Besitzerin die Knöpfe des Herdes verwechselt und anstatt eine Herdplatte auszuschalten eine andere auf Vollstufe gedreht. Sie war nicht gegen grobe Fahrlässigkeit versichert. Der Brandschaden war beträchtlich, der Versicherer kürzte die Entschädigung und bekam in der Berufungsinstanz vor dem Oberlandesgericht Bremen recht (Az.: 3 U 37/21).
Wie die Hausrat- von der Gebäudeversicherung mit gleichen bzw. ähnlichen Versicherungsumfängen abzugrenzen ist, erklärt Finanztest wie es vermutlich jeder Vermittler auch formulieren würde. Man stelle das Haus auf den Kopf und alles, was rausfällt, ist durch die Hausratversicherung gedeckt. Nicht allerdings Schäden an der Wand und am Fußboden. Für Mieter wichtig, die zum Teil viel Geld in Tapeten, Fußböden und Deckenverkleidungen stecken: Hausratversicherungen zahlen in der Regel für solche in das Gebäude eingebrachte Sachen. Wer was bezahlt (Gebäude- oder Hausratversicherung), ist manchmal umstritten und führt nicht selten zum Rat an Eigentümer, diese bei einem Versicherer abzuschließen. Zumindest eine Erörterung der Problematik wäre sinnvoll gewesen.
Bevor man in eine weitere Bewertung des Tests einsteigt, sollte der Stellenwert der Hausratversicherung für die Versicherungsbranche nicht unerwähnt bleiben. Denn diese Sparte ist noch vor der Unfallversicherung der absolute Gewinnbringer mit einer so genannten Schaden/Kostenquote (CR = Combined Ratio) von inzwischen 68,7 Prozent (2020). Im Laufe der Jahre ist diese kontinuierlich zurückgegangen. 2014 betrug sie 83,9 Prozent. Manche Versicherer sind inzwischen stolz darauf, bei 50 Prozent CR abgekommen zu sein. Das heißt: Jeder zweiter eingenommene Euro kann als Gewinn verbucht werden.
Die Überschrift in Finanztest "Schaden melden, Police behalten" erzeugt insofern ein falsches Bild, wenn schon im zweiten Satz angemahnt wird, man solle nicht allzu viele Schäden melden. Doch in der Hausratversicherung dürften Schadenkündigungen seitens eines Versicherers sehr selten sein.
Bei einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Yougov von 2018 unter Verbrauchern kam die Hausratversicherung bei den wichtigsten Versicherungen auf Platz 3 (nach der privaten Haftplicht- und der KFZ-, aber noch vor der Berufsunfähigkeits-Versicherung). Die Begehrtheit und Nachfrage sind also ebenso da wie die Aussicht auf viel Gewinn. Vor diesem Hintergrund mag deutlich werden, dass in kaum einer anderen Sparte Preisdifferenzen und Vielfalt an Deckungsumfängen so ausgeprägt sind. Bildet der Test das ab?
121 Versicherer betreiben das Geschäft mit der Hausratversicherung. Da scheinen 98 untersuchte Versicherer schon ein angemessener Ausschnitt. Einige bedeutende Marktplayer wie einige Öffentlich-Rechtliche oder Generali fehlen allerdings. Nicht berücksichtigt sind auch Tarife, die von so genannten Assekuradeuren aufgesetzt werden, bei denen Versicherer nur im Hintergrund als Risikoträger wirken. Da findet man für die Hausratversicherung sogar so genannte Allrisk-Deckungen, die jedwedes Missgeschick innerhalb der eigenen vier Wände versichern. Der Test selbst stellt dagegen nur auf die klassischen Gefahrendeckungen (Feuer, Leitungswasser, Sturm/Hagel, Einbruchdiebstahl und die sogenannten Naturgefahren wie Starkregen, Hochwasser, Erdrutsch oder Vulkanausbruch) ab. Für Leistungen wie Hotelkosten, Schäden durch Rauch und Ruß oder Fahrraddiebstahl vergibt Finanztest bis zu vier Punkte. In einer Fachbesprechung wurde zu Recht darauf verweisen, dass der Durchschnittsverbraucher mit den Tabellen und Anmerkungen für eine Entscheidungsfindung vermutlich überfordert ist. Da Finanztest allerdings - und glücklicherweise - auch auf die Vergabe von Noten verzichtet hat, stellt sich die Frage, was Leser mit der Veröffentlichung überhaupt anfangen können. Auch sind Tipps wie "Basistarif reicht meist" zu hinterfragen, wenn der Preisführer bei der wichtigen Versicherung von Hotelkosten und Rauch- und Rußschäden nun wirklich nicht zu empfehlen ist.
Auch wenn der Test darauf verweist, dass die meisten Versicherer in Baukastenmanier von Basis bis Premium unterschiedlichste Versicherungsschutzbausteine und Tarifvarianten vorhalten, fehlt die Erörterung, auf welche Leistungen ein Kunde besonderen Wert legen sollte, bei welchen es um teure oder sogar existenzbedrohende Schadenereignisse geht. Bei ca. 786.000 Schäden lag der Schadendurchschnitt 2020 bei 1.453 Euro. Die allermeisten Schäden dürften im absoluten Bagatellbereich liegen, so dass Hinweis einer Selbstbeteiligung zur Prämienminderung angebracht erscheint.
Testgrundlage sind zwei Modellkunden in Jena und Krefeld in unterschiedlichen Postleitzahlgebieten. Es sollte erwähnt werden, dass inzwischen nicht nur die Postleitzahlen, sondern auch andere Merkmale wie das Alter des Versicherungsnehmers oder der Familienstatus zur Berechnung der Prämien herangezogen werden. Der Test unterstellt allerdings eine Tariftreue der Versicherer, die es im Grunde nicht gibt. Schadenfreiheits-, Bündelungs- und Vermittlerrabatte sind längst üblich, ebenso Online-Rabatte. Manche Versicherer gewähren Rückvergütungen. Insofern ist das im Finanztest genannte Preisgefüge bestenfalls zur Groborientierung geeignet.
Bildet der Test die Tariflandschaft ab?
Bei allem Lesefleiß von Versicherungsbedingungen und dem Versuch, Entscheidungskriterien per tabellarischer Erfassung von Einzelkriterien und Hinweistipps zu generieren, es ist eigentlich der aussichtslose Versuch, heutige Angebotskomplexität zu erfassen. Da wird der Kunde nicht umhinkommen, eigene Vorstellungen zu entwickeln, welcher Tarif für ihn richtig ist. Mehr Klarheit und Durchblick erzeugt der Test insofern nicht. Aber der Tipp, Altverträge zu überprüfen, ist eigentlich immer richtig. Gerade in der Hausratversicherung sind Bedingungsverbesserungen und Prämienreduzierungen an der Tagesordnung. Der Neukunde ist umworben, der Altkunde wird vergessen.
Fazit: Versicherungen überschlagen sich mit immer neuen Deckungspaketen. Aber ein Kunde, der nur eine Feuerversicherung haben wollte, würde nicht fündig. Wie wäre es mit einem Bewertungskriterium: Gestaltbarkeit von Versicherungsschutz?